Die Kirmes verlor das Duell gegen den Fußball

In den Kneipen an der Rheinpromenade herrschte Hochbetrieb beim Deutschland-Spiel. Foto: Ralf Beyer
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Leere Straßen, volle Kneipen und Kirmesbetreiber, die sehnsüchtig auf Besucher warteten. So sah es am Freitagabend aus, als die deutsche Fußball Nationalmannschaft im WM-Halbfinale gegen Frankreich spielte.

Wir waren an verschiedenen Orten unterwegs, um das einmal zu dokumentieren. Sind wirklich alle so fußballverrückt, wie es immer geschrieben wird? Wir beginnen unsere Reise im Schützenhaus Kapaunenberg. Im großen Saal konnten die Fans das Spiel auf einer Großbildleinwand verfolgen. Doch der Andrang war recht überschaubar. Etwas über 20 Leute saßen bei Anpfiff im riesigen Saal. Da wollte auch so recht keine Stimmung aufkommen. Abmarsch nach gut zehn Minuten. Spielstand 0:0. Nun ging es mit dem Auto in die Innenstadt. Und es passierte genau das, was ich und mein Fotograf geahnt hatten. Tooooor für Deutschland. Gott sei Dank gibt es Radio. Aber gesehen hatten wir natürlich nichts. Nächster Stopp: das Seniorenheim St. Augustinus. Wird hier auch Fußball geschaut?
Es ist 18.17 Uhr. Ein harter Kern von zwölf Personen sitzt im Seniorenheim, mit deutschen Fähnchen ausgestattet, im Essenssaal. Bei den Spielen der deutschen Nationalmannschaft ist dort eine Leinwand aufgebaut. Wir bleiben ein paar Minuten, in Brasilien passierte nichts und uns zog es weiter auf die Emmericher Kirmes. 18.25 Uhr - leere Parkplätze, in der Steinstraße kaum ein Mensch unterwegs. Dort wo sich sonst die Menschen ihren Weg bahnen, herrscht viel Platz. „Es ist nicht viel los“, meinte Losverkäufer Wolfgang Claaßen. „Aber Deutschland führt 1:0. Meine Frau hat mir bescheid gesagt.“
An den Bierbuden standen ein paar Leute, gab es hier doch auch Fernseher. Gähnende Leere am Autoscooter. Eigentlich der Treffpunkt für die Jugend. Hier saß Roswitha Breuer und freute sich über jeden, der bei ihr einen Chip kaufte. Das war allerdings sehr überschaubar. Drei bis vier Autoscooter drehten ihre Runden auf der großen Fläche. „Seit 17.30 Uhr ist hier nicht mehr viel los. Die Leute schauen zuhause Fußball.“ Aber auch sie verpasste keine Minute. Denn auf dem Smartphone lief das WM-Spiel. „Ich muss zwar arbeiten, aber ich bin dennoch Patriotin.“
An der Schießbude fiel kein einziger Schuss, kein Ball wurde auf die Dosen geworfen, Zuckerwatte und Mandeln blieben unberührt. Auch die bunten Luftballons wollte keiner. So konnte Katja Lütteke über ihren tragbaren DVD-Player das Deutschland-Spiel verfolgen. Für uns ging es weiter Richtung Rheinpromenade. Wenn schon auf der Kirmes nichts los ist, dann müssen doch die Kneipen voll sein - oder? 18.47 Uhr - Onder de Poort. Bis auf die Terrasse hatte es die vielen Fans verschlagen. Sie konnten die Partie auf drei Bildschirmen verfolgen. Die Bedienung kam aufgrund der schwülen Luftverhältnisse ganz schön ins Schwitzen. Halbzeit in Brasilien. Die Leute schnappten draußen nach Luft, rauchten eine Zigarette und diskutierten über das Spiel. „Das ist doch fast wie in Brasilien hier, bei der Luftfeuchtigkeit“, schmunzelte eine Deutschland-Fan.
Ein paar Minuten nach Wiederanpfiff ging es weiter. Die Lokale entlang der Promenade hatten auch schon mal mehr Gäste gesehen. 19.17 Uhr - im Bistro 852 sind alle Sitzplätze belegt. Auf vier Flachbildfernsehern läuft das Spiel. Inhaber Frank Kühn: „Es ist längst nicht solch eine Euphorie wie bei der letzten EM. Da haben die Leute alle Spiele geschaut.“ Und seine Frau fügte hinzu: „Viele bleiben zuhause, weil sie dort auch jederzeit rauchen können.“ Es wurde eifrig diskutiert über Özil und das deutsche Spiel.
19.37 Uhr - im Restaurant „Franz“ haben ein paar Damen vom Schützenverein Station gemacht. Auf der Großbildleinwand verfolgen sie mit Wirt Franz Feyen die Partie. „Für uns als Restaurant ist Fußball eher nachteilig. Aber aus Verbundenheit zum deutschen Team nehmen wir das gerne in Kauf“, bemerkte Franz Feyen, der ständig mit seiner Tochter in Australien simste. Dort war es mitten in der Nacht. Nachspielzeit. Noch vier Minuten. Franz Feyen und die Damen fiebern dem Schlusspfiff entgegen. Noch einmal eine Schrecksekunde, doch Manuel Neuer reagiert glänzend. Dann ist Schluss und die Damen und Franz Feyen reißen jubelnd die Arme in die Höhe.

Autor:

Jörg Terbrüggen aus Emmerich am Rhein

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