Dortmund: Haushalt 2015 abgelehnt - Hier ist die Haushaltsrede

Eingang zum Ratssaal der Stadt Dortmund.
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In der Ratssitzung am 19. Februar 2015 ist der Haushalt der Stadt Dortmund mit den Stimmen der "Großen Koalition" von SPD und CDU verabschiedet worden. Die Fraktion DIE LINKE & PIRATEN jedoch hat den Haushalt abgelehnt. Die Gründe dafür hat Utz Kowalewski, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE & PIRATEN, ausführlich in seiner Haushaltsrede dargestellt. Hier ist die durchaus lesenswerte Rede:

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich halte gleich zu Beginn fest, dass wir als Linke & Piraten in diesen Haushaltsberatungen ausgesprochen konstruktiv und sachorientiert vorgegangen sind. Von 138 Abstimmungen im Finanzausschuss waren wir 87-mal auf der Gewinnerseite. Bei 13 Abstimmungen waren wir das Zünglein an der Waage und konnten über Wohl und Wehe von Haushaltsanträgen anderer Fraktionen entscheiden. Dabei haben wir sowohl Anträgen von SPD, CDU und Grünen zustimmen können. Auch einem Antrag von FDP/Bürgerliste, der allerdings keine Mehrheit erhalten hat. 4 Anträge unserer Fraktion haben eine Mehrheit erhalten. Drei weitere wurden vertagt. Allerdings – wie schon bei früheren Haushaltsberatungen sind die großen richtungweisenden Entscheidungen wieder von der großen Haushaltskoalition aus SPD und CDU getroffen worden. Und wie bereits zuvor ist diese Richtung falsch.

Sachpolitik wird den Bilanzen untergeordnet

Der Haushaltsplan der Stadt Dortmund strebt ein Defizit von 74,4 Mio. Euro an. Das sind 10,4 Mio. Euro unterhalb der 5 Prozent-Hürde zur Haushaltssicherung. Wir müssen uns also auch in diesem Jahr darauf einstellen, unterjährig mit Bewirtschaftungsmaßnahmen der Kämmerei konfrontiert zu werden, weil der Haushaltsplan auch in diesem Jahr nicht für ein ganzes Jahr tragfähig ist. Auch in diesem Jahr wird die Sachpolitik, also das was für die Stadt und ihre Menschen eigentlich erstrebenswert wäre, den Bilanzen untergeordnet. Einen Unterschied zu den vergangenen Jahren gibt es aber – es wird nicht mehr so getan, als sei der dunkle Tunnel schon fast durchquert und man könne das Tageslicht bereits sehen. Denn die mittelfristige Finanzplanung seit 2009 war durchgängig finanzmathematische Lyrik und ist bisher in keinem einzigen Fall so eingetreten.

Da stellt sich die Frage nach einer ganz anderen Art von Bilanz: Was hat sich eigentlich durch die Politik der beiden großen Fraktionen in den letzten Jahren in Dortmund verbessert? Seit dem Scheitern der Rot-Grünen Koalition am Ende der Ära Langemeyer mit seinem abschließenden Finanzchaos bestimmen ja SPD und CDU gemeinsam bei allen wesentlichen größeren Fragen die Politik der Stadt.

Dortmund ist Deutschlands Hauptstadt der prekären Arbeit

Schauen wir auf die soziale Situation. Was ist besser geworden seit 2009 durch die Politik von SPD und CDU? Ich kann da nichts erkennen: Dortmund ist bundesweiter Spitzenreiter bei nahezu allen Sozialindizes: bei der Kinderarmut - wo weite Teile der Jugend zurückgelassen wurden -, beim geringen Durchschnittseinkommen der Bevölkerung oder beim Armutsrisiko. Die Schlangen an den Nahrungsmitteltafeln sind lang. Für immer mehr Menschen reichen die staatlichen Hilfen nicht mehr zur Ernährung aus. Immer mehr sind sogar auf die Suppenküche angewiesen. Ein Grund kann dafür auch sein, dass Dortmund immer noch Deutschlands Hauptstadt der prekären Arbeit ist. Und die Stadt Dortmund geht mit einigen tariflosen unterbezahlten Bereichen in ihren Beteiligungsunternehmen hier mit schlechtem Beispiel vorweg.

Für immer mehr Leute reicht das Geld auch zum Bezahlen der hohen Energiekosten kaum noch aus. In Dortmund gibt es mehr Abschaltungen von Strom, Gas oder Wasser als in anderen Kommunen der Region. Energiearmut ist in Dortmund ein Thema.

Und wie reagieren Sie darauf? Sie bestätigten im Dezember den energiepolitischen Kurs und bleiben in der DEW mit dem strauchelndem Atom- und Braunkohlekonzern RWE eng verbunden. Der von RWE gestellte Geschäftsführer bei DEW erhält sogar weitere Kompetenzen hinzu. Und sie vereinbaren RWE zuliebe höhere Ausschüttungen aus den Energiegewinnen bei DEW. Also Energiearmut bei den Verbrauchern und höhere Ausschüttungen für die Gesellschafter.

Kleines Trostpflaster: Mit den Stimmen von CDU, Grünen sowie LINKEN & PIRATEN bleibt der Energiesparservice des Caritasverbandes erhalten, der wenigstens einen kleinen Beitrag dazu liefert, bei einkommensschwachen Menschen die Energiekosten zu senken, und der sehr erfolgreich zum Klimaschutz beiträgt.

Straßennetz verfällt

Was ist besser geworden bei der Infrastruktur durch die Politik von SPD und CDU in den letzten Jahren? Ist der Zustand der Straßen etwa besser geworden? 2012 haben Sie das Budget für die Instandhaltung der Straßen halbiert und reagieren bis heute nur halbherzig auf das seitdem verfallende Straßennetz.

Bei den städtischen Gebäuden sieht es nicht viel besser aus.

Das Kanalsystem haben Sie 2013 in einen Eigenbetrieb ausgegliedert. Versprochen haben Sie Gebührenstabilität. Bekommen haben die Bürgerinnen und Bürger Gebührenerhöhungen. Schauen wir mal, ob denn wenigstens dort der Investitionsstau abgearbeitet wird.

Wie verlief die Entwicklung durch die Politik von SPD und CDU auf dem Wohnungsmarkt? Nachdem dieser lange entspannt war, zeigen sich immer mehr Anspannungstendenzen für Menschen mit niedrigem Einkommen. Große Wohnungsbestände meist in den nördlichen Stadtteilen sind zudem in einem erschreckenden Zustand. Und wie reagieren Sie darauf: Sie erhöhen nun zum zweiten Mal nach 2012 die Grundsteuer, die nicht nur Eigentümer trifft, sondern vor allem auch die Mieterinnen und Mieter in Dortmund. Und hier werden natürlich die Menschen mit niedrigem Einkommen härter getroffen als Menschen mit höherem Einkommen. Unsere Alternative dazu war es, die Gewerbesteuer sanft nach oben anzupassen.

Nein, meine Damen und Herren, Sie hatten in den letzten Jahren für die entscheidenden Probleme der Stadt keine Lösungen. Sie waren nicht in der Lage, für alle Menschen in der Stadt die Grundbedürfnisse so zu erfüllen, wie es diese zu recht eigentlich erwarten können.

Erste zarte Ansätze, den eingeschlagenen Kurs zu ändern, zeigten sich allerdings inzwischen auch mit anderen Mehrheiten. Die von den LINKEN gebetsmühlenartig gepredigte Forderung nach einem öffentlichen Beschäftigungssektor wird allmählich in diesem Rat mehrheitsfähig. Dass der Finanzausschuss dem Rat nun mit den Stimmen von SPD, Grünen und der Fraktion DIE LINKE & PIRATEN empfiehlt, die Maßnahmen der kommunalen Arbeitsmarktstrategie mit weiteren 500.000 Euro auszustatten, ist ein weiterer kleiner Schritt in die richtige Richtung. Ebenso richtig war es im letzten Jahr ebenfalls mit Rot-Rot-Grüner Mehrheit zu beschließen in neuen Wohnbausiedlungen 25 Prozent sozialen Wohnungsbau vorzusehen.

Und es war ebenso richtig, sich in diesen Haushaltsberatungen einem Großteil der von der Verwaltung vorgeschlagenen Kürzungen zu verweigern. Allen voran der Versuch der Verwaltung die Zahl der Ausbildungsplätze zu kürzen und Teile der städtischen Gebäudereinigung zu privatisieren.

Unser Antrag die Zahl der Ausbildungsplätze wenigstens auf den Bundesdurchschnitt der ausbildenden Betriebe in Deutschland anzuheben, musste aufgrund eines Einwandes der Kämmerei zurückgestellt werden, der aussagte, dass Dortmund bereits eine überdurchschnittliche Ausbildungsquote von satten 6,6 Prozent habe. Nachfragen nach der Berechnungsgrundlage konnte die Verwaltung allerdings nicht beantworten.

Wir haben diese Behauptung inzwischen nachgeprüft. Das Ergebnis: Dortmund bildet in der Tat klar unterhalb des Bundesdurchschnitts aus. 2013 gab es eine Ausbildungsquote von 4,5 Prozent gemessen an der Zahl der Beschäftigten, für 2014 sind es knapp 5 Prozent. Daher steht der im Finanzausschuss zur Klärung der Datenlage noch zurückgestellte Antrag heute nachträglich noch zur Abstimmung in der Hoffnung, dass man tatsächlich etwas für die Jugend tun möchte und den demografischen Problemen der Stadtverwaltung entgegen wirken möchte.

Auch die wirklich augenfällige sozialräumliche Spaltung der Stadt in einen gutsituierten Süden und einen armen Norden scheint langsam realisiert zu werden. Wir begrüßen daher, wenn die Stadtspitze mit dem Projekt "nordwärts" sich dieser Fehlentwicklung annehmen möchte. Auch wenn bisher jenseits des wohlklingenden Namens noch nichts Konzeptionelles an die Öffentlichkeit gedrungen ist.

Wie sollen 60 Mio. Euro gespart werden?

Doch dass es sich nur um erste zarte Pflänzchen handelt zeigt dann auch der Kern des diesjährigen Haushaltsbeschlusses. Die SPD möchte in den nächsten 4 Jahren 50 Mio. Euro wegkürzen. Die CDU sogar 60 Mio. Euro. Verbunden wurde die Zustimmung der CDU zum Haushalt mit der Forderung nach einer öffentlichen Unterwerfungsgeste des Oberbürgermeisters sich endlich hinter diese Kürzungspolitik der CDU zu stellen. Denn dort - so wohl die CDU Wahrnehmung - gibt es gegen Kürzungsarien auch einen gewissen Widerstand. Nun konnte man die Hoffnung haben, dass der OB standhaft bleibt und auf einen Kotau gegenüber der CDU verzichtet. Denn einen schwachen Staat kann sich nur der Vermögende leisten. "Privat vor Staat" führt zu Reichtum bei wenigen und zu Armut bei vielen. Leider hielt diese kurze Hoffnung nicht lange.

60 Mio. Euro auf der Ausgabenseite der Verwaltung wegzukürzen ist gewaltig. Zum Vergleich führe ich das immer wieder vom Kämmerer gern verwendete Beispiel an, einfach mal den kompletten Kulturbereich stillzulegen. Das würde 70 Mio. Euro bringen. Dann wäre der Beschluss erfüllt. Dann wäre aber alles, was in Dortmund als Hochkultur zu betrachten ist, weg. Das zeigt die destruktive Dimension, mit der Sie nun der Verwaltung ans Leder wollen. Und dass Sie das wollen, machen Sie ja mit dem Festhalten des Kürzungsbeschlusses von jährlichen 2 Prozent am steuerbaren Personalbudget und auch mit dem Beschluss einer die Kürzungen begleitenden Personalfluktuationsanalyse überdeutlich.

Dass die Haushaltssicherung nicht erstrebenswert ist, teile ich durchaus. Aber den Weg, die Kürzungen die durch eine Haushaltssicherung hervorgerufen würden, selbst in vorauseilendem Gehorsam vorwegzunehmen, halten wir für falsch. Denn eine Lösung für die Probleme im finanziellen Bereich ist das Streichen und Kürzen eben genau nicht. Das ist nur ein Durchwurschteln in der Hoffnung auf bessere Tage, die aber eben nicht in Sicht sind. Dazu müsste die Gemeindefinanzierung auf neue Füße gestellt werden. Bis es so weit ist, bleibt Dortmund in der Vergeblichkeitsfalle. Die Sozialkosten erhöhen sich stetig, die Krise in der Stadt ist hartnäckig und dagegen durch Kürzungen anzusparen ist tatsächlich kontraproduktiv und krisenverstärkend.

Die Sparaxt soll es richten

Ganz ehrlich – wenn man die Resolution der SPD liest, passt das zum erneut unter anderem Etikett eingeschlagenen Weg der Kürzungen überhaupt nicht. Verbales für das Publikum, aber konkret soll es die Sparaxt richten. In der Resolution steht zum Konnexitätsprinzip Richtiges und die urlinke Forderung nach der Wiedereinführung der Vermögenssteuer ebenfalls. Dem haben wir natürlich zugestimmt. Konsequenterweise haben Sie unseren Anträgen zu diesen Themen ebenfalls zugestimmt.

Aber wenn es konkret wird, dann kommt leider nicht mehr viel – so ist es wohl auch zu erklären, dass bei den beschlossenen Sachanträgen aus unserer Feder die Mehrheiten von CDU, Grünen und LINKEN gebildet wurden und die SPD dabei abseits stand. Immerhin haben das Café Berta und der Energiesparservice die Kürzungsrunde dieser Haushaltsberatungen ein weiteres Mal überstanden. Nicht einmal eine geschenkte Million von der Sparkasse wollten Sie haben – auch da blieb es eben bei der verbalen Ankündigung der Vorgespräche, der dann konkret leider nichts folgte. Ich bin gespannt, wie Sie das den Beschäftigten bei den wohl unvermeidlichen unterjährigen Bewirtschaftungsmaßnahmen für den Haushalt erklären wollen.

Fazit: Wir werden den Haushalt 2015 in der vorliegenden Form ablehnen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit."

Autor:

Carsten Klink aus Dortmund-Ost

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