Corona - Eierpicken
Eierpicke op Poosche - Eiertitschen zu Ostern

Ein alter internationaler Osterbrauch brachte einst die Mülheimer in Bewegung

Mit Maske und ausgestrecktem Arm wäre das bescheidene Ritual für jeden auch aktuell möglich!

Zunächst ein Erfahrungsbericht aus der Schweiz:

„Bei uns auf dem Dorfe besteht von alters her die Sitte des Eiertätschens. Man tatscht gefärbte Eier Bug gegen Bug und Spitz gegen Spitz, und der, dessen Ei dabei ganz bleibt, gewinnt das gesprungene Ei des Gegners. Zu diesem Zwecke kocht man die Eier stundenlang, damit sie recht hart werden. Davon halten sie besser, und außerdem verdirbt sich der glückliche Gewinner den Magen daran, Ganz schlaue blasen die Eier vorher aus und füllen sie mit Gips; doch dabei darf man sich nicht erwischen lassen, sonst gibt’s Schläge. Letzte Ostern gewann ich mit einem roten Gips-Ei 14 harte Eier, aber der Heiri von der Schmiede hatte schon 18 gewonnen, und als er nun zu mir kam um zu tatschen, wollte ich vorsichtshalber lieber ein blaues Hühnerei nehmen. Aber der Heiri wollte absolut mit dem roten Glücksei tatschen und anstandshalber konnte ich nicht anders. Dabei ging mein Ei in Stücke und, als der Gips herauskam, sagte der Heiri, das sei ein Beschiss. Da ich in dem Augenblick nicht wusste was ich dagegen sagen sollte, kamen wir ins Raufen. Dabei kam Heiris Ei ins Gleiten und schlug hart auf den Boden. Aber es blieb ganz. Dafür nahm dann der Heiri erheblichen Schaden“. E.H.

Alle nennen die Eispitze auch Spitz oder Spitze; interessant wird es sprachlich aber beim anderen Ende: Viele Berichte umschreiben es elegant mit „runde Seite“. Aber manche schauen doch dem Ostervolk ehrlich auf’s Maul: Maaß, Gupf, Stumpf, Arsch, Füdle oder Bug (Schweiz). Und auf Schwäbisch heißt das ganze Ritual nunmal: Spitzarschen!
Bei uns sagt man „Eierpicken“ oder echt Rheinisch „Eiertitschen“.   

Lange war mir nicht klar, ob es das auch in Mülheim gegeben hat. Manche sagten so, andere sagten so.
Vor kurzem erst sah ich einen Zeitungsausschnitt vom 29.04.1904. Hermann van Pannekukes - Erv (Pfannkuchen-Erbe), wohl ein Pseudonym des Platt-Rubrik-Verfassers, schrieb in der „Mülheimer Zeitung“  von der Eppinghofer Bahn in Dümpten, wo sich die Menschen zu Ostern in Scharen zum Eierpicken getroffen hätten:

„Wie ick gehuart häp, hewwe ßich en Potiuan Junges bene-in gedon üm op Poosche, wie et frür Muade wuar, dat Eier-Picken wir indeführe. In frühere Johre stunt an der Aewekövsche Bahn bie Dümpel an der Bude op Poosche alles schwatt va Minsche, alles wuar am Eier picke oder kiek tu. Sö wes picke ßu chink dat dä chanzen liewen Dag un et wuar mitouner e chanz fürchterleg Gedränge dat manch einem de Bräu ut de Jupp un Bukschentasche herut liep, den kuam mitouner vüer dat e-ine en aunerhalv bis twie Dutzend geknickte Eier gewunnen hat un ßine Newemann üm op de Taschen düede dat die chanze Bescheerung an Pländer utere-in chink. Wen de Kirken ut chink da kus me die geknickte Eier los wäde. In en Schnufdückske dreide sich de Wiewer dan en Dutzend in un haden en billige Moltied, den vör drieenhalve büs höchstens vier Grosche chuav et do en Dutzend statse frische Eier un dan bowendrin noch extra fein gefärv. Miar ka me nie verlange“.
(Anmerkung: bis auf die gelegentliche Trennung von ei zu e-i gibt diese Abschrift den Zeitungsartikel korrekt wieder, auch wenn heute vieles fehlerhaft erscheint)

Ein informatives Dokument aus Rheinberg erklärt uns weitere Details:
Eierpecke
Aus: „Dagwieser“ 1930 (Zeitung in Rheinberg, F.F.)

Wat häbbe det Johr, 1930, op Posse Kinder on Groote wer vööl Freud gehat!
Dor stöhn op Soterdag in et Rhinberkse Blatt, dat sej in Rhinberk op de Määrt
wer Eier pecken deije wie in fruggeren Tid, on, weil Possemondag det Johr
op den ersten Aprel fiel, glöwne völ Lüj, man woll sej vor de Geck halde. Mar
näh!, die Kinder in Rhinberk hadde well begreepe, dat die Börgers van de
Sprookverein, an de Spetz den Sanitätsrat Dokter Schmitz, nit van et Lüge
tüß sind.
So wore sej allemol dor on hadde hattgekokte Eier in öhr Tasche: roje, grüne,
blaue, vilette, gäle, wette on bontgefärwte. On rechteg, dor kome sej all an,
Ohmen Hendrek met die Heere van de Sprookverein, on sej drugge in öhr
Tasche ock Eier wie all die Kinder.
Nau koß dat Eierpecke loßgohn. Wat ging et dorher! Äwer, - et verliep genau
na de Regel.
Woröm ging et dann eigentlich bej dat Eierpecke? Nau, - dat ös ganz einfach:
Die Eier wurdne Spetz täge Spetz geschlohn, bös dat een van die twee inge-
dötz oder gebroke wor. Genau so wurd dat met die stompe, andere Sitt van
dat Ei gemak, die Maaß hittne. Dat ingedötzte oder gebrokene Ei muß an den
„Tägespööler" afgegäwe werde. So hat den eene sin gebrokene Ei verlore, on
den andere hat et gewonne.
Ganz kort hitt'ne die Regel: Spetz op Spetz - Maaß op Maaß - gebrokene Eier
afgäwe!
Jederenne miek et so schlau wie Meister Kessenboom: Ers dat Ei an de Mau
afputze, dann vörsechteg on saachskes an die Tand tippe, dorbej äwer een
Ohr tuhalde, dann koß mer nämlek gut höre, off dat Ei hatt oder week wor.
Wenn me dat Ei van den „Tagespöler" tu hatt hiel, dann flöttne man op dat
Pecke met öm.
Jo, - so ging dat op de Määrt in Rhinberk tu; bald wore Eier verlore, bald ock
wer gewönne. Et wor en herrlek Spööl, on et soog üt wie op de Feileng in Moers.
Die Kinder lachne on hadde grote Freud dorbej.
Dor woren äwer ock enkelde, die versükne, met en Posselinnenei tu pecke.
Die häbbe gefudelt. Dat sech die Jonges nit bej de Kopp kreege, dat wor et all.
Äwer, man mot ehrlek bliewe, ock bej et Eierpecke.
On nau, - een Johr wier, wenn wer Posse ös, on die Posseier gut geroje sind,
dann komme wej Lüj van de Sprookverein wer na de Määrt, öm ow all Freud
tu maake.
Dann hitt et wer: Spetz op Spetz, - Maaß op Maaß! Gebroke Eier afgäwe!

Wie das nun unter Corona-Bedingungen geht, zeigt das Bild der beiden Eiersachverständigen
aus Saarn. Wir wünschen „Frohe Ostern“ und hoffen auf viele Nachahmer.

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

25 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.