"Künstler sollten nicht spinnen" - Josef Baron(97) blickt auf sein Lebenswerk

Aus Trümmern Neues zu erschaffen oder zwischen den Welten zu wandeln; Die bislang letzte Figur von Josef Baron gibt Raum für Interpretationen, wie sein gesamtes Lebenswerk.
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  • Aus Trümmern Neues zu erschaffen oder zwischen den Welten zu wandeln; Die bislang letzte Figur von Josef Baron gibt Raum für Interpretationen, wie sein gesamtes Lebenswerk.
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Seine Skulpturen in Stein oder Bronze finden sich in Kirchen, Krankenhäusern, Rathäusern und auf öffentlichen Plätzen. Häufig Mahnmale gegen den Krieg. Nach persönlichen Nöten und Erlebnissen des Zweiten Weltkrieg fand Josef Baron zu seinem Metier, aus dem ein umfassendes Lebenswerk entstand. Im Alter von 97 Jahren hat der bekannte Unnaer Alt-Künstler eine Botschaft für heutige Kreative, die sich der darstellenden Kunstrichtung widmen.

Seine bisher letzte Figur zeigt einen gebückten Menschen, rechts und links eine Steinplatte. "Zwischen den Elementen", das sei er auch selbst, erklärt Josef Baron. Bei unserem Besuch führt er uns direkt in sein Atelier hinter seinem Haus in Hemmerde. Der Werktisch ist über und über mit Kleinskulpturen bedeckt. Menschen, Tiere, märchenhafte Darstellungen, mal dezent in braun, meist farbig, wie sie später kaum in der Realität aussahen. In seinem Arbeitsraum war er bis vor sieben Jahren tätig. Der Mann zwischen den Steinplatten, es könnte das Abbild einer Auferstehung aus den Trümmern sein. Der 1920 in Oberschlesien geborene Josef Baron hat seine Geburtststadt in der Nähe des Wallfahrtsortes Annaberg nie besucht. Die Ausbildung bei einer Hamburger Reederei führt in nach Kapstadt/Afrika, drei Jahre. Bei Ausbruch des Krieges wurde er zur Armee einzogen. "Als Soldat erlebte ich die Invasion in der Normandie mit. In der Festungslinie konnten wir uns nicht lange halten und waren ständig auf der Flucht." Er geriet in Kriegsgefangenschaft, wurde erst 1947 entlassen. Die schlimmste Erinnerung sei Adolf Hitler gewesen, der den Kindern Gesicht und Hand getätschelt habe. Es waren wohl auch die Nöte und Erlebnisse des Krieges, die aus seinem Hobby, dem Zeichnen, einen Beruf werden ließen. Nach einer handwerklichen Kunstausbildung in Flensburg wurde Josef Baron an der Staatl. Kunstakademie in Düsseldorf angenommen, wenn auch erst im zweiten Anlauf. "Für mich wurde klar Künstler zu werden." Unter seinen Kommilitonen war auch Joseph Beuys. Über ihn sagt er:"Der spielte häufig verrückt, wollte auffallen um jeden Preis." Aber von seiner Botschaft fühlten sich viele angesprochen damals. Das käme heute nicht mehr in Frage. Die Zeit sei heute nicht mehr für Botschaften, für Installationen wie früher schon gar nicht.

Schnörkellos

Im Studium der Bildhauerei entwickelte Baron seinen Blick auf Kunstwerke. "Nicht verspielt, klare Aussagen sollten meine Werke immer haben, keine Verspieltheiten." Im Studium wirkte er bereits an den Türen am Südportal des Kölner Doms mit, sein erster Auftrag von der Kirche. Und eine "goldene Zeit" sei für ihn in den 60er Jahren angebrochen. Das 2. Vatikanische Konzil führte zu Ergänzungen und Umbauten in den Gotteshäusern vieler Länder. Den Anfang machte die Wallfahrtsbasilika in Werl. Die Gestaltung erregte Aufsehen, der Durchbruch für Josef Baron. In Kairo, Kuala-Lumpur, Papua Neuguinea, Malaysia, auf fünf Kontinenten sind seine Sakralskulpturen verteilt. "Neu war die Zuwendung zum Volke hin", erinnert sich Baron. Erste Entwürfe stellte er in den 50er und 60er Jahren in Holz her, woraus Werke in Gips entstanden. "Aber die waren anfällig für Beschädigungen." Daher stieg er auf Bronze um, dank des Wachsausschnittsverfahrens konnte man die Skulpturen beliebig häufig gießen.

Dorfbildhauer

In Unna-Hemmerde bot ihm 1952 ein Architekt einen Arbeitsplatz, der Wohnort wuchs ihm sofort ans Herz. Neben der Arbeit im Planungsbüro gestaltete er einen Taufstein für die Ev. Pfarrkirche. Es folgten u.a. Arbeiten für den Eingang der Katharinenkirche Unna und die Ev. Stadtkirche sowie der Friedensstein im Unnaer Rathaus. Figuren für die Stadtkirche erarbeitete er noch im Jahr 2007. Am geläufigsten dürfte jedoch der Eselbrunnen auf dem Marktplatz der Hellwegstadt sein. Für ihn wollte er keine zeitgenössische Darstellung, etwa mit Hut, sondern eine neue Form. "Ich wollte nicht in die bäuerliche Schiene gebracht werden." Baron legte mehrere Entwürfe vor, eine Figur stand zuvor im Stadtgarten Unna, etwa am Standort der heutigen Hauptstelle der Sparkasse Unna/Kamen. Sie fand sehr viel Anklang und ebnete den Weg zur Aufstellung des Eselbrunnens 1978.
Obgleich er gemeinsam mit Ernst Oldenburg, Carlernst Kürten und Wilhelm Buschschulte ein Mitglied des Künstlerquartett OKBB in Unna ist, blieb Baron bescheiden. Nicht mehr als ein "Dorfbildhauer" sei er. Über die Botschaft seiner Arbeit sagt Baron selbst: "Das Umgestalten war mir wichtig, zum Gelingen gehört auch das Schweitern." Am Ernst-Barlach-Gymnasium macht die Skulptur des Ikarus aus der griechischen Mythologie genau darauf aufmerksam. Ein Lichtkunst-Projekt mit Schülern setzte die Figur kürzlich in buntes Licht und lenkte die Aufmerksamkeit darauf.
Nicht zuletzt sei es auch Broterwerb gewesen. "Alle vier Söhne haben studiert und sind in der Werbung und als Mediziner tätig."

Nicht spinnen

Im seinem Atelier in Hemmerde war der an Makuladegeneration (Erblindung) erkrankte Künstler bis vor sieben Jahren täglich kreativ tätig. Eine seiner letzten Figuren ist eine Darstellung von Mutter und Sohn, die im Katharinen-Hospital aufgestellt ist. Und Baron gibt offen zu: "Die gleiche Skulptur habe ich nochmals dargestellt auf meinem eigenen Grabmal." Künstlern heute gibt er einen Tipp: "Nicht so viel spinnen, nicht denken man könne ganz eigene Wege gehen und davon leben. Man muss auf dem Teppich bleiben. Im figürlichen Arbeiten liegt die Zukunft."

Autor:

Stefan Reimet aus Holzwickede

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