Schall von Bell
Der Kölsche Mandarin aus Lüftelberg

Foto: Franz B. Firla
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Der Kölsche Mandarin aus Lüftelberg

Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich „Schall von Bell“ für den etwas kümmerlichen Versuch eines radebrechenden Ausländers gehalten, eine nächtliche Ruhrstörung durch einen Hund zu beschreiben oder auch für das Gekrächze des  Telefonerfinders Bell. Eine rheinische Berühmtheit dieses Namens, dazu noch aus dem engsten Umkreis gleich mehrerer Kaiser von China, wäre mir dazu nicht eingefallen. Ich nehme an, dass es nur wenige gibt, denen das jetzt nicht so ergeht. Der Name taucht einfach nicht auf unter den Großen dieser Welt. Mag sein, weil er Jesuit war, mag sein, weil er fernab in China wirkte.
Dabei liest sich seine Geschichte spannend wie ein Kriminalroman und sein wissenschaftliches Werk ist für China ebenso bedeutend wie das von Zeitgenosse Galilei für Europa.
Tang Ruowang (auch: Tang  Jowang), so sein chinesischer Name, wurde als Johann Adam Schall von Bell in Köln oder aber in Lüftelberg bei Bonn geboren. Ebenda gibt es ein etwas versteckt liegendes Wasserschloss, das seiner adeligen Familie aus altem Rittergeschlecht gehörte. Zur Zeit Johann Adams - geb. 1592- lebte die Familie vorwiegend in ihrer Kölner Stadtwohnung. Deshalb werden Köln und Lüftelberg beide als wahrscheinliche Geburtsorte genannt.

Jedenfalls ging er in Köln in die Schule und zwar ins Dreikönigsgymnasium in der Marzellenstraße.
Später studierte er in Rom Mathematik und Astronomie und trat in den Jesuitenorden ein. Er war ein Fan von Galilei, der zu dieser Zeit gerade sein Fernrohr präsentierte. Und er wollte unbedingt nach China. Da waren schon ein paar Jesuiten als Missionare vor ihm tätig. 1618 war er mit ein paar Kollegen an der Reihe. In Europa begann der 30jährige Krieg.

So eine Weltreise begann damals in Lissabon und ging zunächst nach Indien, von dort aus mit Unterbrechungen nach Macao. Das war der Stützpunkt der Portugiesen. Die bekamen damals gerade heftige Konkurrenz durch die Holländer. Macao wurde von ihnen beschossen und geriet in Not, weil die alten Kanonen nicht mehr funktionierten. Und wer hat sie repariert? Natürlich der Jesuitenpater und Missionar Johann Adam Schall von Bell. Man kann heute noch einige davon besichtigen. Durch die Übersetzung mehrerer europäischer Militärfachbücher ins Chinesische galt er am Kaiserhof zunächst als Militärexperte und wurde vom Kriegsminister dort eingeführt. Später hat er auf Befehl des Kaisers sogar selbstkonstruierte Kanonen, nicht ohne vor jedem Gießen Jesus Christus an einem eigens dafür aufgestellten Altar zu danken.

Nun hatten die Missionare ja eigentlich eine ganz andere, geradezu gegenteilige Aufgabe, könnte man meinen. Aber genau das entsprach dem Grundsatz der Jesuiten, durch überzeugende Hilfe im praktischen Leben, die Menschen für die Bekehrung bereit zu machen. Zu seiner „Ehrenrettung“ möchte ich betonen, dass er auch ein Klavizymbel, (Klavier),welches sein Vorgänger Ricci einmal dem Kaiser geschenkt hatt und nun in der Schatzkammer vergammelte, auf Wunsch des Kaisers wieder herrichtete. Sein größtes Plus aber war die Astronomie. Und 3zwar besonders die Fähigkeit, Sonnen- und Mondfinsternisse exakt vorauszuberechnen und damit auch einen Kalender zu ermöglichen. Für das Ansehen des Kaisers von China war es überaus wichtig, dass er dem Volk z.B. eine Mondfinsternis genau ankündigen konnte und damit seine Weisheit als Herrscher des Himmels für alle sichtbar zu machen. Natürlich musste der Kirchenmann aufpassen, dass er der bis heute existenten chinesischen Schwäche für persönliche Horoskope, personalisierte Sterndeutungen sozusagen, nicht allzu sehr nachgab. Damals waren aber die Grenzen zwischen Astrologie und Astronomie noch nirgends scharf gezogen.

Schall von Bells größtes Werk war die Reform des chinesischen Kalenders (1644), und diese behielt bis 1912 (!) ihre Gültigkeit. Er arbeitete für den letzten Kaiser der Ming-Dynastie und den ersten Mandschu-Kaiser Shunzhi, dem er ein väterlicher Freund und Berater in vielen Dingen war.
Shunzi machte ihn zum Mandarin 1. Klasse, sozusagen zum Staatssekretär. Sein astronomisches Institut mit den von ihm konstruierten Geräten lag in der Verbotenen Stadt. Nur eins gelang Tang Ruowang nicht, einen Kaiser von China zum Christentum zu bekehren. Dafür aber bekehrte er eine Reihe von Eunuchen und Palastdamen, die die verbotene Stadt allerdings nicht verlassen durften, um in der Kirche, die er mit Unterstützung des Kaisers gebaut hatte, die Sakramente zu empfangen. Im Übrigen hatte er in Peking eine ansehnliche Gemeinde und vernachlässigte nie seine Missionsaufgabe.

Er gilt bis heute als ehrlicher Vermittler zwischen der europäischen und chinesischen Kultur.
Natürlich gab es Neider, die den „Trick“ der Jesuiten öffentlich brandmarkten und beim Übergang von einem zum anderen Kaiser zeitweilig die Oberhand bekamen und Schall von Bell im Alter noch zum Tode durch Zerstückelung bei lebendigem Leibe verurteilten. Ein Komet rettete ihn, weil er als Zeichen galt, dass seine Verurteilung vom Himmel nicht erwünscht war.
Wenig später starb der schon kranke kölsche Mandarin. Sein Grabmal kann man in Peking besichtigen.

In Deutschland gibt es zwei Denkmäler. Das eine steht in Lüftelberg an einer Straßenkurve (siehe Bild). Es trägt unten in Chinesisch und Deutsch die Bezeichnung: „Die Geheimnisse des Himmels ergründender Lehrer“
Das andere Denkmal steht in Köln an der Minoritenkirche, zwar mit einer erklärenden Bodenplatte, aber ansonsten gespensterhaft und stark verwittert, obwohl erst 1992 aufgestellt. Da war nämlich der 400. Geburtstag von Johann Adam Schall von Bell.
Vor dem Krieg soll mal eins vor dem Wallraff-Richards-Museum gestanden haben. Wer davon ein Bild hat, bitte melden!

Zwei biographische Romane habe ich gelesen:

1. Wilhelm Hürlimann "Der Mandarin des Himmels", 180 Seiten
2. Uli Franz "Im Schatten des Himmels", 630 Seiten

Im letzteren bekennt der 14jährige Knabe: "Ich komme von Lüftelberg bei Rheinbach!"
Und das Heimatdorf der Familie bildet die Kulisse beim Begräbnis seines Vaters Heinrich Degenhardt Freiherr Schall von Bell, der um das Kölner Pestjahr 1607 verstarb.

Beide fußen auf Alfons Väths: "Johann Adam Schall von Bell SJ" von 1933, in dem sich der Autor an die Fakten hält und Schall von Bells eigene Biographie "Historia" zitiert.

Und wer sich ausführlicher informieren möchte: Im Internet erhält man relativ viele Hinweise auf Lebensbeschreibungen, Filme und Fotos.

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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