Eine enge Freundschaft

Er ist mit mir durch dick und dünn gegangen, hat mich fürsorglich durch sanftes Zwicken und Zwacken auf beginnende Veränderungen hingewiesen. Schnell war er als Sündenbock ausgemacht, wenn ich mich unwohl fühlte, seine Nähe gar als bedrückend empfand. Ich mochte mich jedoch nicht von ihm trennen und arbeitete ständig daran, seine Einstellung den umfangreicher gewordenen Erfordernissen anzupassen.

Doch brauchte man ihn nur genauer zu betrachten, um zu erkennen, dass ich mich der Grenze für derartige Manipulationen bereits bedrohlich genähert hatte. Es war in der Zeit, in der unser angespanntes Verhältnis auch von Außenstehenden wahrgenommen wurde und diese es sich nicht nehmen ließen, spöttische Kommentare abzusondern.

Ich wurde z u n e h m e n d verdrießlicher, graute es mir doch bereits unmittelbar nach dem morgendlichen Ankleiden vor der Tatsache, einen ganzen Arbeitstag mit ihm verbringen zu müssen. Als wüsste er darum, dass ich tagsüber in einer gewissen Abhängigkeit zu ihm stehen würde, verstärkte sich das von ihm ausgehende Ungemach. Ich fühlte mich wie von stählerner Hand umklammert, die keinerlei Hoffnung auf Nachgiebigkeit zuließ. Warum auch -- schließlich hatte ich ihn in den letzten Monaten mehrmals mit einer erhitzten Stricknadel durchbohrt, um zusätzliche Löcher zu ermogeln.

So konnte es keinesfalls weitergehen! Als Betroffene meiner permanenten Übellaunigkeit überraschte mich meine Frau - mitten im schönsten Ehekrach - mit der Forderung: Abnehmen oder Dehnbund-Hose!!. Der Bequemlichkeit wegen entschied ich mich für die realistischere Alternative „B“ und wurde im gleichen Moment unter strenger Bewachung zum Rechner geleitet, um sicherzustellen, dass ich auch tatsächlich zwei dieser Flexi-Hosen elektronisch orderte. Nur der Vollständigkeit halber seien hier die Handtasche und die sündhaft teuren Winterstiefel erwähnt, die meine Frau bei dieser Gelegenheit gleich mitbestellte.

Meinen Hosengürtel, der durchlöchert ist wie ein Schweizer Käse, mag ich vorläufig noch nicht entsorgen – denn man weiß ja nie? Unbestritten ist, dass die Dehnbund-Hosen unsere Ehe merklich befriedet haben. Schlechte Laune nach ausgiebiger Völlerei war gestern. Gern wüsste ich Namen und Anschrift des Erfinders dieses revolutionären Kleidungsstücks, um mich bei ihm persönlich zu bedanken – oder besser: ihn als Kandidaten für den Friedens-Nobelpreis 2017 vorschlagen.

Autor:

Klaus Ahlfänger aus Herten

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