Stadt Hattingen klagt gegen die WestLB

Hat finanzielle Sorgen: Kämmerer Dr. Frank Burbulla
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Die Stadt Hattingen wird gegen die Westdeutsche Landesbank AG Klage einreichen. So hat die Stadtverordnetenversammlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen. Es soll so vermieden werden, dass der Stadt ein Schaden durch sogenannte Derivatgeschäfte, die vor einigen Jahren abgeschlossen wurden, entsteht.

Wer Schulden hat und Darlehen aufnehmen muss, der muss sich die günstigsten Zinsen sichern, um die Belastung in Grenzen zu halten. Das gilt nicht nur für Privatleute, sondern erst recht für Städte und Gemeinden. Diese sind zur sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung sogar von Gesetzes wegen verpflichtet.
Zu einem solchen Schuldenmanagement gehört seit Langem auch der Einsatz von Zinsderivaten. Diese Derivate in der Form so genannter Zins-Swap-Geschäfte als eigenständige Geschäfte haben das Ziel, die Zinsaufwendungen für bestehende Kreditgeschäfte zu senken. Sie wurden sogar von der Gemeindeprüfungsanstalt NRW (GPA) zur Senkung der Zinsbelastung empfohlen. In Berichten der GPA der überörtlichen Prüfungen wurden ein „aktives Zinsmanagement“ sowie der Abschluss von Zins-Swap-Geschäften positiv bewertet und angeregt, internationale Zins- und Währungsderivate nach Prüfung in Betracht zu ziehen. Kraft Erlasses des Innenministeriums, der obersten Finanzaufsicht des Landes, sind Fremdwährungsgeschäfte ausdrücklich zugelassen.
Nach einem aktuellen BGH-Urteil vom März dieses Jahres in einem ähnlich gelagerten Fall hätten die Bankberater dem Kunden einen solchen Vertrag überhaupt nicht vorschlagen dürfen. Zumindest hätten sie bei Vertragsschluss speziell über diesen Spekulationscharakter, über das Maß des möglichen Risikos und über ihre eigene Interessenkollision, die darin besteht, dass die Bank vom Gegenteil ihrer eigenen Prognose zu Lasten der Kommune selbst verdient, aufklären müssen. Im Nachhinein muss festgestellt werden, dass eine seriöse Beratung und eine umfassende Aufklärung nicht erfolgt ist.
Im Herbst 2005 wurde die Verwaltung durch einen Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses ermächtigt, Zinssicherungsverträge zur Reduzierung der Zinsbelastung abzuschließen. Im Rahmen einer überörtlichen Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsprüfung empfahl die Gemeindeprüfungsanstalt unter anderem für Kassenkredite günstigere Konditionen zu finden, insbesondere durch Aufnahme der Kredite in der Fremdwährung Schweizer Franken. Bewegt sich der Umtauschkurs oberhalb einer bestimmten vorher definierten Schwelle, reduziert sich die Zinslast, fällt er unter diese Schwelle, muss die Stadt Geld an den Vertragspartner zahlen, wie es aktuell der Fall wäre.
Bislang sind noch keine Verluste wirksam geworden, doch wenn die Bedingungen so bleiben, werden ab dem kommenden Jahr 500.000 Euro pro Quartal fällig bis zum 15. Februar 2018. Je tiefer der Kurs fällt, umso so größer wäre der Schaden. Ein Verkauf des Derivats kommt derzeit bei einem negativen Marktwert von circa 12,7 Millionen Euro nicht in Frage.
In der Vergangenheit konnte der Zinsaufwand aufgrund der eingesetzten Derivate tatsächlich im Verhältnis zu den Kreditgeschäften gesenkt werden, was dem Haushalt der Stadt zu Gute kam und was dem Rat auch berichtet wurde. Im November 2008 beschloss der Haupt- und Finanzausschuss keine neuen Derivatgeschäfte abzuschließen. Bestehende Verträge wurden, soweit dies verlustfrei möglich war, abgebaut.
Die Stadt Hattingen befindet sich nicht alleine in dieser Situation. Alleine im Bereich des Städte- und Gemeindebundes NRW haben sich bereits 32 Städte gemeldet. Tatsächlich betroffen sein dürften jedoch deutlich mehr. Das vermutete Potenzial der kommunalen Zinsgeschäfte liegt im dreistelligen Millionenbereich. Einige Städte und Kommunen haben bereits Klagen eingereicht, andere sind noch in der Prüfungsphase. Auch die Stadt Hattingen hat sich zur Klage gegen die WestLB entschlossen und sieht gute Erfolgsaussichten vor Gericht. Um möglicherweise drohende Verjährungsansprüche zu vermeiden, wird die Stadt noch in 2011 Klage einreichen. Der Rat beschloss, für dieses Jahr 140.000 Euro für den Gerichtskostenvorschuss und in den kommenden zwei Haushaltsjahren für Rechtsanwaltsgebühren etwa 140.000 Euro bereitzustellen.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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