Blind Date

Blind date

Am Montag hatte ich in Düsseldorf ein date. Das erste blind date meines Lebens.

„Willst du da wirklich hinfahren?“ fragte mein Mann besorgt.
„Du kennst die doch gar nicht. Woher kennst du die denn? Wer ist das überhaupt? Ist das ein seriöses Umfeld? Soll ich nicht lieber….?“
„Nein. Und - ja, natürlich. Mein Gott, du tust ja, als würde ich alleine in den Orient fahren. Mich klaut schon keiner. Inzwischen nicht mal mehr im Dunkeln.“ Ich lachte. „Ich bin doch schon groß!“
Aber das überzeugte ihn nicht im Geringsten. „Und wenn dir was passiert? Wenn was ist? Und ich dein Handy nicht erreichen kann? Ich habe absolut keine Ahnung, wohin du fährst. Hast du denn wenigstens die Adresse? Nicht? Siehste!“
Jetzt schrillten schon die großen Alarmglocken.

Ich seufzte, ging in den Flur und kam mit einem kleinen Büchlein zurück.
„Da! Das ist sie. Das ist ihr Buch, das hat sie geschrieben. Und fotografiert. Diese fantastischen Aufnahmen sind von ihr. Sie ist verheiratet, wohnt in Düsseldorf – irgendwo dort jedenfalls – hat einen Sohn und arbeitet als Flugberaterin in Düsseldorf und Frankfurt.
Willst du es noch seriöser haben?“
„Hm, na ja, das hört sich ja ganz solide an.“ Die großen Alarmglocken verstummten. Nur die kleinen schwangen noch leise hin und her. „Hast du wenigstens ihre Handynummer für mich?“
„Da auf dem Tisch liegt sie.“ Ich packte meine Handtasche, den Fahrkartenausdruck, mein Portemonnaie und mein Uralt- Handy. „Ich kenne sie doch schon ewig von Opinio her. Sie ist genauso gerne in der Welt unterwegs wie ich. Sie hat auch schon die dollsten Dinge erlebt mit Stand-by-Flügen. Sie ist ähnlich gestrickt wie ich. Wir werden uns bestimmt super verstehen. – Und wenn nicht, komme ich mit dem nächsten Zug wieder nach Hause und das war’s dann. OK?“

„Hm.“ Mein Mann brummelte noch immer vor sich hin. „Hm, und wo trefft ihr euch? – Sie holt dich am Bahnhof ab? – Aber, du kennst sie doch gar nicht. Du kannst doch keine Gesichter erkennen und sie dir merken. Das klappt im Leben nicht! Weiß sie wenigstens, wie du aussiehst?“
„Na ja, schon. Sie kennt mein Profilbild. Aber sie ist anscheinend genauso’n Blindfisch wie ich. Vielleicht nicht ganz so schlimm…“ Ich sah die gerunzelte Stirn und sagte schnell:
„Ich hab ihr geschrieben, sie soll eine Kamera vor’s Gesicht halten wie auf ihrem Foto. Dann erkenne ich so hundert pro. Außerdem ist sie klein und blond. – So, und jetzt Schluss!“
„Und wie spät kommst du wieder?“
„Keine Ahnung, ich schicke dir eine SMS.“
„Aber auch, wenn du angekommen bist und ihr euch getroffen habt.“
„Ja, Papa!“ (Amen!)
„Sag nicht: ja, Papa!
„Ja, Papa! – Und jetzt – bringst du mich bitte endlich zum Bahnhof, damit ich meinen Zug nicht verpasse?“

Ich habe ihn nicht verpasst, er fuhr pünktlich und niemand hat mich belästigt. Meine unbekannte Bekannte stand auf dem Bahnsteig: klein und blond, wie sie gesagt hatte mit ihrem unverwechselbaren Büchlein vor der Brust und strahlte mich an.

Wir hatten einen herrlichen Tag zusammen, mein Blind Date und ich.

© Christel Wismans

Autor:

Christel Wismans aus Emmerich am Rhein

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