Als Tourist unterwegs in Herten und Marl

Landschaftspark Hoheward Herten. Foto: Sara Holz
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Hoch oben von der Drachenbrücke bis an den Fuße der Hügelhäuser führen mich meine Wege. Denn für einen Tag bin ich in Herten und Marl Tourist. Quasi in verdeckter Ermittlung.

Und deshalb informiere ich mich natürlich zuerst einmal dort, wo die Experten sitzen, nämlich in den städtischen Informationsstellen. Mein Vorwand: Ich habe ein mehrstündiges Zeitfenster zu überbrücken, welches mich jeweils im Kreis Recklinghausen festhält. Wenig Geld, dafür zufälligerweise eine Kamera im Gepäck. So, liebe Damen und Herren, dann mal her mit dem ein oder anderen Sightseeing-Tipp, der eure kleinen, aber vielleicht feinen Städte unvergesslich werden lässt.
In der Hertener „Tourist-Information“, gelegen auf dem Gelände der Zeche Ewald, stellt sich Linda Feige meiner Aufgabe. Und das mit aller erdenklichen Leidenschaft. Allein der Landschaftspark Hoheward mit dem Horizont-Observatorium, dem Obelisk (Sonnenuhr) und der sich anschließenden Drachenbrücke sei ja schon einen touristischen Fußlauf wert. Von dort könne mich der Weg weiter führen, vorbei am Ewaldsee und entlang der Kunstachse „Burgenland“ des Künstlers Nils Udo, der die Geschichte der Kulturlandschaft Ruhrgebiet in Form von Zechen und Burgen im Miniaturformat aufgreift. Dann das Schloss Herten mit dem Schlosspark und das alte Dorf Westerholt mit weiterem Schloss.
Die freundliche Dame kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Zu allen Zielen liefert sie ohne Nachfrage passende Zeitangaben - sie weiß ja nicht, dass ich mich später auf dem höchsten Punkt der Halde verlieren und gänzlich orientierungslos am falschen Ende den Abstieg wagen werde. Verdursten und verhungern, das kann ich dank ihrer Gastro-Empfehlungen schon mal unterwegs nicht. Auch wenn die Preisklasse der benannten Örtlichkeiten nicht unbedingt die niedrigste ist.
Wenn ich am Ende noch Zeit fände, schließt sie ab, könne ich mir in der Erholungsanlage Backumer Tal einen Besuch im „Copa Ca Backum“ gönnen. Schwimmen, saunieren und massieren lassen. Klingt verlockend, doch dafür reicht mein Tag selbstverständlich nicht. Den Katzenbusch als freundlichen Erholungspark ergänzt sie noch nachträglich.
Einen geschickten Bogen schlägt sie dagegen um die Hertener Innenstadt. Ich weiß schon genau, warum, so wurde mir doch bereits in einem zufälligen Gespräch mit einem ortskundigen Bürger von deren Besuch eifrig abgeraten. Ein Zufall ist es ja auch gewiss nicht, dass die Informationsstelle so weit ausgelagert liegt.
Mittlerweile habe ich schon ganz vergessen, dass ich hier nicht so fremd bin, wie ich es vorgebe zu sein. Und ich mir vom vermeintlichen Ortsmittelpunkt ganz sicher auch selbst händeringend abgeraten hätte. Aber ich möchte ja nicht aus meiner Rolle fallen. Schnappe mir stattdessen meinen Stadtplan, in welchen Linda Feige meine Laufwege rot markiert hat, sowie mein komplettes Paket an Infobroschüren für sämtliche Haltepunkte und starte ins erste Abenteuer Stadterkundung.
So weit wie meine Tipps mich gebracht hätten, komme ich natürlich nicht. Auch, weil die letzte Sommerwärme das Unternehmen deutlich erschwert, ich mich all zu lang aufhalte mit Schnappschüssen von Eichhörnchen und Flirtattacken pausierender Arbeiter aus der örtlichen Maschinenhalle. Nach einer gefühlten Bergbesteigung bereits am Horizont angekommen, lasse ich die Seele baumeln und verliere die Zeit aus den Augen. Von der Orientierung einmal ganz abgesehen. Es war wohl wirklich die Hitze. Was denn auch sonst. Davon ab läuft der Tag wie versprochen. Herten ist sicherlich keine Metropole, aber touristisch gesehen ein Städtchen, das durchaus etwas her macht.
Das weiß man auch in Marl. Davon jedenfalls zeugt der irritierte Blick der Mitarbeiterin im „i-Punkt“, der im Einkaufszentrum „Marler Stern“ seinen Sitz hat. Die würde mich am liebsten dorthin zurückschicken. Touristen in Marl? Ist man darauf etwa nicht vorbereitet? Nein, ist man nicht. Macht aber nix, denn nach einem Moment der Sortierung beginnt die Service-Dame eifrig mit der Zusammenstellung eines bunten Flyer-Katalogs als Antwort auf meine überraschende Bitte.
Vielleicht lohne ein Besuch der Ausstellung im Skulpturenmuseum Glaskasten oder eine Vorstellung im Marler Theater, welches ich im übrigen auf meiner Anreise zumindest schon von Außen besichtigt habe? Eine zögerliche Begutachtung meiner Person scheint ihr als Antwort zu reichen. Vielleicht auch nicht, die Zeit dafür sei wohl eher zu knapp, beschließt sie höflich. Ich passe wohl nicht so richtig in die kulturelle Ecke, vermute ich mal. Vielleicht liegt‘s auch am Alter. Aber, zum Fotografieren, da böten sich doch die Hügelhäuser, zwischen Willy-Brandt-Gesamtschule Marl-Mitte und dem Straßenverkehrsamt gelegen, an. Als Beispiel moderner Architektur seien diese weit über die Stadtgrenzen bekannt. Und tatsächlich bin auch ich später von diesen Bauwerken, um die ich einmal herumschlenze, recht begeistert. Und halte gleich im Bild fest, welch riesige Pflanzen von den Terrassen ranken.
Um etwas von der städtischen Geschichte mitzunehmen, eigne sich natürlich das Stadt- und Heimatmuseum ideal, hat man mir noch im „i-Punkt“ mit auf den Weg gegeben. Auch dahin unternehme ich einen Abstecher, parke an der Breite Straße/Hochstraße, die zur Mittagszeit kaum zu Fuß zu überqueren ist, halte kurz inne an der dort gelegenen Kirche und suche anschließend das Museum auf. Wo ich mich, trotz netter Blicke der dort Beschäftigten, nicht hereintraue und mir stattdessen die Nase platt drücke am Zaun des Guido-Heiland-Freibads und meinen Auflug mit einem idyllischen Spaziergang durch den Volkspark beschließe.
„Zahlreiche Kultureinrichtungen und attraktive Freizeitangebote sowie eine Fülle von Veranstaltungen laden dazu ein, Marl zu entdecken und die Marler näher kennen zu lernen.“ Ganz so, wie im Prospekt angepriesen, erlebe ich Marl an diesem Tag nicht. Abseits etwa der Grimme-Preis-Verleihung und ohne das Theater mitzunehmen - Kultur ist eben städtischer Schwerpunkt - gibt es nicht unbedingt zahlreiche Möglichkeiten, in Marl etwas zu unternehmen. Jedenfalls nichts mit Unterhaltungsfaktor.
Zum Spazierengehen und gewiss auch für eine Radtour - das Netz soll gut ausgebaut sein - dagegen eignet sich die Reise nach Marl ganz bestimmt. Und wer aus der Großstadt mit dem Auto kommt, wird sich über die an allen wichtigen Punkten zahlreich vorhandenen Parkplätze schnell gewöhnen. Zumindest zwei Stunden kann man mit Parkscheibe fast überall erst einmal kostenfrei stehen.
Das gilt aber ebenso für das Nachbarstädtchen Herten. Und das punktet darüber hinaus eben einfach noch mit dem größeren Angebot. Schöne Landschaften, Erholung, Kultur und Geschichte, davon findet man hier reichlich, in Kombination der beiden Städte ein wirklich empfehlenswerter Tagestrip. Auch gastronomisch findet man den ein oder anderen Leckerbissen. Zurück in die Großstadt muss man jedoch wieder spätestens, wenn der Einkaufsleidenschaft gefrönt werden soll. Shoppen, das geht (noch) ein kleines bisschen im Marler Einkaufszentrum, attraktive Stadtkerne haben jedoch beide Orte definitiv nicht.
Und, wenn man ehrlich ist, da reicht noch nicht einmal der Sprung ins Kreiszentrum Recklinghausen. Hier trifft man aber zumindest mal wieder auf einen Hauptbahnhof, von dem aus die Reise weiter quer durchs Ruhrgebiet geht. Man kann ja auch nicht immer alles vor Ort haben.

Autor:

Sara Drees aus Dortmund

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