Mahnmal am Straßenrand lässt uns inne halten...

Foto: Marita Gerwin
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Es gibt Momente im Leben, da steht die Erde still. Bei unserer Radtour entlang der Weizenfelder packt uns für einen Augenblick das kalte Grauen. Am Straßenbaum flattert ein roter Zettel im Wind. Schon von Weitem fällt er uns ins Auge. Macht uns neugierig. Was steht drauf?
"Da ist sicher Jemand ausgebüchst und stiften gegangen", schießt es mir durch den Kopf. "Vielleicht ist es eine Vermissten-Anzeige!" Doch wir werden eines Besseren belehrt. Wir lesen einen handgeschrieben Brief, der uns zutiefst berührt.

"An unsere Tochter Ines. Nur 19 Jahre ist sie alt geworden. Ein tragischer Verkehrsunfall riss sie aus ihrem blühenden Leben. Unfassbar. Heute wissen wir, es gibt Momente im Leben, da steht die Erde einen Augenblick still. Und wenn sie sich weiter dreht, ist nichts mehr wie es war. Ein Teil von uns fehlt. Und diese Lücke wird bleiben. Manchmal verlässt uns ein Kind, das den Ruf von drüben lauter vernommen hat, als die Stimme ins Leben. Es schließt seine Augen und taumelt davon, wie ein Schmetterling. Taumelt zurück ins Licht und lässt uns allein mit den Fragen - ohne Antwort über den Sinn alles Begonnenen, das uns unvollendet erscheint. Lässt uns zurück mit einer Hoffnung, die sich nicht erfüllt, einer Knospe, die welkte, ohne zu blühen. Lässt uns zurück und lehrt uns, dass die Antwort auf unsere Frage manchmal nur heißen kann "Ja". Wir müssen es akzeptieren. Doch verstehen werden wir es nie. Die Worte von Ruth Rau helfen uns, ohne Dich, nach diesem tragischen Unfall weiter leben zu können. Deine Eltern!"

Vor dem Weizenfeld steht ein schlichtes, gelbes Holzkreuz. Dicke Bruchsteine umsäumen das Areal. Orangene Ringelblumen und Lavendel blühen vor dem Kreuz. Am Fuß des Baumes ist die Wunde bereits verheilt. Neue Rinde hat sich gebildet. Der Baum steht im satten Grün. Ein Mahnmal!

Betroffen halten wir inne. Machen eine Pause. Unterbrechen unsere Radtour für einen Augenblick des Gedenkens. Wir kennen weder Ines, noch ihre Eltern und fühlen uns trotzdem mit ihnen sehr verbunden. Ohne Worte verlassen wir den Ort des Geschehens. Radeln weiter, zurren den Fahrrad-Helm noch etwas sorgsamer fest als zuvor, denken an den sog. "Schulterblick", bevor wir uns wieder in den Straßenverkehr einreihen.

Schweigend hängen wir unseren Gedanken nach. Jeder für sich. Uns wird schlagartig klar, an welchem "seidenen Faden" unser Leben doch hängt. Mein Gott, wie schnell sich alles drehen und wenden kann. Gut, dass wir nicht wissen, was uns die Zukunft bringt...

Autor:

Marita Gerwin aus Arnsberg

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