Karl-Heinz Gajewsky stellt mit Klaus Märkert einen echten „Typ“ vor
Der Macher des Nachthumor

Gajewsky schreibt in seinem Nachwort über Märkert: "Klaus Märkert erinnert an das alte Schwarz-Weiß-Fernsehen. Schuhe, Socken, Hose, Hemd, Brille, Haare - alles schwarz! Tiefschwarz sogar. Dazu in starkem Kontrast sein weißes Gesicht." Das erinnerte Gajewsky an Märkers Buch: "Der Tag brauch das Licht, ich nicht." | Foto: Gerd Kaemper
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  • Gajewsky schreibt in seinem Nachwort über Märkert: "Klaus Märkert erinnert an das alte Schwarz-Weiß-Fernsehen. Schuhe, Socken, Hose, Hemd, Brille, Haare - alles schwarz! Tiefschwarz sogar. Dazu in starkem Kontrast sein weißes Gesicht." Das erinnerte Gajewsky an Märkers Buch: "Der Tag brauch das Licht, ich nicht."
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Das „Lesebuch Klaus Märkert“ ist nicht das erste, das der Gelsenkirchener Karl-Heinz Gajewsky im Auftrag von Walter Gödden für Nylands Kleine Westfälische Bibliothek zusammengestellt hat, aber es ist sicher eins der skurrilsten. Denn Klaus Märkert ist das, was man im Ruhrgebiet einen echten Typen nennt.

Karl-Heinz Gajewsky hat sich bei seinen bisherigen Lesebüchern mit Arbeiterdichtern wie Ilse Kibgis und Richard Limpert oder dem Schriftsteller und Dichter Michael Klaus befasst. Nun beleuchtet er die Werke des ehemaligen Mit-Begründers der Dark-Wave-Disco Zwischenfall, Sozialarbeiters und Streetworkers sowie des Erfinders des Nachthumors Klaus Märkert aus Gelsenkirchens Nachbarstadt Bochum.


Märkert- ein gebürtiger Gelsenkirchener

Geboren wurde Märkert übrigens im Marienhospital in Gelsenkirchen, dem alten, das damals noch an der Kirchstraße stand. Warum seine Eltern zur Entbindung nach Gelsenkirchen gefahren sind, weiß er nicht. Aber seinen Geburtsort kann er nicht verleugnen, auch wenn er nie in Gelsenkirchen gelebt hat.
„In einem Gespräch mit Professor Walter Gödden kamen wir auf Klaus Märkert, den Gödden nicht kannte. Am Anfang musste er schon schlucken, weil manche Geschichten schon grenzwertig sind. Das war mutig von Professor Gödden, aber inzwischen ist er gefangen von den Krankheitsgeschichten, ein echter Märkert-Fan und überzeugt, dass Leben und Werk in die Reihe der Lesebücher von Nylands Kleine Westfälische Bibliothek passt“, freut sich Karl-Heinz Gajewsky, der sichtlich Spaß daran hatte, sich in die literarischen Ergüsse und das Leben von Märkert zu vertiefen. Autobiografische Romane und Kurzgeschichten von Märkert führt Gajewsky komprimiert und mit neuer Erzählweise zusammen.
So vielschichtig wie Klaus Märkert, so abwechslungsreich sind auch die Geschichten, die Gajewsky für das Lesebuch zusammen getragen hat. „Zum einen gibt es völlig abgedrehte Geschichten, die an Helge Schneider und Charles Bukowski erinnern, dann aber auch wieder Geschichten über die Herzkrankheit, die Märkert mit Mitte 30 heimsuchte und seitdem nie wieder los ließ. Aber keine Angst, damit wird nicht auf die Tränendrüse gedrückt“, verspricht Gajewsky und hält Wort.

Schwer krank - aber noch lange nicht tot

Warum, das wird klar, wenn Klaus Märkert von einem Krankenhausaufenthalt erzählt: „Da kam ein Arzt auf mich zu und meinte, ich sähe aus wie der Magier David Copperfield. Als ich nicht so recht wusste, wovon er redet, meinte der Arzt, sie wissen schon, der der mit Claudia Schiffer liiert ist. Das musste ich weit von mir weisen, denn Claudia Schiffer ist für mich eine Barbiepuppe mit Hasenzähnen.“
Eigentlich begann für den Mann, der heute mit seinen schwarzhumorigen Geschichten begeistert, alles ganz bürgerlich. Er besuchte das Gymnasium und machte Abitur. Danach ging es zur Bundeswehr, „nicht gerne“, wie er selbst sagt. An der Universität studierte Märkert Jura, aber nicht bis zum Ende, obwohl er die nötigen Scheine erbracht hatte.
„Zu Anfang des Studiums war die Art der Studierenden um mich herum eine andere. Sie entwickelten sich immer mehr zu Aktenkofferträgern und das bin ich einfach nicht. Darum habe ich umgesattelt und Sozialarbeit studiert. Obwohl ich eigentlich immer mit dem Betreiben einer Diskothek geliebäugelt habe. Denn ich habe während des Studiums mein Geld in der Disco verdient als DJ“, erinnert sich Klaus Märkert.

Ein wahrer Vertreter des Dark-Wave

Musik bedeutet ihm viel. Darum legt er auch noch heute dann und wann Platten auf. „Wenn ich auflege, bin ich da, in der Musik bin ich drin, aber mit den Leuten habe ich nicht mehr viel zu tun. Wenn dann lege ich bei 80er Parties Oldies auf, aber mit Dark-Wave habe ich nur noch ganz vereinzelt zu tun“, schildert der Mann, der auch heute noch von Kopf bis Fuß schwarz daher kommt.
Kein Wunder, dass er als er in der Reha von anderen Patienten in eine Dorf-Disco in Norddeutschland geschleppt wird, beinahe einen Rückfall erleidet, als er das Holsteinlied erleben muss: „Die drei Minuten Holsteinlied sind für mich wie ein persönliches Fegefeuer, und als es vorbei ist, darf ich nicht einmal ins Paradies, und so ziehe ich mich Richtung Toiletten zurück.“ Ehe dann noch „Herzilein“ angestimmt wird, flüchtet er aus der Dorf-Disco.
Überhaupt sieht er seinen Herzinfarkt mit Mitte 30 als Initialzündung für seine literarischen Projekte. „Der Nachthumor entstand indem ich mir dachte, gib dem ganzen ein Etikett. Vorausgegangen war der Herzinfarkt, das war wie ein posttraumatisches Erlebnis und hat mir den Zugang zu absurden und skurrilen Geschichten eröffnet. Darum habe ich schon bei dem ersten sechswöchigen Krankenhausaufenthalt sporadisch damit angefangen zu schreiben. Als ich dann später ein Aneurysma am Herzen hatte, ging es mit dem Schreiben so richtig los.“
So entstanden Romane wie „Hab Sonne“, „Requiem für Pac-Man“ oder „Wir wir leuchten im Dunkeln geben wir verdammt gute Ziele ab“ oder Kurzgeschichtenbände wie „Ich bin dann mal tot“, „Der Tag braucht das Licht, ich nicht“ oder „Schlag sie tot in den Wäldern“.

Geschichten werden vom Leben inspiriert

In seinen Geschichten, egal wie absurd und skurril sie daherkommen, steckt ganz oft auch ein Erlebnis. So lebte Märkert , der als Sozialarbeiter anderen Menschen half, später selbst als Bittsteller „vom Amt“ und musste sich auf Anweisung seines Sachbearbeiters einem Intelligenztest unterziehen. „Der Sachbearbeiter hat bezweifelt, dass mir Arbeitslosengeld in einer solchen Höhe zustehen würde. Also machte ich den Intelligenztest und siehe da, ich war intelligent genug für die Höhe des Arbeitslosengeldes.“
Für Märkert ist es in der Disco wichtig, dass es nicht nur was auf die Ohren gibt, sondern auch auf die Augen: „Das ist in der Disco immer ein Gemisch. Denn es war immer spannend die Szene zu beobachten und zu schauen, wie verrückt gestylt sie daher kam. Ich finde in der Disco ist es auch entscheidend, dass man etwas zu Sehen geboten bekommt.“
Und das liest sich dann so: „Von Wochenende zu Wochenende, wenn ich von meinem DJ-Podest zur Tanzfläche blickte, sah ich es deutlicher, dieses Vor-und-Zurück in Schwarz, das wie Ebbe und Flut kam und ging, und dann fragte ich mich schon, warum die Zahl der Waver ständig abnahm und stattdessen mehr Gruftis kamen, und vor allem, vom wem die Gruftis diesen Tanzstil abgekupfert hatten.... Das Styling war bei den Gruftis wohl ein absolutes Novum. Sie hatte ihre Bands, soweit es den Schrägheits-Faktor ihres Outfits betraf, längst überholt. Hinzu kam der ungewöhnliche Tanzstil. Der hatte etwas Militärisches im Gleichschritt vorwärts Marsch die Tanzfläche runter. Und dann, kurz bevor sie mit der Wand kollidierten, folgte diese eigentümliche Bewegung, eine Mischung aus Hofknicks und Gartenbeetumgraben...“
Und während Gajewsky an Charles Bukowski denkt beim Lesen, sehe ich Roman Polanskis „Tanz der Vampire“ vor mir, bei diesen Zeilen. Und irgendwie passt dazu auch, wenn Märkert mit einem ganz kleinen Schmunzeln erklärt: „Eine Grufti-Disco wie das Zwischenfall kann nicht einfach schließen, die musste quasi abbrennen oder vielmehr durch das Löschwasser untergehen.“

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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