Modellbahntage: Wilder Westen in der Seestadthalle

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Ein Rattern kündigt den nahenden Zug an. Mit breitem Kuhfänger und trichterförmigem Schornstein schiebt sich die Westernlok durch die Prärie, vorbei an Bisonherden und Cowboys auf ihren Pferden. In der Ferne beobachten indianische Späher die Eisenbahn - eine Szene, wie sie Karl May nicht besser hätte erschaffen können. Doch kein Autor war der Schöpfer dieser Wild-West-Idylle, sondern ein waschechter Modellbahner. Für Liebhaber der rollenden Kleinwelten geriet die Seestadthalle kurz vor dem Jahreswechsel noch einmal zum Mekka.

"Wir möchten den Kindern zeigen, dass es auch noch etwas anderes gibt, als die mediale Welt", erklärt Willi Breidenbach. Der Veranstalter der Halterner Modellbahntage ist selbst ein begeisterter Handwerker. "Aufbauen heißt kreativ sein", schwärmt der erfahrene Modellbahner und beschreibt, wie er innerhalb eines Sommers aus einer Idee und dem passenden Material eine Westernszenerie erschaffen hatte. "Ich habe sie eigentlich vor allem für die Kinder zum Schauen gebaut", lächelt Breidenbach, "normalerweise arbeite ich am liebsten im guten alten H0-Maßstab". Die große Westernlok mit ihren liebevoll beladenen Waggons hingegen präsentierte sich den Besuchern in der großen Spurweite G und zog ihre Kreise durch eine fantasievoll gestaltete Szenerie. Je genauer man hinsah, desto mehr Details konnte man entdecken: Cowboys und Indianer im wilden Ritt, hoffnungsvolle Siedler mit ihren Planwagen, ein schmuddeliger Goldgräber oder ein spektakulärer Banküberfall.

Der Modellbahner als Erschaffer von künstlichen Welten - eine Wissenschaft für sich. "Je mehr man sich in die Materie einarbeitet, desto anspruchsvoller wird man", so Breidenbach. Die besten Modellbahner könne man mit Bildhauern oder Künstlern vergleichen, betont der Experte. Manche Hobbyisten erschaffen ihre Anlagen maßstabsgetreu nach Vorbildern aus der Realität und rechneten sogar die echten Fahrpläne in die Modellwelt um, andere ließen ihrer Fantasie freien Lauf und zauberten Landschaften mit obsessiver Detailtreue. Nach und nach eigne man sich dabei immer feinere Arbeitstechniken an, so Breidenbach. "Erst kürzlich habe ich gelernt, wie ich den gemalten Hintergrund noch besser gestalten kann. Wenn ich ihn überarbeitet habe, wird die Anlage wie neu wirken", erklärt der Messe-Chef.

Klar, dass bei einer solchen Leidenschaft das eigentliche Spielen längst in den Hintergrund getreten ist. Weil aber so gut wie alle Modellbahner als junge Menschen mit wenigen Loks und einer Handvoll Schienen angefangen haben, boten die Modellbahntage natürlich auch die Möglichkeit, sich an den vielen verschiedenen Ständen einzudecken. Die Preise deckten dabei das ganze Spektrum ab. "Vielleicht kommt einmal der Opa mit dem Enkel hier vorbei, und beide freuen sich über die aufgebauten Anlagen", so Willi Breidenbach, "und dann kaufen sie beim Händler noch eine günstige Lok für die Schienen, die der Opa noch von früher hat. Dann sind alle glücklich, Opa, Enkel und der Händler".

Tatsächlich schauten viele Kinder den rumpelnden Modellzügen auf ihren Bahnen durch die Kunstwelten fasziniert zu. Ob die gute alte elektrische Eisenbahn aber noch eine Chance gegen die moderne Unterhaltungselektronik hat, bleibt abzuwarten.

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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