Interview mit dem ADFC Langenfeld
Langenfelder Politik berät über Beitritt zur Städteinitiative Tempo 30

Foto: Beatrix Gerling

Am Donnerstag, den 2. März berät die Langenfelder Politik über den etwaigen Beitritt der Stadt Langenfeld zu der Städteinitiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“. Dass Politik und Verwaltung sich mit dem Beitritt zu dieser Initiative befassen, ist Folge eines Bürgerantrags von Matthias Geuß vom ADFC Langenfeld. Gilt in Langenfeld bald flächendeckend Tempo 30? Mit drei Vertretern des ADFC Langenfeld habe ich hierzu ein Interview geführt.

Peter Piksa: Können Sie bitte erläutern, welches Ihre Funktionen sind und was der ADFC mit dem Antrag erreichen will?

Peter Trappenberg: Ich bin seit 1990 Mitglied beim ADFC. Ich kümmere mich seitdem in Langenfeld um die Verkehrs-Belange. Wir machen allerdings auch Touristische Aktionen, wie beispielsweise Fahrradtouren, was ein Großteil unserer Mitglieder (leider) ausschließlich wahrnimmt. Ansonsten versuchen wir der Stadtverwaltung und der Politik was Themen wie Fahrradwegenetz, den Abstellanlagen und der Fahrradinfrastruktur Hilfestellungen zu geben. Außerdem drücken wir an jenen Stellen unseren Daumen drauf, wo etwas nicht so läuft, wie wir uns das vorstellen.

Hans Allmendinger: Ich bin seit vier Jahren etwa im ADFC. Ich bin vor allen Dingen eingetreten, weil ich mich für die Belange der Radfahrenden einsetzen möchte. Speziell bin ich in Monheim zuständig, ich nehme dort regelmäßig Termine mit der Stadtverwaltung wahr - vor allen mit der Radbeauftragten sowie Sachbearbeitern vom Bauamt.

Peter Piksa: Welches sind die Themen, mit denen sie sich am häufigsten befassen?

Hans Allmendinger: Was in Monheim zurzeit großes Thema ist, ist der Radschnellweg – also wie der ausgestaltet wird. Dann gibt es sehr viele Straßen, von denen wir meinen, das könnten Fahrradstraßen werden – oder zumindest verkehrsberuhigt. Das ist auch im Radverkehrskonzept der Stadt Monheim schon eingegossen, aber es wird nicht so schnell umgesetzt, wie wir uns das wünschen. Dann betrifft es sehr viele kleinere Sachfragen, zum Beispiel wie ein Radfahrweg oder ein Fahrradstreifen konkret ausgestaltet wird. Aktuell zum Beispiel in Baumberg an der Geschwister-Scholl-Straße, wo es eine Bürgerbeteiligung gab, an der auch der ADFC teilgenommen hat. Fahrradabstellanlagen ist auch so ein Thema. Die Anzahl und die richtige Situation dieser Anlagen sind häufig nicht so gewährleistet, wie wir uns das vorstellen.

Peter Piksa: Danke, dann hätten wir noch Matthias Geuß – Sie sind quasi das Langenfelder Pendant zu Herrn Allmendinger?

Matthias Geuß: Genau. Ich bin seit 2020 beim ADFC im Bereich Verkehrspolitik für Langenfeld tätig. Wir als ADFC setzen uns dafür ein, dass Deutschland und letztlich auch Langenfeld und Monheim Fahrradland werden; dass der Fahrradverkehr mehr Platz bekommt und dass gute Radwege gebaut werden, damit alle Menschen, groß oder klein, komfortabel Rad fahren können. Im Austausch mit den Stadtratsfraktionen und der Stadtverwaltung bringen wir die Interessen der Radfahrer ein.

Gerade in Langenfeld ist in den letzten zwei Jahren – und aktuell auch immer noch - sehr viel passiert. Zwar nicht auf der Straße, aber auf dem Papier wurde sehr viel zusammengeschrieben. Wir achten darauf, dass die Interessen der Radfahrer ausreichend mitberücksichtigt werden, damit auch das Ziel erreicht wird, was sich die Stadt gesetzt hat, den Anteil der Radfahrer deutlich zu steigern.

Peter Piksa: OK. Zeitreise zurück in den Dezember 2022. Da hatten Sie im Rahmen der Ratssitzung den Bürgerantrag gestellt, die Stadt möge der Initiative Lebenswerte Städte beitreten und die Ziele dieser Initiative unterstützen. Was genau bezweckt diese Initiative und weshalb unterstützt der ADFC sie?

Matthias Geuß: Die Initiative verfolgt das Ziel, vom Bundesverkehrsministerium mehr Flexibilität bei der Geschwindigkeitsanordnung in den Städten einzufordern. Derzeit ist die Rechtslage der Straßenverkehrsordnung so, dass es besondere Gründe bedarf um auf Straßen Tempo 30 anzuordnen. Regelgeschwindigkeit ist Tempo 50 und es braucht eine konkrete Gefahrensituation um Tempo 30 anzuordnen. Das könnte sein, dass entweder vermehrt Unfälle auftreten, oder dass eine Schule in unmittelbarer Nähe ist, oder aus Lärmschutzgründen. Das wären die wichtigsten Gründe, mit denen die Stadt Tempo 30 anordnen könnte. Davon abwärts gibt es noch Tempo 30 Zonen für Wohngebiete, aber auf Durchgangs- oder Erschließungsstraßen braucht es also besondere Gründe. Die Initiative fordert, dieses enge Korsett aufzuheben und es den Städten zu überlassen, selbst zu entscheiden, wann Tempo 30 sinnvoll ist.

Peter Piksa: Sie wollen also eine Gesetzesänderung erwirken.

Matthias Geuß: Genau. Es gibt teilweise ja abstruse Situationen. Zum Beispiel in Langenfeld auf der Richrather Straße kreuzt zwei Mal in Abständen von 500 Metern jeweils der Schulweg. Dort ist Tempo 30 angeordnet. Davor und danach gilt Tempo 50. Aufgrund der bestehenden Regelung ist die Stadt daran gehindert, Tempo 30 auf der gesamten Straße anzuwenden, obwohl sie es möglicherweise für sinnvoll halten würde.

Man müsste natürlich fragen: "Was ist denn eigentlich gut an Tempo 50?" Tempo 50 ist ein Verkehrsrisiko für Radfahrer. Unfälle, die bei Tempo 30 passieren, erzeugen deutlich weniger Schwerverletzte als Unfälle bei Tempo 50.

Peter Piksa: Als Sie Ihren Antrag gestellt haben, hatte die Initiative 315 teilnehmende Städte darunter Schwergewichte wie Berlin, Münster, Hannover, Tübingen und Düsseldorf. Inzwischen sind es binnen weniger Wochen über 500 teilnehmende Städte geworden. Wenn es doch jetzt schon so viele Städte sind, weshalb lässt diese Gesetzesänderung noch auf sich warten? Woran hapert es?

Matthias Geuß: Mit der Initiative steigt der Druck auf den Bundesverkehrsminister Wissing. Es ist wie mit vielen anderen Dingen: Es fängt an mit einer Unterschriftenliste und falls sich genügend Menschen gefunden haben, die das Anliegen unterstützen, steigt der Druck auf die Verantwortlichen.

Peter Piksa: Angenommen der Gesetzgeber würde das Gesetz in Ihrem Sinne ändern und angenommen die Städte dürften jetzt Tempo 30 anordnen. Was würde sich ganz konkret für die in Langenfeld lebenden Menschen ändern?

Matthias Geuß: Zunächst einmal gäbe es mit dieser Gesetzesänderung keinen Automatismus. Aber dann hätten die Städte die Möglichkeit, sich konkrete Gedanken darüber zu machen, auf welchen Straßen es sinnvoll wäre, Tempo 50 auf Tempo 30 zu ändern. Von Tempo 30 profitieren eigentlich alle Bürger: Die Radfahrer profitieren, weil sie sich in ruhigerem Fahrwasser bewegen. Die Fußgänger und Anwohner profitieren von weniger Lärmemissionen. Sogar die Autofahrer profitieren. Sie haben zwar Einbußen in der Reisegeschwindigkeit, aber Verkehrsunfälle sind auch für Autofahrer weniger heftig. Insofern führt Tempo 30 zu lebenswerteren Städten für alle.

Peter Piksa: Sprechen wir da nur über die Innenstadt, oder wäre es theoretisch denkbar, Tempo 30 auf das gesamte Stadtgebiet anzuordnen?

Matthias Geuß: Theoretisch wäre das denkbar. Ob das sinnvoll ist, wäre eine andere Frage. Womöglich macht es Sinn, gewisse Straßen bei Tempo 50 zu belassen. Aber diese Entscheidung ist momentan nicht in Hand der Kommunen, sondern durch das Bundesgesetz vorgegeben. Es geht darum, die Entscheidungsmöglichkeit den Kommunen zu überlassen.

Hans Allmendinger: In Monheim ist man beispielsweise den Weg gegangen, dass die Stadt die Kreisstraßen übernommen hat um auch selbst die Regelungen treffen zu dürfen. Das war natürlich der damaligen Haushaltslage der Stadt zu verdanken.

Peter Piksa: Also angenommen das Gesetz wäre bereits geändert gewesen, hätte die Stadt Monheim die betreffenden Straßen dann noch in ihren administrativen Hoheitsbereich übernehmen müssen, oder hätte sie sich diesen Schritt auch sparen können?

Hans Allmendinger: Oftmals ist so eine Aktion eine Straße zu übernehmen, nicht bloß dem Thema Tempo 30 geschuldet – es geht ja auch um gewünschte Umbauten, die der Kreis nicht bezahlen möchte. Aber im Prinzip haben Sie Recht.

Peter Piksa: Seitdem Sie Ihr Anliegen eingereicht haben, ist inzwischen einige Zeit vergangen. Zwischenzeitig hat die Stadtverwaltung eine eigene Stellungnahme veröffentlicht. Neben einigen positiven Aspekten führt die Stadtverwaltung aber auch Bedenken an. So heißt es beispielsweise, Verkehrsteilnehmenden würde durch Tempo 30 „eine Beurteilung der Verkehrssituation erschwert“. Wie bewertet der ADFC diese Äußerung der Stadtverwaltung?

Hans Allmendinger: Wir fordern ja gar nicht, dass flächendeckend Tempo 30 angewandt wird. Das scheint mir ein Missverständnis der Stadtverwaltung zu sein. Es geht nur um die Möglichkeit, dass man eine solche Regelung treffen darf.

Peter Piksa: Würden Sie die Städtische Stellungnahme als eher wohlwollend oder ablehnend interpretieren?

Matthias Geuß: Insgesamt empfiehlt hier die Verwaltung, die Diskussion dieser Bürgeranregung durch die Politik führen zu lassen. Sie selbst hat sich weder klar dafür noch dagegen positioniert. Man muss aber auch klar sehen, dass hier sehr viele Nachteile von Tempo 30 aufgeführt sind. Das wäre wohl bei einer eher sehr wohlwollenden Einschätzung seitens der Verwaltung eher anders ausgefallen. Das von Ihnen herausgepickte Zitat macht es deutlich. Für mich zum Beispiel ist nicht nachvollziehbar, wie ein Verkehrsteilnehmer eine Verkehrssituation nur erschwert beurteilen kann, wenn da ein Tempo-30-Schild steht. Wenn ein solches Schild da steht, dann weiß der Verkehrsteilnehmer „Aha, hier muss ich 30 fahren“. Das kann ich als Gegenargument somit nicht nachvollziehen. Aber wir sind gespannt, wie die Stadtratsfraktionen das einschätzen und auf die kommt es letztlich an.

Peter Piksa: Der ADFC als Interessenvertretung steht ja sicherlich auch im Kontakt mit der Politik. Sie haben möglicherweise auch schon Gespräche geführt. Wie sind denn bis heute im Allgemeinen die Rückmeldungen aus der Politik?

Matthias Geuß: Wir haben es bisweilen mit den Stadtratsfraktionen nicht besprochen. Grundsätzlich will ich davon ausgehen, dass sie diese Initiative begrüßen. Denn letztlich gibt es den Kommunen mehr Möglichkeiten. Es kann aber auch sein, dass sie Tempo 30 generell nicht gut finden und dass sie den Radverkehr und Maßnahmen zur Förderung der Verkehrssicherheit nicht unterstützen möchten. In so einem Fall wäre damit zu rechnen, dass der Antrag abgelehnt wird.

Peter Piksa: Angenommen der Antrag würde angenommen werden - dann wäre Langenfeld die 505. Stadt auf der Liste der Unterstützerinnen. Aber was weiter?

Matthias Geuß: Dann wird es irgendwann die 600. und die 1.000. Stadt geben. Im Moment ist durch die 500 Städte schon ein Drittel der Bevölkerung Deutschlands abgedeckt. Irgendwann wird der Druck auf den Bundesverkehrsminister entsprechend steigen auf dass es zu einer Gesetzesänderung kommt.

Peter Piksa: Das heißt Sie bohren dicke Bretter.

Matthias Geuß: Ja. In der Verkehrspolitik müssen immer dicke Bretter gebohrt werden. Das braucht Zeit und es ist auch nicht dieses Jahr damit zu rechnen, dass davon irgendetwas zu spüren ist.

Peter Piksa: Vielen Dank für das Gespräch.

Weiterführende Links zum Thema:

Autor:

Peter Piksa aus Langenfeld (Rheinland)

Peter Piksa auf Facebook
Peter Piksa auf X (vormals Twitter)
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

2 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.