Wohin mit den Windeln?

Moderator Dr. Christopher Schmitt tauschte sich mit Prof. Dr. Helmut Hasenkox über Erlebnisse rund um den Rock'n'Roll in Gelsenkirchen aus. Foto: Ralf Nattermann
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  • Moderator Dr. Christopher Schmitt tauschte sich mit Prof. Dr. Helmut Hasenkox über Erlebnisse rund um den Rock'n'Roll in Gelsenkirchen aus. Foto: Ralf Nattermann
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GE. Im Jahr 2006 kürzte die Bild-Zeitung das FanFest zur Fußball-Weltmeisterschaft als das beste bundesdeutsche FanFest überhaupt. „Seit 1988 gehört Gelsenkirchen fest zum Fahrplan des Rock‘n‘Roll-Trains“, schildert Veranstalter-Legende Fritz Rau. Die Gelsenkirchener Band „Sodom“ hat von hier aus 1,5 Millionen Platten verkauft und wird bei wikipedia in 23 Sprachen erläutert. Noch irgendwelche Fragen zum „Rock‘nRoll in Gelsenkirchen“?

Von Silke Sobotta

Wie immer fungierte auch bei der diesjährigen Gala der Wirtschaftsinitiative Gelsenkirchen Dr. Christopher Schmitt, der Vorsitzende der Wirtschaftsini, als Moderator. In diesem Jahr ein wenig heiser, aber umso beredeter, denn es ging um ein Thema, das auch ihn stark berührt.
So schwelgte Schmitt in Erinnerungen an sein erstes Konzert: „Das war in der Essener Grugahalle und zwar mit Panik-Gürtel an der Jeans bei Udo Lindenberg.“ Und er erinnerte sich auch gern daran, dass er eigentlich nur „mit ging“ zum Konzert von Michael Jackson im Parkstadion, dieses Erlebnis aber nicht mehr missen möchte.
Und so erinnerten sich viele der geladenen Gäste der Wirtschaftsinitiative in der THS-Hauptverwaltung im Nordsternpark an ihre Begegnungen mit dem „Rock‘n‘Roll in Gelsenkirchen“ und das waren meist nicht gerade wenige.
Ein Film des Gelsenkircheners Frank Bürgin ließ noch einmal die Konzertereignisse, aber auch die musikalischen Eigenwächse in bzw. aus Gelsenkirchen Revue passieren und man bekam vor Augen geführt, was einem im Laufe der Jahre alles so in Vergessenheit geraten war und begegnete dem ein oder anderen „Wilden 60er“.
Und weil Dr. Christopher Schmitt nicht gern Monologe hält, hatte er sich Gäste eingeladen. Oberbürgermeister Frank Baranowski hingt in der Sitzung des Hauptausschusses fest und konnte nur nachkommen, als beinahe schon alles vorbei war.
Dafür waren Prof. Dr. Helmut Hasenkox, Tom Angelripper, Thomas Erkelenzs und eben der „König unter den Veranstaltern“, wie ihn das Rolling Stones-Magazine titulierten, Fritz Rau zugegen.
Und so plauderte der emschertainment-Geschäftsführer Hasenkox wie man ihn kennt locker-flockig aus dem Nähkästchen. „Wir haben Tokio Hotel bereits im Jahr 2005 für das FanFest gebucht. Da waren die Jungs gut für 5 bis 6.000 Besucher. Im WM-Jahr war die Glückauf-Kampfbahn mit 20.000 Besuchern ausverkauft. Als mich der Manager von Tokio Hotel fragte, ob wir auch an Eimer für die Windeln gedacht hätten, habe ich an einen Scherz geglaubt und milde gelächelt. Doch dann kam der Tag des Konzertes. Die Mädchen campierten schon vor dem Stadion. Um 15 Uhr war Einlass und alles stürmte in Richtung Bühne. Weil die Band aber erst um 20 Uhr loslegen sollte, haben wir die Mädchen mit Wasser versorgt, damit sie nicht dehydrierten. Womit wir nicht gerechnet hatten war, dass sich keines von ihnen mehr von seinem Platz wegbewegte, weil der dann verloren gewesen wäre. Und was macht man da, wenn man stundenlang ausharren muss? Man trägt Windel!“
Allein schon der Gedanke ließ so manchem Zuschauer einen Schauer über den Rücken gehen. Doch es kam noch schlimmer, zumindest für den Veranstalter: „Eine Windel zu entsorgen ist ja auch kein Problem, auch nicht zwei drei oder fünf. Aber ab einer gewissen Menge von Windeln handelt es sich um Sondermüll und darauf waren wir in der Tat nicht vorbereitet.“
Und auch die Anwohner rund um die Glückauf-Kampfbahn waren nicht ganz so begeistert von vier Wochen FanFest. So wandte sich ein älterer Schalker an einen Mitarbeiter der emschertainment und meinte: „Deinem Foxenkox kannse schon mal sagen, wenn der noch mal hier auftaucht, hol ich die Schrotflinte raus!“
Doch die Gefahr besteht ja derzeit nicht. Dafür dürfen sich die Bueraner freuen. denn ihr neu entdeckter Veranstaltungsort, der Goldbergpark, der im vergangenen Jahr schon Manfred Manns Earthband zu Gast hatte, wird vom 16. bis 18. Juni wieder musikalisch belebt.
Fritz Rau schilderte den Gästen, wie er einst, im Jahre 1955 als gerade mal 25-Jähriger, zum Veranstalter wurde. Dabei ist er von Haus aus Jurist und ist diesen Beruf seiner Gattin zuliebe auch eine Weile nachgegangen: „Nicht aus Liebe zur Jurispudenz, sondern aus Angst vor meiner Frau“. Doch dann ging das Veranstalter-Blut mit ihm durch und er entdeckte den Blues.
„Ich war bis 1945 Hitlerjunge. Darauf bin ich nicht stolz, aber es war eben die Zeit. Und das müssen Sie wissen, damit sie verstehen, was mit mir passiert ist, als ich den Blues entdeckte, der für die Nazis ja ‚entartet‘ war. Man könnte sagen, dass mich der Jazz und die Begegnung mit Duke Ellington, Ella Fitzgerald und anderen entnazifiziert hat. Denn der Blues ist die wichtigste Musik“, erinnert sich Rau, der auch eine Autobiographie geschrieben hat.
Im Jahre 2006 wurde Rau zum Honorarprofessor ernannt, was er mit dem Worten kommentiert: „Das wurde auch Zeit. Da war ich ja schon 76 Jahre alt!“
Seit dem Champions League-Spiel der Schalker, das Rau in seinem Hotelzimmer verfolgte, ist er wieder echter Schalke Fan. „Ich habe einmal im Dortmunder Stadion Simon and Garfunkel veranstaltet, weil ich den Platz brauchte. Aber die Dortmunder meinten, dass sie sich lieber auf Fußball kontrieren möchten. In Schalke war das anders. Da war Rudi Assauer sehr aufgeschlossen und hat uns aufgenommen. Erst im Parkstadion und später in der Arena. Und hier steht auch die Stadt dahinter“.
Darum zeigte sich Rau auch begeistert als er vom Biathlon in der Arena erfuhr. „Die Stadien sind einfach zu schade, um nur alle 14 Tage für den Fußball geöffnet zu werden.“
Ein ganz großes Kompliment machte Rau der Stadt als er sagte: „Gelsenkirchen ist immer die 1. Wahl für alle großen Künstler bei Konzerten in NRW!“

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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