Modelvertrag trotz Sehbehinderung
Lena lebt ihren Traum

Lena Simons beim Shooting für den Fräulein-Kurvig-Kalender 2024.  | Foto: Olive and Grey Photography
  • Lena Simons beim Shooting für den Fräulein-Kurvig-Kalender 2024.
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Im Dezember ist Lena Simons zum ersten Mal auf dem Catwalk gelaufen - und das, obwohl sie fast nichts sehen kann.

Die 30-Jährige möchte künftig hauptberuflich als Model arbeiten. "Ich habe immer schon gerne Selfies und Fotos mit Freunden gemacht", sagt sie. Vor ein paar Jahren kamen so genannte TFP-Shootings über Instagram hinzu. Das sind Shootings, bei denen Fotograf und Model unentgeltlich zusammenkommen, um Fotos zu machen. Eine Win-Win-Situation, denn der Fotograf erweitert sein Portfolio und das Model erhält Abzüge bzw. Dateien der Fotos. Dabei hat Lena gemerkt, dass ihr das Vor-der-Kamera-stehen viel Spaß macht. Und als sie dann noch von mehreren Fotografen Lob erhielt, entstand die Idee, professionelles Model werden zu wollen.

Lenas Sehnerven sterben ab

Dabei ist der Job für die junge Frau aus Moers ungleich schwieriger, denn sie hat nur eine Sehkraft von fünf Prozent. Angeborene Optikusatrophie, dahinter steht das Absterben von Nervenfasern des Sehnervs, nicht heilbar. "Als Kind hatte ich noch eine Sehkraft von 20 Prozent, aber im Alter von 13 und 23 gab es jeweils eine Verschlechterung", schildert Lena Simons. Auf den ersten Blick fällt den Menschen meist gar nicht auf, dass sie so wenig sieht. "Aber wenn ich dann zum Beispiel mein Handy extrem nah vor mein Gesicht halte, wird schnell klar, dass ich eine Einschränkung habe."

Selbstständiges Leben

Die war für Lena noch nie ein Grund, sich zurückzunehmen oder persönliche Ziele nicht zu verfolgen. Die ersten sechs Schuljahre besuchte sie eine Regelschule. Erst mit der ersten Verschlechterung des Krankheitsbildes wechselte Lena auf eine Blinden- und Sehbehindertenschule. Realschulabschluss, Ausbildung zur Physiotherapeutin und später zur Physiotherapeutin für Hunde folgten. Heute arbeitet sie in ihrem Beruf, lebt alleine mit ihrem Hund und schafft ihren Alltag selbstständig - auch dank vieler Tricks, die sie sich im Laufe der Jahre angeeignet hat. Entsprechend musste Lena nicht lange überlegen, als sie das Angebot erhielt, bei der Fräulein-Kurvig-Gala im Dezember im Zirkus Probst an einem Model-Contest teilzunehmen.

Bewerbung bei Agentur Fräulein Kurvig

Vorangegangen war Monate zuvor Lenas Bewerbung bei der Plus-Size-Agentur Fräulein Kurvig. "Ich hatte ein Interview mit der Gründerin im Fernsehen gesehen. Da habe ich erfahren, dass die Agentur nicht nur für Plus-Size-Größen, sondern auch für Diversität steht." Zwei, drei Wochen reifte die Idee in Lena, dann gab sie sich einen Ruck und bewarb sich als Model für den Fräulein-Kurvig-Kalender 2024. Vier lange Monate hörte sie nichts, hatte die Hoffnung schon aufgegeben, als dann doch eine Einladung zum Casting erfolgte.

Lena auf dem Kalenderblatt April

Die Moerserin setzte sich unter circa 100 Teilnehmern durch und ziert nun den Monat April des neuen Kalenders. "Ich habe als Feedback bekommen, dass ich eine positive Ausstrahlung habe und mich so akzeptiere, wie ich bin. Das bringe ich auf Fotos gut rüber." Mit dieser Haltung überzeugte sie die Jury und schaffte es in den Kalender. "Auch mit Behinderung kann man hübsch sein und etwas aus sich machen", ist Lenas Message. Sie macht anderen Mut: "Du kannst dein Ziel erreichen, lass dich nicht ausbremsen."

Shooting im "Kleinen Roten" und mit Blindenstock

Und so fuhr sie wie selbstverständlich alleine mit dem Zug nach Köln, wo in einem Pop-Up-Museum das Kalendershooting stattfand. Im "kleinen Roten", einen Blindenstock in der Hand, war die Aufgabe, 100 Prozent "Bodypositivity" rüberzubringen, also die Akzeptanz des eigenen Körpers, wie er eben ist. Für Lena keine große Aufgabe. Nach sieben Minuten war das Bild im Kasten, erzählt sie. Dennoch hat sie das Shooting als "emotional anstrengend" erlebt, weil sie zu 100 Prozent abliefern wollte. Das war auch ihr Ziel bei dem Contest im Dezember.

Zum ersten Mal auf dem Catwalk

Dort galt es, zusammen mit 23 anderen Kandidaten unter anderem Brautmode zu präsentieren. In der Manege des Zirkus, also auf unebenem Untergrund. Für Lena eine besondere Herausforderung, die sie aber annahm. Im Publikum begutachtete unter anderem Sarah Knappik die Nachwuchs-Models.

Modelvertrag in der Tasche

Unter die drei Erstplatzierten, denen als Preis ein Modelvertrag winkte, schaffte die 30-Jährige es am Ende nicht. Sie brauchte ein bisschen mehr Geduld, aber schließlich kam er noch, der so erhoffte Anruf. Lena wird in die Modelkartei der Agentur Fräulein Kurvig aufgenommen. Die junge Frau ist überzeugt: "Ob mit Behinderung oder ohne: Du kannst genauso erfolgreich sein!"

Autor:

Miriam Dabitsch aus Velbert

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