Hundertprozentige Zerstörung der Innenstadt
Hagen wurde zur "Trümmermetropole"

1943 wurde auch die Firma Elbers am Markt von Bomben getroffen. Russische Zwangsarbeiterinnen mussten helfen, die Trümmer zu beseitigen. Foto: Sammlung Eckhoff
  • 1943 wurde auch die Firma Elbers am Markt von Bomben getroffen. Russische Zwangsarbeiterinnen mussten helfen, die Trümmer zu beseitigen. Foto: Sammlung Eckhoff
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Der Zweite Weltkrieg begann mit einem Kriegsverbrechen: Am frühen Morgen des 1. September 1939 machte ein deutscher Luftangriff die militärisch unbedeutende polnische Kleinstadt Wielun größtenteils dem Erdboden gleich, mindestens 1.200 Menschen starben. Im Verlauf der nächsten sechs Jahre wurden noch zahllose weitere Städte und Dörfer in Europa und Ostasien zerstört. Bekanntlich auch Hagen.

Von Michael Eckhoff

Neben Wielun gehörten beispielsweise englische Städte wie Birmingham und Coventry, die niederländische Hafenmetropole Rotterdam oder die jugoslawische Hauptstadt Belgrad bis 1942 zu den vielen Orten, die von deutschen Bomberstaffeln angeflogen und teilweise stark zerstört worden sind. Das erste großflächige Bombardement auf eine deutsche Großstadt erfolgte bereits in der Nacht vom 15. auf den 16. Mai 1940 auf Duisburg. Bei diesem Angriff wurde versucht, die deutsche Getreideernte in den riesigen Speichern im Hafenbereich zu zerstören.
Am Ende des von Adolf Hitler und den Nazis herbeigeführten Krieges waren in Europa unendlich viele Orte nahezu unbewohnbar. Viele, viele Millionen Europäer waren tot – ermordet, gefallen an der Front oder infolge Tausender Flugzeug- und Raketenangriffe ums Leben gekommen.

„Waffenschmiede“

Ein besonderes Ziel der alliierten Luftangriffe war ab 1940 natürlich das Ruhrgebiet. Genau wie die nationalsozialistischen Kriegsplaner in Berlin, so wussten auch Amerikaner und Briten sehr genau, dass sich die Aufrüstung der Wehrmacht ab 1935 ohne Mithilfe der großen Konzerne an Ruhr und Emscher als schier unmöglich erwiesen hätte. Hier denkt jeder sofort an Krupp und Thyssen. Aber auch die „Akku“ in Wehringhausen, die Klöckner-Hütte im Tal der Ennepe („Hasper Hütte“), diverse „kleinere“ Hagener Stahlhersteller und viele hochspezialisierte hiesige Betriebe haben zu dieser Entwicklung erheblich beigetragen. Überdies darf die chemische Industrie in unserer Region nicht vergessen werden. Deutschland sollte möglichst von Öl- und anderen Einfuhren aus dem Ausland unabhängig werden. Dies war nur aufgrund synthetischer Stoffe (Kunststoffe) auf Kohlebasis möglich. Und Kohle gab es an der Ruhr bekanntlich in Hülle und Fülle.
Allein die Eisen- und Stahlindustrie des Ruhrgebiets hatte gegenüber dem Produktionstief 1929 (Weltwirtschaftskrise) ihre Produktion bis zum Kriegsbeginn mehr als verdreifachen können. Ebenso stieg die Zahl der Rüstungsbetriebe in der Region stetig an. Die Palette der hergestellten Kriegsprodukte 1939/40 war breit. Munition, Fliegerbomben, Minen gehörten ebenso dazu wie etwa Teile für den Schiffbau oder Spezialstahl für Kampfflugzeuge und Panzer.

„Trümmermetropole“

Als am Ende des „Tausendjährigen Reiches“ im Mai 1945 viele Städte des Ruhrgebiets weitgehend zerstört waren, zählte auch Hagen zu den Trümmermetropolen. Allein in der Innenstadt wurden etwa 2,3 Millionen Kubikmeter an Trümmerschutt verzeichnet. Die Zerstörung der Innenstadt lag bei rund hundert Prozent, die Zerstörung der Gesamtstadt bei über 70 Prozent.
Der langjährige Stadtbaurat Herbert Böhme verfasste 1954, also neun Jahre nach Kriegsende, sein legendäres erstes Buch „Hagen baut auf“ (einen zweiten Band veröffentlichte er 1964). Im Geleitwort erinnern der seinerzeitige Oberbürgermeister Fritz Steinhoff und Oberstadtdirektor Ewald Sasse auch an die Zeit im April/Mai 1945: „Der Einmarsch fremder Truppen bedeutete für die Bewohner unserer Heimatstadt das Ende eines Krieges, der fast alle Lebensgrundlagen zerschlagen hatte. Wie in vielen anderen Großstädten ergab sich auch für Hagen eine Bilanz, die kaum erschütternder sein konnte. Außer den großen Opfern an Menschen, die der Krieg forderte, war die Vernichtung von Gebäuden, Einrichtungen und Anlagen aller Art in erheblichem Umfang auch in unserer Stadt zu beklagen. Es schien unmöglich, an einen Wiederaufbau zu denken. Vorrangig waren Aufräumungs- und Enttrümmerungsarbeiten.“
Buch-Autor Böhme ergänzt: „Die erste und gewaltigste Maßnahme der Stadtverwaltung nach dem Kriege war die Beseitigung der gewaltigen Trümmermengen, die auf den Straßen, Wegen und Plätzen lagerten, und die Enttrümmerung der zerstörten Ruinengrundstücke selber. Während zunächst die Verkehrswege vom Trümmerschutt befreit wurden, begann die Enttrümmerung der Geschäfts- und Wohnhäuser erst allmählich. 1946 und 1947 wurde auch im Ehrendienst gearbeitet. Später wurden mit der Bewilligung von Zuschüssen durch das Land Nordrhein-Westfalen die Arbeiten planmäßig an Unternehmer vergeben. In der Marienstraße war eine Aufbereitungsanlage aufgestellt worden, in der das anfallende Trümmergut mit entsprechenden Geräten zu Mauersand und Ziegelsplitt aufbereitet wurde.“
Böhme bilanziert: „In der Zeit von 1945 bis 1954 sind insgesamt rund 920.000 Kubikmeter Trümmerschutt geräumt worden. An wieder verwendbarem Material wurden der Bauwirtschaft 21 Millionen Ziegelsteine, 1400 Tonnen Baustahl und 3000 Tonnen Schrott zugeführt.“
Was nicht mehr genutzt werden konnte, wurde mit Hilfe einer Kleinbahn in Richtung Hagener Osten transportiert, genauer: in den Bereich Bredelle/Feithstraße. Die politischen Weichenstellungen erfolgten in den ersten Nachkriegsmonaten zum einen durch den neuen Oberstadtdirektor Ewald Sasse, zum anderen aber auch durch den populären SPD-Politiker und langjährigen Oberbürgermeister Fritz Steinhoff. Die britische Besatzungsmacht wurde durch Major Peter Alexander vertreten. Dieses Thema wird uns im Stadtanzeiger erneut am nächsten Mittwoch beschäftigen. 1943 wurde auch die Firma Elbers am Markt von Bomben getroffen. Russische Zwangsarbeiterinnen mussten helfen, die Trümmer zu beseitigen. Foto: Sammlung Eckhoff

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