Strafantrag gegen Polizisten aus Plettenberg 9
Ohne Anwalt keine Chance

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Zugegeben, ein wenig befremdlich wirkte das Amtsgericht Plettenberg schon. Zwar kennt man Metall-Detektor-Schleusen auch von anderen Gerichten und Flughäfen, aber das Amtsgericht Plettenberg wirkt befremdlich wie ein Hochsicherheitstrakt. „Legen sie bitte den Hosengürtel ab.“
Wir waren zu dritt als Prozessbeobachter aus Iserlohn gekommen und mussten uns in dem Vorraum nach der Schleuse erst einmal die Gürtel einziehen und die Hosen zurecht rücken.
Dann ging es eine Treppe hinauf und es erfolgte eine weitere Durchsuchung. Jacken und Taschen durften nicht mitgenommen werden in den Zuschauerraum. Die Utensilien wurden in Kunststoffkisten eingelegt und weggeschlossen. Mir wurde erlaubt einen Block und einen Kugelschreiber mit in den Raum zu nehmen. Meine Unterlagen zur Vorgeschichte des Verfahrens wurden mir abgenommen. „Die Sachen bekommen Sie hinterher wieder.“
Dem dritten Zuschauer wurde der Zutritt ganz versagt, weil er keinen Personalausweis bei sich trug. Eine Identifikation per Krankenkassenkarte wurde nicht anerkannt.

Grund war ein Aushang im Gericht: 
Gemäß § 176 GVG werden folgende Anordnungen getroffen  

Vergehen nach §§ 201 Abs. 1, Abs. 5, 74, 74a StGB

Die Anklage vom 17.03.2021 bezieht sich auf einen Vorfall vom 27.10.2020 in Plettenberg bei dem ein Polizist einer Frau ohne Nennung einer Rechtsgrundlage gewaltsam ihr Smartphone entriss und dies als "Beschlagnahme" titulierte. Das Smartphone wurde nie zurückgegeben. Die Frau stellte Strafantrag gegen den Polizisten und forderte ihr Smartphone zurück. Die Staatsanwaltschaft Hagen reagierte mit einer Klage "wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen" gegen die Frau.

Am 09.11.2021 fand in Abwesenheit der krank gemeldeten Angeschuldigten die "Hauptverhandlung" statt und es wurde vom Amtsgericht Plettenberg ein Strafbefehl abgefasst. Darin fordert die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30,00 € (1.800,00 €) und die Einziehung des Mobiltelefons Marke HUAWEI.  Außerdem wären die Verfahrenskosten zu tragen.

In einem Beschlagnahme-Beschluss 66 Gs 1887/20 (500 Js 1034/20) vom 30.11.2020 heißt es knapp:
"In dem Ermittlungsverfahren
[...]
wird die Beschlagnahme des am 27.10.2020 sichergestellten Mobiltelefons der
Beschuldigten gem. §§ 94, 98 StPO sowie §§ 111 b, 111 c StPO in Verbindung mit §
74 StGB bestätigt."

Es wurden Rechtsmittel geltend gemacht.

Und jetzt noch einmal von Vorn mit Rechtsanwalt Dr. Frank Nobis

Möglicherweise wären die Verfahren erfolgreich unterdrückt worden, wenn das Strafmaß nicht so völlig überzogen hoch ausgefallen wäre. Die Investition in fachkompetente Hilfe mit einer Chance auf vollständige Rehabilitation, erschien somit als die bessere Wahl. 

Gleich zu Beginn der Verhandlung bat RA Nobis um eine Unterbrechung der Verhandlung zum Austausch unter "Berufsjuristen." Dies war wohl ein Einigungsversuch auf dem kleinen Dienstweg. Dieser Verfahrenseinstellung wurde nicht stattgegeben, allerdings wurde einem Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers zugestimmt. Damit war zumindest eine finanzielle Entlastung für die beschuldigte Leistungsberechtigte erwirkt.

Dann wurde Axel W. als Zeuge aufgerufen und von RA Nobis an zwei gegen den Zeugen eingereichte Strafanträge erinnert. Der Zeuge wollte sich nicht erinnern davon Kenntnis zu haben. 

Richterin Adler begann den Zeugen zu befragen. Nach der Aussage des Zeugen war er an dem besagten 27.10.2020 in den Action Markt hinein gegangen, um die zuständigen Mitarbeiter zu befragen. Sein Kollege Sch. sprach mit der hier Angeschuldigten und Ihrer Bekannten.
Es kam zur Sprache, dass eine ärztliche Maskenbefreiung vorlag und diese auch vorgezeigt worden war.

Dann wurde der Zeuge zu dem beschlagnahmten Handy befragt. Nach seiner Aussage habe man erst von dem Mitschnitt Kenntnis erhalten, als der Einsatz eigentlich zu Ende war und die Angeschuldigte und ihre Begleiterin bereits wieder im Auto saßen.

Auf die Frage der Staatsanwalts wo sich das Handy befunden hätte, antwortete der Zeuge Axel W.: "im Armaturenbrett" und auf die Nachfrage des Staatsanwalts "Was haben sie gesehen?" lautete die Rückmeldung: "Unruhe."

RA Nobis nahm Bezug auf den streitgegenständlichen Videomitschnitt.
"27.22 Der ältere Polizist rüttelt an der Autotür.
27.24 "Ich mache auf, keine Panik.“
27.27 "Ja, bitte, ja Bitte?"
27.28 A: "Was ist denn jetzt hier los? Hallo, ich bin schwanger.“
27.29 "Bitte, ich habe Angststörungen."
- Stimme des älteren Polizisten: "Ja, ich auch.“
27.30 "Handy her, Handy her."
27.31 "Ich kann das löschen wenn sie . . ."
27.33 "Aber ich habe doch ein Attest."
27.35 "Handy her, Handy her." – "Wofür?"
27.36 "weil ich das sage."
(Auszug vom Mitschnitt des Wortwechsels)

RA Nobis fragte den 51jahre alten PHK Axel W.  ob er seine solche Reaktion für angemessen halte?
"Hatte sie Ihnen nicht ein Attest über die Angstzustände vorgelegt? - Blatt 5 der Akte."
Eine vorsätzliche Reaktion?
"War diese Maßnahme gerechtfertigt oder die eines Polizeibeamten der über die Strenge schlägt?"

Der Zeuge weiter: "Wir haben das Auto geöffnet." Und "Von mir wurde das Handy ergriffen."
(Die Wortwahl des Zeugen klang im Gerichtssaal durchaus anders als auf dem Original-Videomitschnitt. (Audioauszug, 4.42 min)

Auch die nächste Frage galt der Einschätzung der Einsatzkompetenz des Polizeihauptkommissars.
"Hat die Frau ihnen nicht angeboten die Aufnahme zu löschen?" 

Richterin Adler versuchte die Zeugenbefragung zu beeinflussen, aber RA Nobis verfolgte sein Ziel gradlinig weiter und bat die Richterin sachlich, sie möge seine Zeugenbefragung nicht zu unterbrechen.

RA Nobis fuhr fort: "Der den Vorfall prüfende Polizeibeamte schreibt von dem Angebot zu löschen. Haben sie die Frau aufgefordert die Aufnahme zu löschen?"

Der Zeuge W. wich erneut aus und behauptete provoziert worden zu sein.

"Bitte beschränken sie sich auf Tatsachen," erinnerte RA Nobis PHK Axel W. an seine berufliche Professionalität. "Provozieren ist eine Wertung."

"Also hat der Kollege zum Einstellen der Aufnahme aufgefordert?" - Axel W.: "Ich habe keine Aufforderung gehört."

RA Nobis: "Ab wann wussten Sie denn ab wann gefilmt wurde?" - Axel W.: "erst im Auto."

(Anm. Das Originalvideo hat eine Länge von 27:45 min.  Ab Minute 12:45 min sind die Angeschuldigte und ihre Bekannte wieder in das Auto eingestiegen und waren nach eigener Aussage durch den Einsatzwagen der Polizei am Wegfahren gehindert. Das Video zeigt, dass das Smartphone bis zum "Raub" in der 27sten Minute im Armaturenbrett abgestellt ist und lediglich ein Selfie aufzeichnet.) 

RA Nobis: "Wie viele Zuschauer haben denn den Vorfall auf Parkplatz beobachtet? 39?" - Axel W.: "5 - 6 Personen"

Dann wurde die Formulierung "Nazi-Gesetze" aufgegriffen. "Erinnern Sie sich an den genauen Wortlaut?" - Axel W.: "Wörtlich kann ich das nicht wiedergeben."
"Aber Sie empfanden das als diskriminierend?"  - Axel W.: "Für mich war das klar eine provokante Art."

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Situationseinschätzung bei Polizeieinsätzen

In einem weiteren Schritt fragte RA Nobis den Zeugen "Wer hat die Polizei gerufen?" - "Ich nehme an Mitarbeiter vom Action Markt,"  war die Antwort. "Und wer wartet üblicherweise auf das Eintreffen der Polizei der Anrufer oder der Täter?" 
"Bei einem Unfall winken beide." Aber der Rechtsanwalt ließ nicht locker. "Aber bei einer Straftat - wer meldet sich?"  - "Die Frau winkte mit dem Attest: Sie kommen wegen mir."

Richterin Adler unterbrach das Trommelfeuer der Zeugenbefragung kein zweites Mal. RA Nobis konnte ungehindert fortfahren.

"Ab wann haben Sie festgestellt, dass "provoziert" wurde?" - "Erst am Ende am Auto."
"Aber wenn Sie nicht wussten um wen es geht, warum trennten Sie sich von Ihrem Kollegen, einer ging auf die Frau zu, der andere in den Markt." - "Ich habe das mitbekommen: Sie kommen wegen mir."

RA Nobis fuhr mit seiner Befragung fort: "Im Laden wurde Ihnen mitgeteilt, alles wäre ok, der Laden wurde verlassen."
"Aber Sie haben die Interessen nicht angehört." - "Welche Interessen?"
"Und Ihr Tonfall, so wie jetzt?"
Polizeihauptkommissar Axel W.: "Immer höflich und korrekt." 
(Anm. Der Originalton des Polizisten in einer gekürzten Audioaufnahme (4:42 min) zu hören.)

Der Zeuge wurde entlassen.

Die Vorsitzende Richterin Adler stellte in Aussicht, dass ein weiterer Verhandlungstermin zur Anhörung des Polizisten Sch. nötig werde.

RA Nobis stellte noch einmal auf Verfahrenseinstellung gem. § 153 StPO ab.

Denkbar ist auch, dass im Falle der Fortsetzung des Verfahrend der Antrag gestellt wird, das vollständige Video als Beweis einzubringen und öffentlich vorzuspielen, wegen der Wegnahme des Handys. - Hat die Polizei etwas zu verbergen?" 

Für RA Nobis ist auf dem Handy keine strafbare Provokation erkennbar.

Richterin Adler beendete den Termin. Es gehe zwar nicht um ein Verbrechen, sondern nur ein Vergehen. "Heute kommen wir ohne Herrn Sch. nicht weiter."

Meine Zusammenfassung der Vorgänge
Strafantrag gegen Polizisten aus Plettenberg

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Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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