Georg ist der Mann in den roten Schuhen

Georg Mandel läuft immer in roten Clogs, auch im Winter bei Schnee und Eis. | Foto: Magalski
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  • Georg Mandel läuft immer in roten Clogs, auch im Winter bei Schnee und Eis.
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Jogginghose, braune Haut, die Füße stecken in roten Clogs. Georg Mandel läuft - bei Sonne, bei Regen, bei Wind und bei Schnee. Im Frühling, im Sommer, im Herbst und im Winter. Heiligabend und Ostern. Immer. Viele Menschen kennen den Borker vom Sehen auf der Straße, aber nur wenige seine Geschichte.

Jeden Tag folgt Georg Mandel dem gleichen Ritual - gegen sieben Uhr geht es raus, für die Morgenrunde mit rund zwanzig Kilometern. Von Bork aus Richtung Vinnum, dann durch die Felder, über den Beifanger Bahnhof und quer durch Selm. Regen fällt am Donnerstagmorgen und Mandel schützt sich mit einem Schirm. Der Oberkörper steckt in einer dünnen Sportjacke, ganz ohne Shirt. Die Jogginghose hat Georg Mandel hochgekrempelt bis zu den muskulösen Oberschenkeln. Mandel ist kein Jogger, er läuft einfach mit schnellen, kleinen Schritten und präzise wie ein Uhrwerk. Der Senior kennt wohl jeden einzelnen Stein auf seiner Tour. Tag für Tag läuft er die gleiche Runde, warum auch nicht, schließlich geht‘s dem „Extrem-Spaziergänger“ nicht um eine spektakuläre Umgebung oder tolle Entdeckungen am Wegesrand. Der Borker läuft seit einem Vierteljahrhundert einfach aus Freude am Laufen. Das Laufen halte fit, davon ist Georg Mandel überzeugt und seine persönliche Statistik gibt ihm Recht. Krankheiten kennt der Senior nicht, mal abgesehen von „einem kleinen Schnupfen“. Mandel war, so erzählt er im Gespräch, seit zehn Jahren nicht mehr beim Arzt und nimmt auch keine Medikamente. Sein Alter, im Oktober wird der Borker 73 Jahre alt, ist für viele Menschen eine Überraschung.

Schnee, Eis, Regen - fast immer ohne Socken

Clogs, diese Mischung aus Gartenschuhen und Badelatschen aus Kunststoff, sind sozusagen Mandels Markenzeichen. Firmen werben für Wanderschuhe oder Turnschuhe. Modelle mit Hightech-Sohle und ergonomischem Innenleben. Georg Mandel greift aus persönlicher Überzeugung zu ziemlich günstigen Tretern aus Kunststoff - präziser - aus rotem Kunststoff. „Die Schuhe haben immer die gleiche Farbe. Im Sommer kommt Luft an die Füße, bei Regen saugen sich die Schuhe nicht voll, aber im Winter? „Bei Schnee und Eis laufe ich auch mit diesen Schuhen und in der Regel auch dann barfuß“, versichert Georg Mandel. Zwei Jahre muss es wohl her sein, da habe er bei kaltem Nordost-Wind tatsächlich einmal kalte Füße bekommen und griff zu den Socken. Mandel erzählt das wie eine Geschichte aus alten Zeiten und für ihn ist es wohl tatsächlich eine absolute Ausnahme. Im Jahr braucht Mandel drei Paare seiner Lieblingsschuhe, die läuft er bis zu den ersten Löchern in der Sohle. Für Nachschub ist immer gesorgt, denn die Ersatz-Schlappen warten bereits zu Hause auf ihren Einsatz.

Flip Flops bei den Schlangen im Dschungel

Mittags geht es, fast im Anschluss an die Morgen-Runde, wieder los, denn dann holt der Borker seine Enkeltochter aus der Schule. Weitere zwölf Kilometer auf dem Tagesplan. Enkelin Jenny hat zwar „nur“ knappe drei Kilometer Fußweg, tritt aber schon in Opas Fußstapfen und das sogar bei den Schuhen. „Meine Enkelin hat schon das gleiche Modell wie ich“, erzählt der Borker. Dreißig Kilometer schafft die Zwölfjährige zwar noch nicht, doch auch bei den Radtouren mit ihrem Großvater bis nach Lüdinghausen stärkt sie ihre Kondition. Im Berufsleben bereiste Georg Mandel viele Länder der Welt und baute Maschinen in Papierfabriken. Amerika, Indien oder China, überall lief Mandel und nach seltsamen Blicken am Anfang grüßten die Einheimischen nach einigen Tagen den auffälligen Deutschen. Mandel erinnert sich da an eine Anekdote aus dem Dschungel. „Die Papierfabrik lag mitten im Urwald, ich trug Flip Flops und der Vorarbeiter warnte mich mit Blick auf mein leichtes Schuhwerk vor giftigen Schlangen“, erzählt der Borker. Schlangen sah er tatsächlich, die blieben aber fein auf Abstand. Schlangen gibt‘s im Kreis Unna zwar nicht, neugierige Blicke erntet Georg Mandel aber auch bei seinen Runden, eher selten fragt jemand nach dem Grund seiner langen Spaziergänge. Mandel hätte da ohnehin nicht viel zu erzählen, denn wie gesagt, der Mann läuft aus Spaß an der Freude.

Autofahren ist eine Seltenheit

Einen Führerschein und ein Auto hat Georg Mandel zwar, nutzt es aber sehr selten - im letzten Jahr fuhr er übersichtliche 1.500 Kilometer. Zu Fuß war es mit 10.800 Kilometern eine mehr als zehn Mal so weite Strecke. Laufen ist halt seine Leidenschaft und so ist sicher: Georg Mandel steigt auch morgen früh wieder in seine roten Schuhe und macht sich auf den Weg für ein wenig Frühsport.

Thema "Senioren" im Lokalkompass:
>Gertrud schaffte mit Sole hundert Jahre

Autor:

Daniel Magalski aus Lünen

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