Ich bin dann mal weg
Alte Bäume verpflanzt man nicht? Von wegen!

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Wahrscheinlich erinnert ihr euch gar nicht mehr an mich. Bin ja schon so lange nicht mehr im LK gewesen. Dabei war ich da viele Jahre praktisch zuhause. Na ja, Dinge verändern sich, das Leben verändert sich. Ich komme auch jetzt eigentlich nur noch einmal zurück, um mich von euch allen zu verabschieden. Ich bin nämlich wech.

Vor knapp einem Jahr war es plötzlich so weit. Wir hatten die Nase voll, von diesem und jenem und überhaupt. Es hatte sich langsam angestaut, und eines Morgens, es war ein Montag im April, lief der berühmte Tropfen über. Urplötzlich, aber mit Karacho. Wir beschlossen, unser Haus zu verkaufen und unseren Lebensabend woanders zu verbringen. Am besten ganz woanders. 
Aber wo? Hier irgendwo? Vielleicht an der Rheinpromenade? In Hüthum., Elten, Praest?
Nee, wenn schon, dann richtig, dachten wir weiter. Keine halben Sachen. 
Ergo: Richtung Familie. Unsere Große und ihre ebenfalls schon großen Kinder wohnen in Oberursel am Taunus. Wir sehen uns vielleicht zwei-dreimal im Jahr für ein paar Stunden, das ist einfach zu wenig, zumal wir selber inzwischen auch nicht mehr so mobil sind und die Fahrerei an unserer Tochter hängen bleibt. (Die Bahn wollen wir mal gar nicht in Betracht ziehen, die hat uns schon so viel angetan).
Unsere Kleine in Mittelengland, die wir auch so selten sehen,  bekniete uns, zu ihnen zu kommen. Sie wollten uns in der Nähe ein süßes., kleines Cottage besorgen: Kommt nach England!
Wir wollten aber lieber in Deutschland bleiben.

Also ging die Suche los. Die alten Bäume liefen heiß.
Makler, Käufer für unser Haus suchen, Wohnung in Oberursel und Umgebung suchen. Immo Scout präsentierte uns zig Wohnungen. Unsere Tochter musste den Part übernehmen, die Wohnungen zu besichtigen.  In ihrer kargen Freizeit kurvte sie zwischen all den in Frage kommenden Wohnungen zwischen Rheingau und Wetterau hin und her. Es passte nie. Es war zum Verzweifeln. Dafür fanden wir hier eine sehr nette Familie, die unser Haus kaufen wollte. 
So lange wir keine Wohnung in Hessen fanden, so lange konnten wir doch nicht einfach aus unserem Haus ausziehen. Die alten Wurzeln machten sich bereits wieder daran, sich zuhause neu einzugraben. Die Nerven lagen blank.
Es wurde Juli. Wir fuhren nach Oberursel, zwei Optionen hatten wir noch offen, die wir selber besichtigen wollten. 
Danach ...? 
Nr. 1 - nee, ganz bestimmt nicht.
Nr. 2 - ein Wohnblock, hm, nee, eigentlich auch nicht. Obwohl, wir hatten schließlich einen Termin und konnten nicht einfach abhauen.
Was soll ich sagen? Die Wohnung im 5. Stock empfing uns wie liebe, alte Freunde. Sie nahm uns praktisch in den Arm. Der große Südbalkon lag in der warmen Herbstsonne, unten plätscherte leise der Urselbach, und in den Bäumen sangen die Vögel. Der Ausblick auf den Taunus war gigantisch. Und wir hin und weg.

Jetzt sind wir hier zuhause. Seit einem halben Jahr schon. Und wir haben unsere Entscheidung noch keinen einzigen Tag bereut. Zwei alte Niederrheiner in Hässe. Das passt.

Fazit: alte Bäume kann man getrost verpflanzen. 
Es gibt ein neues Leben nach dem alten Leben. Es erfordert Mut und kostet Unmengen von Kraft, aber es lohnt sich. Es ist spannend, neu, aufregend. Es ist toll. Ein Jungbrunnen. 
Heute bin ich seit einem halben Jahr hier.
Die Möbel übermorgen, und mein Mann in drei Tagen.  Die Zeit ist geflogen!

Adieu, Emmerich! ( Wo wir 75 Jahre lang gelebt haben)
Adieu, lieber LK!
Macht et gut, liebe Freunde!

Eure Oma Crissy

Autor:

Christel Wismans aus Emmerich am Rhein

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