Fehlgeleiteter Wohnungsbau am Bedarf vorbei
Wie derzeit die Halterner Dörfer profitabel „vermarktet“ werden – und bezahlbares Wohnen dabei auf der Strecke bleibt

Foto: NABU

HALTERN AM SEE. Bei vielen Halterner Bürgerinnen und Bürgern, die vergeblich eine bezahlbare Wohnung in ihrer sündhaft teuren Heimatstadt suchen, verfestigt sich immer mehr der Eindruck: In ihrer Stadt bestimmen die kommerziellen Interessen von Bauunternehmen, Investoren, Maklern und Grundbesitzern, wo, was, wie und für wen gebaut wird. Und das nicht nur im umstrittenen neuen Luxuswohngebiet am Nesberg, sondern aktuell mit kommerziellen Projekten in den Dorflagen von Lippramsdorf, Lavesum, Hullern, aber auch in Hamm-Bossendorf, Sythen und Flaesheim. Dort entstehen durch Privatinvestoren und Grundbesitzer insgesamt weitere 355 Wohnungen für ca. 800 Bewohner  überwiegend in Einfamilienhäusern, ohne eine einzige öffentlich geförderte Wohnung einzuplanen und anzubieten.
Der Vorwurf lautet: Die Stadt überlässt die Stadtplanung fast ausschließlich dem „Spiel der freien Kräfte“ unter Verzicht auf ihr preisdämpfendes Vorkaufsrecht und ihre Planungshoheit, indem sie den Besitzern von Grund und Boden weitgehend freie Hand lässt und sie sogar bereitwillig bei der spekulativen „Vermarktung“ unterstützt, mit werbewirksamer Begleitung sogar durch die Lokalpresse. Somit setzt sich die legendäre „Goldgräber-Mentalität“ auf dem Halterner Immobilienmarkt nach dem „Halterner Landrecht“ weiter fort und treibt die Grundstücks- und Mietpreise in der Seestadt ungebremst weiter nach oben.  Die auf bezahlbares Wohnen angewiesenen Bürgerinnen und Bürger bleiben dabei auf der Strecke. (Einzelheiten zu den Dorfbebauungs-Projekten in den hinteren Abschnitten dieses Artikels).

„Wem gehört eigentlich unsere Stadt mit ihren Dörfern?“

Die Bürgerinnen und Bürger stellen sich in Anbetracht der planerischen Fehlentwicklungen die Frage: „Wem gehört eigentlich unsere Stadt?“ Aktuell erweitert um die Frage: „Wem gehören unsere Dörfer im Stadtgebiet?“ Denn diese werden in Haltern aktuell durch zahlreiche neue Bauprojekte für mehrere Hundert Eigenheime - die inzwischen wegen der Zins- und Preisentwicklung für die meisten unerschwinglich sind - besonders profitabel vermarktet und locken weitere zahlungskräftige oder vermögende Zuzügler und Kapitalanleger von außerhalb an. Derweil sind Teile der eigenen Bevölkerung mangels bezahlbarer Wohnungen gezwungen, nach außerhalb zu ziehen, wo aber inzwischen bezahlbare Wohnungen ebenfalls knapp sind. Die dadurch immer einseitigere Sozialstruktur der Stadt Haltern und ihrer immer mehr zersiedelten Dörfer führt zu sozialer Ausgrenzung und Verwerfung und verschärft für die Betroffenen die dramatischen Engpässe am Wohnungsmarkt.

Mahnung an Stadtrat: „Stadt muss Planung für eigene Bevölkerung übernehmen“

„Es darf nicht dazu kommen, dass Menschen, die seit Jahren in Haltern leben, woanders hinziehen müssen, weil sie vor Ort keinen geeigneten Wohnraum finden. Das muss dem gewählten Stadtrat klar gemacht werden und dieser muss die Planung für die eigene Bevölkerung übernehmen.“ Diese ermahnenden Worte richtete keine Geringere als die amtierende Bundesbauministerin Klara Geywitz zu Jahresbeginn an den Halterner Stadtrat als gewählte Vertretung aller Bürgerinnen und Bürger. Denn inzwischen erregt der unverständliche Halterner Sonderweg die Aufmerksamkeit bis auf Landes- und Bundesebene, während sich andere Städte in teils vorbildlicher Weise um eine sozial ausgewogene und bedarfsgerechte Wohnungsbaupolitik zugunsten bezahlbarer Wohnungen für alle seit Jahren erfolgreich bemühen.

Haltern plant am eigentlichen Bedarf der eigenen Bevölkerung vorbei

Doch die Stadt Haltern verweigert sich bislang mehrheitlich dem Bau oder der Widmung öffentlich geförderter Wohnungen, mit schwer erträglicher Sturheit. Am eigentlichen Wohnbedarf der Bevölkerung, die in Haltern zu 67% aus Singlehaushalten oder 2-Personen-Haushalten besteht und die demnächst 45% Senioren verzeichnet, geht die Halterner Wohnungsbauplanung völlig vorbei, ebenso an den finanziellen Möglichkeiten junger Familien angesichts steigender Zinsen und Baupreise und erhöhten Eigenkapitalnachweises. Die vierstellige Zahl der Anspruchsberechtigten auf einen Wohnberechtigungsschein in der Stadt - zumeist Gering- und Normalverdiener, Armutsrentner, Alleinerziehende und Flüchtlinge - verliert man aus den Augen.

Landesbauministerin über Halterner Zurückhaltung verwundert

Verwunderlich sei deshalb die unverständliche Zurückhaltung der Kommunen mit hohem Mietpreisniveau, bemängelte NRW-Bauministerin Scharrenbach und will bei den Kommunen nachhaken, wie sie sich künftig bei der öffentlichen Wohnraumförderung aufstellen wollen. Hierbei ist Haltern nämlich Schlusslicht im Lande mit einem vierstelligen Fehlbedarf und lässt ihre wohnungsuchenden Bürgerinnen und Bürger im Stich, die sich das teure Bauen hier nicht leisten können oder als Senioren oder Singles gar nicht wollen.

In Haltern werden Häuser und Wohnungen ungebremst immer teurer

Häuser und Wohnungen in Haltern werden also immer teurer, wie der örtliche Marktbericht von LBS und den Halterner Sparkassen schon vor einigen Jahren aufzeigte, und daran ändert auch die momentane Immobilienkrise mit gewisser Preisabsenkung wenig, im Gegenteil: Die Grundstücks- und Kaufpreise sinken andernorts leicht (außer in Haltern), aber die Mieten steigen überall umso stärker. Am 14. Februar 2023 veröffentlichte die „Halterner Zeitung“ ein Ranking der durchschnittlichen Quadratmeterpreise beim Hauskauf in Haltern: Das größte Dorf Sythen (mit guter Dorf-Infrastruktur) liegt mit 3.216 € pro qm ganz oben, gefolgt vom kleinen Dorf Lavesum im Außenbereich (fast ohne dörfliche Infrastruktur) mit 3.061 €/qm – weit über den Kaufpreisen in allen Nachbarstädten der Region. Das liegt auch wesentlich an der preistreibenden Planungspolitik der Stadt Haltern, an der auch die marktorientierte städtische „Flächenentwicklungsgesellschaft“ mitwirkt.

Wie steht es um den solidarischen Zusammenhalt in der Stadtgesellschaft?

Für die vierstellige Zahl an Gering- und Normalverdienern, Alleinerziehenden, Singles, Armutsrentnern, Sozialhilfeempfängern, Arbeitslosen und Flüchtlingen als Teil der Stadtbevölkerung ist kein ausreichender Platz zum Wohnen in Haltern? Damit lässt die Stadt ganze Bevölkerungsgruppen im Stich und bevorzugt die zahlungskräftigen Schichten, für die am meisten Flächen im Stadtgebiet verplant und kostspielig erschlossen werden. Mindestens ein Viertel der Häuser und Wohnungen werden gar nicht für den Eigenbedarf gebaut oder gekauft, sondern durch (teils auswärtige) Kapitalanleger erworben und überteuert angeboten. In Haltern lässt es sich gut wohnen - doch nur, wenn man Geld hat? Wie steht es um den solidarischen Zusammenhalt in der Stadtgesellschaft?

Die Stadt zeigt Bundes- und Landesministerium die kalte Schulter

Dabei hat auch die Landesbauministerin in NRW mit einer aktuellen Studie nachgewiesen, dass in Haltern ein besonders hoher Fehlbedarf an öffentlich geförderten Wohnungen vorliegt und das Land deshalb Fördergelder und Planungsunterstützung anbietet. Doch die Stadt zeigt dem Bundes- und Landesministerium die kalte Schulter und ruft die Angebote und Fördergelder nicht ab. Initiativ werden müssen aber Rat und Stadtverwaltung im Rahmen ihrer kommunalen Planungshoheit. Diese hat man aber de facto an die privaten Investoren abgetreten, denen die Rendite trotz Förderung aus ihrer Sicht nicht ausreicht.

4% Rendite reichen den örtlichen Investoren und Bauunternehmen nicht?

Deshalb lehnen die Halterner Bauunternehmen und Investoren ein Engagement im geförderten Wohnungsbau ab und bestehen weiterhin auf lukrativere Aufträge, wie jahrelang gewohnt, (obwohl man auch mit geförderten Wohnungen inzwischen bis zu 4% Rendite erzielen kann). Dass Bauunternehmen an profitablen Bauaufträgen interessiert sind, Immobilienmakler an der Vermittlung mitverdienen möchten, Grundbesitzer an Wertsteigerungen interessiert sind und Landwirten am Ortsrand manchmal eine „fünfte goldene Fruchtfolge“ willkommen ist , kann ebenso wenig geleugnet werden wie das Interesse von örtlichen Sparkassen und Banken an Anlageformen im Immobiliensektor.

Stadt verzichtet auf Vorkaufsrecht und Quoten für geförderte Wohnungen

Aber deckt sich deren Interessenlage mit dem Gemeinwohl und den Nachhaltigkeits-Erfordernissen in der Stadt Haltern? Die ihnen zugeneigte Stadt verzichtet auf ihre Möglichkeit, Quoten für geförderte Wohnungsanteile bei Bauprojekten vorzugeben oder Flächenbevorratung dafür zu betreiben und ihr Vorkaufsrecht auszuüben, wie in fast allen anderen Städten üblich. Von einer eigenen städtischen Wohnungsbaugesellschaft ganz zu schweigen, die von einer konservativen Ratsmehrheit abgelehnt wurde. Die stattdessen gegründete städtische „Flächenentwicklungsgesellschaft“ der Stadtwerke hat geförderte Wohnungen nicht im Portfolio und betätigt sich lieber marktkonform mit preistreibenden Projekten für Komfortwohnungen wie z. B. am Halterner Schüttenwall.

In Haltern fehlen über 2.000 öffentlich geförderte Wohnungen

Auch macht die Stadt bislang nicht vom ganz neuen Erlass der Landesregierung NRW Gebrauch, wonach Haltern zu den 95 bevorzugten Kommunen im Lande gehört, die erweiterte Möglichkeiten für Vorkaufsrechte, Baugebote und Brachflächenerschließung erhalten haben. Was sagt eigentlich der in Haltern wohnende parlamentarische Staatssekretär der Landesbauministerin NRW dazu? In Haltern fehlen akut mindestens 2.000 öffentlich geförderte Wohnungen, weil die Stadt seit vier Jahrzehnten ausschließlich auf den teuren Eigenheimbau möglichst im Grünen setzt und die Appelle von Land und Bund zur Mitwirkung am dringend benötigten Mietwohnungsbau für Normalverdiener vorsätzlich überhört.

Gutverdiendende Zuzügler sind willkommener als einheimische Normalverdiener?

Dadurch gewann die auf immer weiteres „Wachstum“ setzende Stadt Haltern per Saldo in diesem Zeitraum 7.500 neue Bewohner von außerhalb, allein 2.000 in den letzten 10 Jahren, zu Lasten der schrumpfenden Herkunftsstädte und deren Infrastruktur. Dagegen verlassen immer mehr Gering- und Normalverdiener notgedrungen die Stadt. Reiche Zuwanderer – arme Abwanderer? Nun werden auch noch die letzten Flächen in den Halterner Dörfern lukrativ vermarktet für besonders einkommensstarke „Häuslebauer“, die es sich trotz aktueller Krise am Immobilienmarkt mit steigenden Baukosten und Zinsen noch leisten können - und das sind am wenigsten die jungen Familien aus der eigenen Stadt als angebliche Zielgruppe. Die junge Generation wird später auch zu spüren bekommen, dass mit der Versiegelung von immer mehr wertvollen Acker- und Grünflächen an den Halterner Ortsrändern als Bauland zugunsten weniger Privilegierter deshalb der Arten- und Klimaschutz auf der Strecke bleibt. Das wird auch ein im Rathaus im November 2022 eingestellter „Klimaanpassungsmanager“ nicht aufhalten können.

Junge Menschen können sich kein Eigenheim mehr leisten

Der Höhenflug der Immobilienpreise setzt sich in Haltern trotz der bundesweit leicht sinkenden Immobilienpreise momentan noch fort - und damit auch die Spekulation auf dem Halterner Immobilienmarkt. Hinzu kommen die Preis- und Zinssteigerungen für den Häuserbau und -kauf. Mehreren Studien zufolge können sich junge Menschen kein Eigenheim mehr leisten und schrecken vor einem Immobilienkauf zurück. Die Eigenheimbesitzer werden immer älter. Und immer mehr alleinstehende Senioren bewohnen ihre viel zu großen Häuser und Anwesen, die sie nicht mehr bewältigen können, während junge Familien in zu beengten Verhältnissen wohnen. Bundesweit werden 60% der Ein- und Zweifamilienhäuser nur von ein oder zwei Menschen bewohnt und die Hälfte der über 55-jährigen Bewohner gaben an, über ungenutzte Räume im eigenen Haus zu verfügen. Demgegenüber ist bezahlbares Wohnen nicht nur bundesweit, sondern auch im reichen Haltern (mit weit überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen) eine Mangelware.

Haltern ist Schlusslicht beim öffentlich geförderten Wohnungsbau

Haltern ist Schlusslicht im Land beim öffentlich geförderten Wohnungsbau, aber gehört zu den Spitzenreitern bei den spekulativ überzogenen Grundstücks- und Mietpreisen inzwischen auch in den dörflichen Randlagen. In einer Prognos-Studie von 2021 zu den Wohnkosten in Deutschland bemängeln die Forscher, dass manche ländliche Kommunen großzügig Bauland ausweisen, um gezielt neue Einwohner anzuziehen. Dabei bestehe nach Ansicht der Experten die Gefahr, dass die Altbauten in den Ortskernen verwaisen, weil der Neubau von Einfamilienhäusern aufgrund der günstigen Kreditvergabe bevorzugt wird.

Bezahlbare Wohnungen im Altbaubestand schaffen

In Haltern sind 56% des gesamten Wohnungsbestandes Altbauten aus dem Zeitraum vor 1970. Durch Sanierung, Modernisierung, Aus- und Umbau oder Umwandlung leer stehender Gewerbebauten ließen sich hier preisgünstige Wohnungen schaffen, insbesondere auch bezahlbare Barriere freie Wohnungen für die zahlreichen Senioren, die im Gegenzug ihre zu groß gewordenen Eigenheime an junge Familien abtreten könnten. Denn die unverzeihlichen planerischen Versäumnisse der Vergangenheit, die den Fehlbedarf einer vierstelligen Zahl an geförderten Wohnungen in Haltern verursacht haben, lassen sich kaum noch nachträglich ausgleichen durch Neubautätigkeit etwa im Geschosswohnungsbau. Denn die überdurchschnittliche Wohnbautätigkeit in Haltern richtet sich weiterhin auf Eigenheimbau im Grünen oder Komfort-Eigentumswohnungen im Stadtgebiet.

Haltern baut Einfamilienhäuser über den Eigenbedarf hinaus

In vielen ländlichen Regionen sind deshalb mehr Wohnungen (überwiegend flächenintensive Eigenheime als Einfamilienhäuser oder Eigentumswohnungen) entstanden, als auf der Basis der demografischen Entwicklung und den Bedarfsberechnungen vertretbar. Das trifft für Haltern in besonderem Maße zu, denn eigentlich dürfte nach den Bedarfs- und Bevölkerungsprognosen des Landes bis 2040 für den Eigenbedarf der Bevölkerung nur noch umgerechnet max. 67 Wohnungsneubauten in Haltern errichtet werden, geplant sind aber noch mehrere Hundert, darunter keine einzige öffentlich geförderte Wohnung. Trotz der überdurchschnittlichen Bautätigkeit in Haltern werden Mietwohnungen fast nur im oberen Preissegment oder als überteuerte Seniorenwohnungen angeboten bzw. in teure Eigentumswohnungen umgewandelt. Die Versäumnisse der letzten 40 jahren in Haltern beim vernachlässigten oder unterbleiben Bau geförderter Wohnungen lassen sich jetzt im Nachhinein nicht mehr kompensieren.

Vorurteile über öffentlich geförderte Wohnungen sind auszuräumen

Die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum ist eine wesentliche Aufgabe des Wohlfahrtsstaats. Wird das Wohnen für einen wachsenden Teil der Bevölkerung unbezahlbar, fördert dies gesellschaftliche und sozialräumliche Spaltung und bedroht letztlich auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Stadt. Wohnen ist die neue soziale Frage, und sie wird allerorts heiß diskutiert, nur in Haltern offiziell „unter den Tisch gekehrt“. Aufzuräumen gilt es mit dem weit verbreiteten unsinnigen Vorurteil, öffentlich geförderte Wohnungen als so genannte „Sozialwohnungen“ müssten zwangsläufig als hässliche Plattenbauten oder "Betonklötze" in hoher Geschosszahl und hässlicher Architektur gestaltet werden - und an gebündelten Standorten errichtet statt überall verteilt und integriert zu werden.

Umwandlung bestehender Wohnungen in öffentlich geförderte Wohnungen

Jede bestehende Wohnung, sogar Einliegerwohnungen in Eigenheimen, könnte nach den neuen Fördermöglichkeiten in öffentlich geförderte Wohnungen umgewandelt werden. Und für die übrigen gilt es fähige Architekten zu beauftragen, die beweisen, dass man auch preiswerte Wohnungen in angepasster und ansprechender Architektur gestalten kann, wie in vielen Städten zu besichtigen – und künftig auch hoffentlich in den Dörfern. Denn gerade dort, wo die Bau- und Grundstückspreise und Mieten vielleicht noch nicht ganz so hoch sind, sollten sie integriert werden. Doch in Haltern wird alles dafür getan, dass auch in den Dörfern die Preise für das Wohnen ungebremst nach oben gehen.

Haltern ist Spitzenreiter bei überhöhten Grundstückspreisen

Bei Grundstückspreisen für Baugrundstücke zwischen 300 €/qm in mittleren und bis 400 €/qm und mehr in guten Lagen von Haltern (in Spitzenlagen bis 700 €) liegen hier die Kaufwerte für Bauland inzwischen über den Durchschnittswerten von Baden-Württemberg (176,-€/qm), Bayern (225 €/qm) oder Hamburg (269 €/qm). Der Durchschnittspreis in NRW beträgt nur 111 €/qm. Die Preissteigerungen in Haltern lagen in den zurückliegenden Jahren im zweistelligen Bereich.Alle 10 Jahre verdoppelten sich die Grundstückspreise. Und der Preise von innerstädtischen Grundstücken und solchen auf bisherigem Grün- und Ackerland an den Dorfrändern nähern sich immer mehr an. Der bloße Druck auf den örtlichen Immobilienmarkt ersetzt für die Zukunft keinen fundierten Bedarfsnachweis für eine stetige Angebotserweiterung.

Grundstücksspekulation behindert die Nachhaltigkeitsziele

Die Rendite-Interessen und der Einfluss von Investoren, Bauunternehmen, Immobilienmaklern, Grundstücksspekulanten und Sparkassen oder Banken dürfen die Nachhaltigkeitsziele nicht behindern. Die Zersiedelung der Dörfer hat nicht nur ökologische Auswirkungen, indem der einmal versiegelte Boden dauerhaft geschädigt ist. Auch ökonomisch schlägt sie zu Buche. Die Kosten für den Bau und Unterhalt der technischen und sonstigen Infrastruktur erhöhen sich. Außerdem müssen Menschen weite Pendeldistanzen zwischen Wohn- und Arbeitsplatz in Kauf nehmen – das belastet die Umwelt und ist im Geldbeutel spürbar.

Neue Baugebiete dämpfen keine Miet-und Grundstückspreise – im Gegenteil

Trotzdem behauptet die Stadt Haltern unverdrossen, mit der Ausweisung von immer mehr Baugebieten und Baugrundstücken im Grünen könne sie die Grundstückspreisanstiege dämpfen. Es gibt jedoch empirische Belege dafür, dass die Ausweitung des Angebots durch freifinanzierten Neubau in der Realität nicht zu sinkenden Wohnungspreisen in den unteren Preissegmenten führt. Im Gegenteil: Eine aktuelle Studie von Empira zeigt für 80 Städte in Deutschland, dass mit steigenden Neubauaktivitäten die Durchschnittsmieten eher steigen. In Haltern ist das seit Jahrzehnten ablesbar.

Rasanter Anstieg der Mietpreise in Haltern seit Jahren

Für Mieter in Haltern stieg für die angebotenen Mietobjekte im Bestand (nicht für Neubauten) die mittlere Kaltmiete in Haltern bereits in 2018 auf 6,50 bis 7,00 €/qm, für Neubauten in mittleren bis guten Wohnlagen inzwischen auch von 9,00 bis über 10,00 €/qm und darüber hinaus, mit Spitzenpreisen in Komfort-Neubauten und Seniorenanlagen zwischen 11,00 € bis 12,50 € pro qm (mittlerweile zwischen 12 € bis über 16 €) - und das auch teilweise in den dörflichen Stadtteilen Halterns. Inzwischen nähert sich damit Haltern wegen der Knappheit an Mietwohnungen den hohen Mietpreisen in den teuersten deutschen Städten an, wie z. B. in Düsseldorf, Berlin und Hamburg oder in Heidelberg, Wiesbaden oder Freiburg mit dortigen Kaltmieten um 13,-€ je qm

Mietpreise in Haltern über dem Landes- und Bundesdurchschnitt

Besonders rasant war in Haltern der Anstieg in den letzten 5 Jahren, so dass die kommunale Planungspolitik ihren vor der Kommunalwahl parteiübergreifend propagierten Beitrag zum "bezahlbaren Wohnen für alle" mit „bezahlbaren Mieten“ und Grundstückspreisen erbringen muss. (In den deutschen Großstädten bewegt sich der jährliche Anstieg dagegen nur zwischen 1 – 3%, deutschlandweit bei 3,4%). Haltern liegt dabei nahe am Münsteraner Niveau (9,80 Euro/qm) und deutlich über dem durchschnittlichen Mietpreis in Nordrhein-Westfalen (7,73 Euro/qm) oder gar dem bundesdeutschen Schnitt (7,49 Euro/qm). Den Preis für die begrenzten Möglichkeiten zahlen all die Wohnungssuchenden in Haltern, die nicht so viel Geld in der Tasche haben. Bezahlbare Wohnungen sind in Haltern nur noch über „Vitamin B“ zu bekommen.

Quadratmeterpreise in Haltern oft weit über dem Mietpreisspiegel

Mit Quadratmeterpreisen weit über der ortsüblichen Miete gemäß Halterner Mietpreisspiegel werden die Preise unaufhaltsam auch in dörflichen Randlagen nach oben getrieben. Bei dem Neubauprojekt im Ortsteil Hamm-Bossendorf mit dem klingenden Namen „Katharinenhöfe“ (in kompakter Bauweise auf Recycling-Flächen) liegen die verlangten Wohnungsmietpreise laut Internet-Portal „Immowelt“ teilweise bei 12,50 € Kaltmiete pro Quadratmeter. Für eine seniorengerechte Wohnung von 82 qm wir dort eine Kaltmiete von über 1.034 € verlangt. Deshalb ist den Wohnungsuchenden in Haltern mit den fragwürdigen Wohnbauprojekten für Einfamilienhäuser auf den Halterner Dörfern nicht geholfen – im Gegenteil.

Einfamilienhäuser sind am wenigsten nachhaltig und umweltschädigend

Für ein Einfamilienhaus – mit weniger Menschen – muss in Relation mehr Boden betoniert werden als für ein Mehrfamilienhaus. Für ein Mehrfamilienhaus spricht, dass auf dem gleichen Grundstück mehr Menschen leben können. Es ist vernichtend für die Ökobilanz, ein Einfamilienhaus im Grünen zu bauen, denn Energie-, Ressourcen- und Flächenverbrauch sind bei einem Einfamilienhaus einfach immens. Ein Einfamilienhaus tut der Umwelt besonders weh. Neue Einfamilienhäuser werden mit einer durchschnittlichen Wohnfläche von 157 Quadratmetern immer größer. Die steigende Wohnfläche pro Kopf macht die Fortschritte bei der Energieeffizienz im Bestand zunichte. Für den Klimaschutz ist es sinnvoller, den alten Gebäudebestand zu sanieren anstatt neu zu bauen (mit hohen Energiestandards und weniger Flächen- und Landschaftsverbrauch. Von den Kosten für die zusätzliche Infrastruktur und von den weiten Pendelwegen ganz abgesehen. Das hat sich bis Haltern noch nicht herumgesprochen - und schon gar nicht bis in die Halterner Dörfer?

Haltern-Hamm-Bossendorf:
Skandalös: 130 neue Wohnungen – aber keine einzige öffentlich geförderte Wohnung

Nachdem Bossendorf mit ca. 2.200 Einwohnern durch die Neubaugebiete „Ecksteinshof“, „Am Kanal“ und „Römerweg/Im Höffgen“ (allesamt ohne öffentlich geförderte Wohnungen) einen großen Bevölkerungszuwachs überwiegend von auswärts erfahren hat, steht nun das ehrgeizige Vorzeige-Großprojekt „Katharinenhöfe“ bevor - als „urbane Klimaschutzsiedlung“ mit 100 geplanten Wohneinheiten für ca. 200 bis 250 Bewohner auf Halterns größtem Bauplatz (auf dem ehemaligen Betriebsgelände der Firma Dickerhoff) in der Umsetzung. Der Investor Michael Hiesgen und das ausführende Unternehmen Stock Bau Haltern errichten hier Mietwohnungen unterschiedlicher Größe zwischen 30 bis 150 qm Größe auch für Singles und Senioren, aber auch große Penthouse-Wohnungen und Reihenhausähnliche Maisonettwohnungen über 2 Etagen als Familienwohnungen mit unterschiedliche Mietpreisen, einschließlich einer Wohngemeinschaft für 24 Demenzkranke. Vorgesehen sind auch Infrastruktureinrichtungen wie Bäckerei, Apotheke und Zahnarztpraxis sowie eine Tiefgarage mit Ladesäulen für 40 Elektro-Autos sowie Wärme- und Energieversorgung über Wärmepumpen und Photovoltaik.

Entsprechend hoch werden die Mietpreise in dem komfortablen Baukomplex der Katharinenhöfe sein, denn das Mietniveau und die Baukosten sind generell seit Planungsbeginn schon wieder gestiegen. Inseriert wurden bisher die dortigen Komfortwohnungen bis 12,50 € Kaltmiete oder 1.034 € für eine 82 qm große Seniorenwohnung. Der Skandal: In dem Großkomplex mit 100 Wohnungen wird nicht eine einzige öffentlich geförderte und damit für Gering- oder Normalverdiener bezahlbare Wohnung angeboten – und eine solche wurde dem Investor von der Stadt auch nicht abverlangt. In anderen Städten ist es üblich, bei solchen Großvorhaben neben den frei finanzierten Wohnungen eine Quote von mindestens 10% bis 30% an öffentlich geförderten Wohnungen vorzugeben. In Haltern: Fehlanzeige!

Zurückliegend am 26. November 2021 berichtete die Halterner Lokalpresse: „Hamm-Bossendorf wächst weiter. Nicht nur die Katharinenhöfe werden jetzt gebaut, in absehbarer Zukunft entsteht ebenso am Ende des Römerwegs ein neues Baugebiet mit rund 23 Wohneinheiten.“ Eine brachliegende Wiese als erhaltenswerte Freifläche am Ende des Römerweges wurde somit Baugrund. Die Entwicklung liegt in den Händen eines Halterner Architekten, der als Grundstückseigentümer "einen gesicherten Zugriff auf die Flächen“ erklärte für den Baubeginn in 2022. In diesem 9.800 qm großen neuen Baugebiet „Am Schulte Hülsen“ am grünen Ortsrand entstehen freistehende Einfamilien- und Doppelhäuser sowie zwei Mehrfamilienhäuser mit 23 bis 30 Wohnungen für 50 bis 60 neue Bewohner

Auf der Warteliste für die „enorme Grundstücksnachfrage“ stünden zwar „überwiegend“ Halterner Interessenten, aber auch wiederum Auswärtige. Öffentlich geförderte Wohnungen? Fehlanzeige! Denn die bisherigen Anwohner am Römerweg störten sich an den wenigen mit eingeplanten Mehrfamilienhäusern, mit dem „Argument“, diese würden als angeblich „überdimensionierte Gebäude“ in einem überschaubaren Wohngebiet „keinen „ästhetischen Anblick darbieten“. (Fürchtet man in Wirklichkeit die Nachbarschaft von Normalverdienern inmitten der Eigenheime der gehobenen Schichten und möchte lieber „unter Seinesgleichen“ bleiben?)

Haltern-Lippramsdorf:

Ein Traditionsunternehmen „auf Beutezug“ vermarktet das ganze Dorf

Am 10. Februar 2023 titelte die „Halterner Zeitung“ werbewirksam auf einer ganzen Seite: „Bauunternehmen Mertmann bringt 50 Bauplätze in Lippramsdorf auf den Markt“. Weiter hieß es in dem Artikel der Lippramsdorfer Redakteurin: „In Lippramsdorf finden Bauwillige attraktive baureife Grundstücke. Das Bauunternehmen Mertmann beginnt in diesem Frühjahr und Sommer mit der Erschließung. Lippramsdorf mit gut 3.600 Einwohnern kann weiter wachsen.“ Wachsen um jeden Preis? Insgesamt sollen in Lippramsdorf 60 bis 70 neue Wohnungen für 130 bis 150 neue Bewohner (bei einer durchschnittlichen Wohnungsbelegung zwischen 2,2 bis 2,5 Personen) entstehen.
Doch zu wessen Gunsten und Nutzen und zu welchem Preis – und mit welchem Verlust für die Landschaft und den gewachsenen Ortskern?

Allein 15 Einzelhäuser und ein Mehrfamilienhaus sollen auf wertvollen 1,4 ha Weide-und Ackerflächen am grünen Ortsrand in der „Stigthaube“ an der Birkenallee zum angrenzenden Landschaftsschutzgebiet entstehen, also insgesamt mindestens 20 Wohnungen, evtl. noch mehr durch mögliche Einliegerwohnungen. Nach jahrelangem Ringen wurde mit dem Segen der Stadt gegen den Willen von Natur- und Landschaftsschützern sowie Dorfbewohnern (und entgegen allen gesetzlichen Vorgaben zur Reduzierung des Freiflächenverbrauchs) dieses höchst umstrittene Vorhaben durchgeboxt – denn der gewinnbringende Grundstücksdeal zwischen dem Landwirt und dem Lippramsdorfer Bauunternehmen sollte nun auch Früchte für beide tragen. Die Ortsrandzersiedelung wurde von der Stadt ganz im Sinne des Bauunternehmens als „sinnvolle Arrondierung“ bezeichnet und durchgewunken . Das Privatinteresse überwiegt das öffentliche Interesse? Öffentlich geförderte Wohnungen in dieser privilegierten Grünlage? Fehlanzeige!

Außerdem sollen in diesem Sommer auf der alten Hofstelle Brosthaus im Ortskern von Lippramsdorf mit ihren alten Bäumen nach Abriss auf 6328 qm 28 Wohneinheiten ebenfalls durch das Bauunternehmen Mertmann als Grundstückskäufer entstehen: Einfamilienhäuser sowie Mehrfamilienhäuser mit Eigentumswohnungen. Erweitert wird das Gelände durch den Abriss des alten Hütter-Hauses, so dass sich insgesamt der historisch gewachsene Charakter und Charme des Ortskerns verändern wird. Und das ganze mal wieder ohne einen Bebauungsplan durch die Stadt, wie im Rat heftig kritisiert wurde und damit ohne formelle Bürgerbeteiligung, so dass der Investor freie Hand hat. Und öffentlich geförderte Wohnungen? Fehlanzeige!

An der Jahnstraße in Lippramsdorf bietet das Bauunternehmen Mertmann noch weitere Grundstücke an, nach Abriss eines Werkstattgebäudes und Wohnhauses, das in 2020 zufällig abgebrannt war und deshalb abgebrochen wird. Dort sollen zwei Einfamilienhäuser, vier Reihen-Doppelhäuser und ein Mehrfamilienhaus entstehen, also insgesamt ca. 15 Wohnungen. Öffentlich geförderte Wohnungen? Fehlanzeige! Das in Lippramsdorf (im Volksmund: „Mertmannsdorf“) und im gesamten Halterner Stadtgebiet tätige Bauunternehmen als örtlicher Marktführer kann auf einen Jahresumsatz in zweistelliger Millionenhöhe verweisen.

Der Geschäftsführer betonte zu den neuen Projekten in Lippramsdorf, dass "trotz momentan widriger Umstände am Immobilienmarkt eine gute bis befriedigende Nachfrage bei diesen Projekten" herrsche. Es seien schon Reservierungen für Grundstücke und Eigentumswohnungen vorgenommen worden – „und nicht nur von Lippramsdorfern“. Nicht ohne Grund verweist er auf die „gute Verkehrsanbindung zum Ruhrgebiet“ für Pendler. Es geht also um der Rendite willen wieder um den Zuzug auswärtiger Gutverdiener statt Wohnungsversorgung für Lippramsdorfer Normalverdiener?

Haltern-Hullern:
Ein neues Baugebiet im Grünen im „langweiligsten Stadtteil von Haltern“

Eine Umfrage der „Halterner Zeitung“ im September 2022 über die Attraktivität der dörflichen Ortsteile von Haltern ergab, dass Hullern mit seinen rund 2.400 Einwohnern – die überwiegend von außerhalb den Ortsteil im Laufe der Jahre besiedelt haben - als der „langweiligste Stadtteil von Haltern“ angesehen wird. Vorübergehend gab es nicht einmal einen Briefkasten im Dorf. Außer Kindergarten, Kirche und Grundschule gibt es als urbane Infrastruktur nur einen Dorfladen mit Poststelle - dank der unternehmerischen Privatinitiative von Christian Bögge, der so einen kleinen Kommunikationstreffpunkt für die Dorfbewohner geschaffen hat. Nun soll dieser dörfliche Ortsteil von Haltern weiter „wachsen“. Wie stets, ist von „Ortskernabrundung“ die Rede und sogar „vom „sehnlichsten Wunsch der Hullerner nach weiteren Bauplätzen“.

Am 24. Januar 2023 berichtet die „Halterner Zeitung“, dass die 20 Eigentümer von Garten -und Ackerlandgrundstücken im Umfang von 2,5 ha am grünen Ortsrand von Hullern (zwischen Buttstraße und Antruper Straße) ihre Grundstücke für neue Wohnbebauung gewinnbringend „vermarkten“ wollen. Dazu haben sie den auswärtigen Projektentwickler Strauß aus Köln mit der Entwicklung eines Bebauungsplanes beauftragt, (nach dem Vorbild des Nesbergs, wo die privaten Verkäufer astronomische Spitzenpreise für ihre Grundstücke erhoffen können). Denn in den Halterner Dörfern scheint es üblich zu sein, dass Grundbesitzer selber nach ihren Vorstellungen die städtebauliche Planung anstelle der Stadt in die Hand nehmen oder in Auftrag geben, die eigentlich die kommunale Planungshoheit hat, aber sich gerne den eigenen Planungsaufwand reduziert.

Von 30 bis 50 Bauplätzen für Einfamilienhäuser, Doppelhäuser und Mehrfamilienhäuser sowie Kleingewerbe ist die Rede, also Wohnangebote für insgesamt über 100 neue Bewohner. Das geht wohl über den Eigenbedarf des Dorfes weit hinaus, so dass wieder auf Zuzüge von auswärts spekuliert wird, mit Werbung für das Wohnen im Grünen nahe dem Hullerner Stausee, wie schon bei den Baugebieten „Am Scheideweg“ und „Zum Imberg“. Zwar ist jetzt davon die Rede, dass „Kinder von alteingesessenen Bürgern hier gerne bauen würden, damit die junge Generation in ihrer Heimat bleiben könne, es aber keine Baugrundstücke gebe.“

Das ist ein beliebtes, aber nicht überzeugendes und oft vorgeschobenes Argument bei jeder angestrebten Grundstücksvermarktung. Doch so viele Kinder allein aus Hullern werden es nicht sein, die 50 Bauplätze in Zeiten steigender Zinsen und Baukosten vor Ort bebauen werden und sich das leisten können. Eher wieder ein Baugebiet für Bestverdiener als Zuzügler oder für bloße Kapitalanleger, die es in die begehrte Seestadt „im Speckgürtel des Ruhrgebietes“ zieht. Doch wie schreibt die Kommentatorin der Halterner Zeitung am 25. Januar 2023 blauäugig: „Auch für kleine Orte wie Hullern muss Entwicklung möglich sein“. (Fragt sich nur, in welche Richtung und zu wessen Gunsten…) Laut Ruhr-Nachrichten vom 22. November 2022 sehen die Immobilienhändler „noch viel Geld im Markt“.

Der Kölner Projektentwickler meint deshalb, dass sich „mit Sicherheit die Grundstücke trotz unsicherer Zeiten durch die Eigentümer gut in Hullern vermarkten lassen“. Es ist damit zu rechnen, dass die meisten Verkäufer ein Interesse daran haben, die Grundstücke an die Meistbietenden zu verkaufen und damit das dörfliche Preisniveau noch weiter nach oben zu treiben. (Es geht also vornehmlich um lukrative Vermarktung, weniger um städtebauliche Ziele der Dorfentwicklung).
Von einem Anteil öffentlich geförderte Wohnungen ist jedenfalls bislang noch nicht die Rede und eher unwahrscheinlich. Höchstwahrscheinlich auch in Hullern Fehlanzeige!

Haltern-Lavesum:
Investoren und Grundbesitzer entwerfen ihre eigenen Bebauungspläne

Auch im kleinen Dorf Lavesum - mit nur 1.800 Einwohnern und verloren gegangener Infrastruktur - entwerfen sich gerade die großen Grundbesitzer und Makler zusammenmit den hier nun tätigen gewordenen Investoren und Bauunternehmen aus Haltern (mit dem Segen der Stadt) ihre Bebauungspläne selber nach ihren kommerziellen Vorstellungen und Rendite-Wünschen. Auch hier geht es bei den nächsten beiden Wohnbauprojekten vornehmlich um Grundstücksvermarktung für den Eigenheimbau und den Verkauf neuer Häuser und nicht um öffentlich geförderte Wohnungen. „Die Politik hat keinen Einfluss auf die Grundstückspreise, da sich das Bauland in Hand eines Privatinvestors befindet“, meinte CDU-Ratsmitglied Bernd Ostrowski auf einer Bürgerveranstaltung im September 2022, wünschte sich aber gleichwohl „bezahlbare Grundstücke für junge Lavesumer, die keine dicken Kredite aufnehmen können“. Ein frommer Wunsch.

Obwohl Lavesum, anders als die größeren Halterner Dörfer, als Ortschaft unter 2.000 Einwohnern im regional- und landesplanerisch festgelegten landschaftlichen Außenbereich liegt (zudem in einer Kulturlandschaft von landesweiter Bedeutung) und deshalb ausschließlich für den Eigenbedarf nur sehr begrenzt Wohnbauflächen ausweisen darf, passiert das Gegenteil: Es wird unzulässiger Weise in in einer Größenordnung von bis zu 80 Wohneinheiten für umgerechnet ca. 180 bis 200 neue Einwohner geplant, davon 2,7 ha am Ortsrand auf Acker- und Weideland (Bebauungsplan „Am Schafstall“) und der Rest im Ortskern (Bebauungsplan „Dorfmitte“). So viele angeblich bauwillige Kinder aus dem Dorf sind hier gar nicht vorhanden.

Für Zuzügler von außerhalb oder Interessenten aus anderen Stadtteilen, nicht einmal für Rückkehrer in ihr Heimatdorf dürfen (laut Landesentwicklungs- und Regionalplan) Bauflächenangebote an diesem Standort gemacht werden, sondern nur in den ausgewiesenen Siedlungsschwerpunkten im Stadtgebiet. Nach der verbindlichen Textfestsetzung des neuen Regionalplans Ruhr, der gerade zur dritten Öffentlichkeitsbeteiligung ausliegt, müsst eigentlich sogar die dem entgegen stehende Wohnbauflächenausweisung „Am Schafstall“ im Flächennutzungsplan der Stadt Haltern zurückgenommen werden. Vor allem müsste die Stadt bei Erreichen oder Überschreiten der 2.000 Einwohner-Grenze infolge der Neubauprojekte ein vorheriges Konzept für die dörfliche Infrastruktur und Grundversorgung vorlegen. genau daran hapert es in dem "sterbenden Wohndorf" Lavesum, dass auch durch weitere Wohnhäuser ohne dörfliche Infrastruktur nicht lebendiger wird.

Doch es ist anzunehmen, dass es der Stadt wiederum gelingt, im Interesse der Investoren diese übergeordenten planerischen Hürden geschickt zu umgehen oder zu überspringen, wie bereits zurückliegend bei der umstrittenen Außenbereichsbebauung in Lavesum-Lochtrup, wo bereits 5 Wohnbauprojekte inzwischen realisiert wurden. (Dabei hat die Stadt in ihrem rechtsgültigen Flächennutzungsplan selber festgelegt, dass eine bauliche Weiterentwicklung im Außenbereich, speziell auch in Lochtrup, nicht Ziel der Stadt Haltern am See ist und dass eine Zersiedelung hier als städtebaulicher Missstand und als Beeinträchtigung öffentlicher Belange anzusehen sei). Zudem werden derzeit Baulücken in der (ohne Bebauungsplan) entstandenen Hangsiedlung am Napoleonsweg ("Siedlung Kunterbunt") mit größeren Komfort-Wohnbauten gefüllt. Jedoch allesamt ohne öffentlich geförderte Wohnungen in Lavesum – also Fehlanzeige!

Haltern-Flaesheim:
Eigentumswohnungen statt öffentlich geförderte Mietwohnungen

Das Dorf Flaesheim mit seinen 1.900 Einwohnern und ohne urbane dörfliche Infrastruktur hat seinen Wachstumsprozess mit Neubausiedlungen weitgehend hinter sich. Aktuell erfolgt jedoch nach Abriss der ehemaligen Ausflugs- und Dorfgaststätte Jägerhof die Errichtung von zwei Wohnhäusern mit 11 Eigentumswohnungen (inklusive Bäcker mit Backstube und Café). Trotz der Aufwertung für den Ortskern stellt sich auch hier die Frage: Warum ausschließlich Eigentumswohnungen und keine öffentlich geförderte Wohnung?

Haltern-Sythen
Auch das größte Wachstums-Dorf bietet keine öffentlich geförderten Wohnungen

Der auf 6.400 Einwohner gewachsene dörfliche Stadtteil Sythen mit bester dörflicher Infrastruktur hat mit dem Baugebiet „Elterbreischlag“ seine Flächenexpansion mit 280 vermarkteten Grundstücken für 800 neue Einwohner (sehr viele von außerhalb) gerade hinter sich – ohne eine einzige öffentlich geförderte Wohnung. Nach Abriss der einzigen Dorfgaststätte „Lindenhof“ ist nun auf dem Eckgrundstück direkt am Verkehrskreisel durch das Halterner Bauunternehmen Haverkamp ein Mehrfamilienhaus mit 15 Wohnungen zwischen 50 bis 130 qm Wohnfläche und eigenen Barriere freien Eingängen entstanden, mitsamt Parkplätzen, Carports und einer kleinen Gemeinschaftsgrünfläche von 250 qm für die rund 35 Bewohner.

Die gegliederte Fassade lässt den neuen großen Wohnkomplex zwar nicht als „grauen statischen Betonklotz“ erscheinen, wie der Bauherr seine Architektur bei der Vermarktung selber lobte. Möglichst viel Wohnfläche aus dem kleinen Eckgrundstück herauszuholen sei nicht seine Absicht gewesen - aber genau das ist in Wirklichkeit erfolgt und wird durch die Architektur lediglich ein wenig kaschiert. Unter den 15 Wohnungen gibt es keine öffentlich geförderte Wohnung – Fehlanzeige!

Gegenüber bietet die Stadtsparkasse in ihrem Neubau 5 Wohnungen an - natürlich keine öffentlich geförderte Wohnung darunter.

Ein weiteres Bauvorhaben im ökologisch wertvollen und erhaltenswerten Wäldchen mit gewachsenen Eichen und Buchen in Sythen (im Bereich Erikastraße/Wacholderstraße) führte in der zweiten Jahreshälfte 2021 zu heftigen Bürgerprotesten und zu einer Petition durch die Bürgerinitiative mit rund 650 Unterschriften. Sie wehrte sich gegen das geplante Abholzen des vom Lavesumer Makler Wessel erworbenen Wäldchens für 5 Wohneinheiten, ohne Bebauungsplan und ohne Ersatzanpflanzung. Die Stadt unterstützte das Vorhaben, denn sie hatte selber 2 Grundstücke dort erworben. Dass an diesem privilegierten Standort keine öffentlich geförderten Wohnungen Platz hatten, auch nicht auf den städtischen Grundstücksanteilen, braucht nicht eigens erwähnt zu werden – Fehlanzeige!

Sozial gesinnte Kommunalpolitiker wollen eine Trendwende für Haltern

Inzwischen haben SPD und Grüne Ratsfraktion im Halterner Stadtrat ihre Forderung nach bezahlbarem Wohnen vorgebracht, bislang noch ohne Erfolg. Die beiden im Mai 2022 neu gewählten jungen Vorsitzenden des SPD-Stadtverbandes sagten in einem Zeitungsinterview am 3. Dezember 2022, dass es inakzeptabel sei, wenn in Haltern nichts für die Bereitstellung bezahlbaren Wohnens getan werde. Leider sei eine von der SPD geforderte kommunale Wohnungsbaugesellschaft von den anderen Parteien abgelehnt worden. Grundsätzlich wünschen sie sich mehr Transparenz bezüglich der Bautätigkeit in Haltern. Bauen und Wohnen sowie die Entwicklung der dörflichen Ortsteile wollen sie deshalb zum Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit machen.

In anderen Städten ist die Frage des bezahlbaren Wohnens für alle – was auch die Haltern CDU in ihrem Wahlprogramm verspricht – ein überparteiliches Anliegen ohne ideologisches Gezänk. Das wünscht man sich auch für Haltern. Deshalb sollte ein vorliegender Antrag der SPD-Ratsfraktion parteiübergreifend Zustimmung finden, ein Fachressort Wohnungswesen im Rathaus einzurichten. Denn, wie es im Antrag zutreffen heisst: „Seit Jahren verschlechtert sich in unserer Stadt das Angebot für bezahlbaren Wohnraum. Während die Nachfrage nach kleinerem und/oder barrierefreiem Wohnraum steigt, hinkt das Angebot deutlich hinter her. Ein attraktives, bezahlbares und nachfragegerechtes Wohnraumangebot für alle Bevölkerungsschichten ist daher ein wesentlicher Ansatzpunkt für die weitere Bevölkerungsentwicklung in Haltern am See, auch zur Eindämmung der Abwanderung in Nachbarstädte.“

In der Begründung heisst es: „Seit Jahren ist der Wohnungsmarkt in unserer Stadt mehr als angespannt, Preise erreichen astronomische Größenordnungen. Das trifft sowohl auf den Mietwohnungsmarkt wie auch auf die Kaufpreise von Freiflächen beim „Häuslebau“ zu. (…) Auch Haltern am See benötigt ein ausreichendes Potential an preiswertem Wohnraum, um die vorhandene Zahl sozial- und einkommensschwacher Haushalte mit Wohnraum versorgen zu können.“ Es ist zu hoffen, dass sich die Ratsmehrheit in Haltern dem nicht länger verschließt und sich zu einem gemeinsamen Kraftakt für ihre vernachlässigten Bevölkerungsgruppen aufrafft.

Wilhelm Neurohr, 14. Februar 2023

Autor:

Wilhelm Neurohr aus Haltern

Webseite von Wilhelm Neurohr
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

13 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.