Pflege protestiert gegen Verkammerungspflicht
Landesweit erster Protestmarsch der Pflegekräfte gegen die Errichtung einer NRW Pflegekammer

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Zum NRW weit ersten Protestmarsch haben die Organisatoren des Pflegebündnis Ruhrgebiet am 02.10.2021 nach Herne aufgerufen. Etwa 4-500 Pflegekräfte sind diesem Aufruf gefolgt und versammelten sich von dem Marienhospital in Herne, um von dort aus zum Herner Rathaus zu ziehen. Vorbei an einigen Altenpflegeeinrichtungen und dem ev. Krankenhaus zog der Protestmarsch mit großer Lautstärke zum Rathaus.

Der Demonstrationszug, angeführt von Jasmina Dinter, in einem Horrorschwesternkostüm, machten sie ihren Unmut über die Errichtung einer Pflegeberufekammer NRW, in der alle Pflegefachkräfte Zwangsmitglieder werden sollen, Luft.
Auch bereits berentete Pflegekräfte zogen in diesem Protestzug mit, da auch sie zwangsweise Mitglied in dieser Pflegeberufekammer werden müssen, obwohl sie gar nicht mehr in der Pflege arbeiten. Gleiches gilt im Übrigen für aus der Pflege ausgeschiedene oder langzeiterkrankte Pflegekräfte. Wer einmal ein Examen gemacht hat und in NRW wohnt oder arbeitet, muss sich registrieren lassen.

Gegen diese Zwangsverkammerung zogen die Pflegekräfte in Herne erstmals als Protestmarsch durch die Straßen. Unterstützt wurden sie von Pflegekräften aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die bereits die Pflegekammer erfolgreich abgeschafft haben. Auch die Gewerkschaft Ver.di unterstützt die Protestierenden Pflegekräfte und sagen Nein-zur Pflegekammer NRW, denn diese könne die Situation in der Pflege nicht verbessern. Dafür braucht es eine starke Gewerkschaft und einen starken Willen der Politik, bestehende Strukturen zu optimieren und den Bedarf an Pflegekräften zu steigern.

In der Pandemie wurde der Pflegekräftenotstand noch deutlicher, gerade Pflegekräfte auf den Intensiv- und Covidstationen arbeiteten lange Zeit über dem Limit und wurden oftmals von der Politik nicht gehört. Hier gibt es schon eine deutlich zu spürende Personalflucht, die sicherlich nicht allzu schnell Enden wird. Es ist schon längst nach 12. Wenn sich nicht zügig die Arbeitsbedingungen verbessern, werden noch weitere gut ausgebildete Pflegefachkräfte diesen wunderschönen, aber auch verantwortungsvollen Beruf verlassen.
Auf dem Platz vor dem Herner Rathaus stelle sich auch Ludger Risse vom Errichtungsausschuss Pflegekammer den Fragen der Kammerskeptiker und stellte fest das man gar thematisch nicht so weit auseinander liegt. Nur sieht er das Heil der Pflege in einer Pflegeberufekammer. „Die Pflege hat es nicht geschafft sich in den letzten Jahren zu organisieren, das werden sie wohl auch in Zukunft nicht schaffen – daher ist eine Zwangsmitgliedschaft unumgänglich“, so seine Meinung, die hier in Herne und in weiten Teilen NRW nicht auf fruchtbaren Boden fiel.

Diese fordern vom Errichtungsausschuss und der Politik die Urabstimmung aller Pflegefachkräfte zum Aufbau einer Pflegekammer in NRW. So werden noch viele Protestveranstaltungen gegen die Pflegekammer NRW folgen, so die einhellige Meinung der Organisatoren. „Wir wollen in einer Urabstimmung gefragt werden, ob wir Mitglied dieser Kammer werden wollen“ so die einhellige Meinung der Rednerinnen und Redner.

Hintergrundinformationen:
Pflegekammer NRW wohl oder übel ?

Im September 2020 wurde ein Errichtungsausschuss „Pflegekammer NRW“ durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit, und Soziales berufen, um eine Pflegekammer in NRW zu errichten.

Seit einigen Wochen werden ein Großteil der in NRW beschäftigten Pflegefachkräfte, egal ob Rentner, aktiv Mitarbeitende mit Post von der Pflegekammer NRW behelligt. Es geht um die Mitgliedschaft in eben dieser Pflegekammer NRW. Hierbei ist es egal ob die Pflegefachkraft noch in Ihrem Beruf arbeitet, oder sogar schon ausgeschieden ist.
Ausschlaggebend ist hier nur das abgelegte Examen, die die Pflegefachkraft als solche ausweist. Ihr wird nicht etwa eine Mitgliedschaft angeboten, nein es ist eine Pflichtmitgliedschaft, über dessen Kosten allerdings noch kein Konsens gefunden wurde.

Es gab in der Vergangenheit genau eine Umfrage der Kammer, ob diese erwünscht sei. Hierzu wurden im Jahr 2018 1500 von ca. 200.000 Pflegekräften in NRW zur Errichtung einer Pflegekammer befragt. Bei dieser Befragung haben sich rund 80% der Befragten für eine Pflegekammer ausgesprochen, ohne genaue Angaben dazu zu bekommen, was genau ein solches Ergebnis für alle Pflegekräfte bedeutet.

Die Arbeitgeber, die Pflegefachkräfte beschäftigen, wurden unter Androhung von Bußgeldern dazu genötigt die Adressen aller Mitarbeiter an die Kammer weiterzugeben. Zu dieser Adressweitergabe wurde kurzerhand der Datenschutz außer Kraft gesetzt. Und das, obwohl dem Datenschutz in Deutschland ein so hohen Stellenwert beigemessen wird.

Nun bekommen die Pflegenden nach und nach Post vom Errichtungsausschuss der Kammer, in denen diese aufgefordert werden, die bereits vorgefertigten persönlichen Daten zu vervollständigen und mit einer amtlich beglaubigten Kopie der Berufsurkunde (Examen) zum Errichtungsausschuss der Pflegekammer NRW zu senden.
Mit der Errichtung einer solchen Kammer sind ein Großteil der Pflegekräfte nicht einverstanden, da sie sich nicht um die Belange der Pflegekräfte kümmert. Sie setzen sich weder für Berufspolitische Themen noch für gewerkschaftliche Themen ein. Sie macht sich nicht stark für eine gute und angemessene Personaldichte.

Der Plan die eine Errichtung solch einer Kammer verfolgt ist nicht der, den die Pflegefachkräfte gerne hätten. Die Kammer kümmert sich um Standards in der Pflege, um eine Berufsordnung und um Umschreibungen von Berufsurkunden aus dem Ausland. Des Weiteren möchte man in Selbstverwaltung auch bei den Prüfungen für Examen beteiligt werden. Und als weiteren Bestandteil sieht die Kammer sich als Beschwerde- und Rechtsorgan für Beschwerden und Rechtsbrüche gegenüber Pflegefachkräften.

Viele Pflegefachkräfte erhoffen sich durch die Mitwirkung einer Pflegekammer eine bessere Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen, mehr Wahrnehmung des Pflegeberufes und die Mitbestimmung bei politischen Pflegethemen. Also jemanden der die Interesse der Pflege nach außen vertritt.

Ein fairer Umgang mit der Pflege bedeutet: Mit der Pflege zu sprechen, nicht nur über sie.

Das alles wird diese Pflegekammer nicht leisten können. Laut eigenen Angaben darf sie keine Lohnverbesserungen, Arbeitszeitverkürzungen und Urlaubstage verhandeln. Auch ein Mitbestimmungsrecht im Nordrheinwestfälischem Landtag hat die Pflegekammer nicht. Sie erinnert eher an einen zahnlosen Tiger, der aber von allen Pflegefachkräften mitfinanziert wird, ohne für diese Personengruppe einen effektiven Nutzen zu erbringen.

Was allerdings klar ist, die Pflegefachkräfte müssen wenn es keine Änderungen gibt, Pflichtmitglied in dieser Pflegekammer werden und so auch die Kammerbeitrag entrichten.

Denn was die Gewerkschaften in den letzten Jahren nicht ohne erheblichen Streit erzielen konnten, werden einige Kammerfunktionäre nicht einfach durch gutes Zureden erreichen können.

Autor:

Wolfgang Schieren aus Gelsenkirchen

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