Wie war dein Tag?

Lass sein, Dad, davon verstehst du sowieso nichts“, musste sich Brad Paisley von seinem Sohn anhören, als er sich zu ihm an die Spielekonsole setzen wollte. „Keine Bange, ich wollte dir nur sagen, dass ich heute früher losfahre. Bitte deine Mutter, dass sie für mich den gestreiften Anzug und die blaue Krawatte herauslegt, wir sind heute Abend bei den Jeffersons eingeladen“ Draußen mahnte das ungeduldige Hupen der Fahrgemeinschaft zur Eile und nur wenige Minuten später hatten die drei Männer den Highway erreicht, der direkt zur Airbase führte. Unterwegs wurde wie immer über die laufende Football-Saison gefachsimpelt und alle waren sich darin einig, dass die Patriots dringend einen besseren Quarterback benötigten, um bei den „Finals“ ein Wörtchen mitreden zu können. Jetzt waren es nur noch wenige Meilen bis zum Flugplatz und das Heulen der startenden und landenden Kampfjets ließ keine weiteren Gespräche zu. Als wären die Worte eine Art Schutzwall gegen aufkommende Gedanken gewesen, meldeten sich nun verdrängte Kriegserlebnisse wieder. Seit ihren letzten Einsätzen als Piloten im Irak waren mehr als fünf Jahre vergangen und dennoch gelang es ihnen nicht, die wohl schrecklichste Phase ihres „Berufslebens“ dauerhaft auszublenden. Nie war man sich sicher, ob man von den sogenannten „Missions“ lebend zur Basis zurückkehren würde und zu den häufigen Schockerlebnissen gehörten die Nachrichten, dass Freunde, mit denen man wenige Stunden zuvor noch „Körbewerfen“ geübt hatte, mit ihren Jets am Boden zerschellt waren.

Ihr neuer Arbeitsplatz befand sich auf dem streng abgesicherten Gelände eines großen Militärflugplatzes. Dort betraten die in Uniform gekleideten Männer ein unscheinbares Gebäude, um von hier aus per Fahrstuhl in einen 10 Meter tiefer gelegenen Bunker zu gelangen. Schnell war der Schichtwechsel vollzogen und die neue Crew checkte zunächst das elektronische Mission Board, um sich über die heute anstehenden Aufgaben zu informieren. Munitionslager, Waffentransporter, Ausbildungscamp und Versteck eines hochrangigen Anführers – und all diese Objekte wurden mit den zielführenden Koordinaten angezeigt. Brad Paisley konnte sich auf seine Kameraden im fernen Afghanistan verlassen, die dort die unbemannten Flugzeuge betankten und sie je nach Einsatzzweck mit speziellen Waffensystemen bestückten. Ja, diese sogenannten Drohnen waren schon ein Wunderwerk der Technik. Aus einer Distanz von 11000 Kilometern konnte man nun töten und zerstören und dennoch betrug die Entfernung zwischen Krieg und familiärem Umfeld lediglich eine halbe Autostunde. Da saß Paisley nun in einem vollklimatisierten Raum vor zwei großen Bildschirmen und steuerte mit den beiden Joysticks die Drohne auf das als Target ausgewiesene Munitionslager zu. Landschaft und Zielgebiet waren gestochen scharf auf den Monitoren zu erkennen. Schnell brachte der erfahrene Kampfpilot das Flugzeug in die ideale Schussposition und mit einem Klick wurde das Target auf dem Live-Bild mit einem Kreis markiert. Ein weiterer Knopfdruck und schon suchten die abgefeuerten Raketen selbsttätig das Ziel. Die Detonation war gewaltig und voller Stolz hörte Pasley das Lob seines Supervisors: „Nice shot, excellent job, Brad!“ Auch die anderen Punkte des Mission Boards wurden problemlos abgearbeitet, so dass einem pünktlichem Feierabend nichts mehr im Wege stand.

Wieder zuhause angekommen, empfing ihn seine Frau mit der Routinefrage „Na, wie war dein Tag heute?“ „Alles prima gelaufen," antwortete Paisley – „aber die gefährliche Heimfahrt in der Rush Hour bereitet mir zunehmend Sorgen und bevor wir gleich zu den Jeffersons rübergehen, sollten wir endlich mal ein ernstes Wörtchen mit unserem Sohn sprechen. Der sitzt den lieben langen Tag an der Spielekonsole und ballert dort nur sinnlos herum

Autor:

Klaus Ahlfänger aus Herten

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