Die Fusselhütte von Schneppenbaum

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"Alle Wege die ich allein und mit Ihnen gegangen bin, sind mir noch so gegenwärtig, und ich glaube, wenn ich nach einem halben Jahrhundert wieder dorthin käme, ich wüßte noch um Mitternacht den Weg von Uedem über Kalbeck nach Goch zu finden, und ebenso den Weg nach Cleve, wo ich die Fusselhütte unverändert wiederzufinden wünschte!"  (1)
Diese Worte schrieb Gottfried Schlegtendal über seinen Aufenthalt in Uedem am 6. Okt. 1794 zu Frankfurt an seine Braut Susanne Schöller.

Wo lag die Fusselhütte?
Am Weg von Uedem nach Kleve muss man sie suchen, also gesucht - und gefunden - zuerst auf einer alten Karte, eine Uraufnahme von 1836 , s. Abb. 2 (2). Auf einer heute noch aktuellen Flur-Katasterkarte (2) gibt es noch ein Flurstück mit der Bezeichnung "Fusselshütt", s. Abb. 3. Demnach ist die Gaststätte die Gottfried Schlegtendal mit "Fusselhütte" bezeichnet an der Ecke Uedemer Straße/ Lerchenweg zu suchen. Tatsächlich gab es genau dort bis vor einigen Jahren die Gaststätte der Fam. Michels mit dem Namen "Zur Linde". Das es zu der Zeit von Gottfried Schlegtendal in den 1790er Jahren dort eine Gaststätte gab beweist dann auch die Tranchot-Karte (2) um 1801, s. Abb. 4. Auf der Karte ist der Namen "Michels" eingetragen. 

Weitere Hinweise zur Fusselhütte
Im Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Cleve mit Datum Till den 29. Februar 1820, unterzeichnet „Der Bürgermeister, J. Knipscheer steht folgendes: 
„Bekanntmachung: Einige der Gemeinde Schneppenbaum gehörige daselbst am Udemschen Wege, an der sogenannten alten Udemschen Straße, an der Straße von der Fuselhütte nach der Landstraße, am Emmerischen Wege belegenden Grundstücke, sollen in zwei Terminen, als Donnerstag den 9ten und 16ten des künftigen Monats März, des Nachmittags 2 Uhr an der Behausung des Müllermeisters Heinrich Daamen zu Schneppenbaum öffentlich dem Meistbietenden verkauft, oder auf lange Jahre verpachtet werden.“
Zur Erklärung: Der Emmerische Weg ist ein alter Handelsweg von Goch nach Emmerich. Heute trägt der Weg im Bereich Schneppenbaum den Namen Lerchenweg.
Amtsblatt für den Regierungsbezirk Düsseldorf, 1823:
"Die sogenannte Fuselhütte oder Kuckhügel, ein Forstparzel,angeblich 2 Morgen 60 Ruthen preußischen Maaßes groß,in der Gemeinde Schneppenbaum, zwischen Michels und Bergers Hofs Ackerland und dem Wege von Schneppenbaum nach Keppeln belegen. Die vorbehaltene jährliche Rente ist zu 3 Thlr. bestimmt."
Zur Erklärung:"Kuckhügelauch Kiekhövel, ist ein Hügel  an der  Keppelschen-Landwehr, ganz in der Nähe der Fusselhütte.

Alte Fusselgesetze zur Zeit Gottfried Schlegtendals:
Cleve den 16. Juni 1779:  „Das zum Nachtheil des städtischen Accise-Interesse stattfindende, nie erlaubt gewesene, Bierbrauen für eigene Consumtion, durch die Schenkwirthe auf dem Lande, wird den sämtlichen Bier- und Fusel-Zäpfern auf dem Lande nochmals, und bei Strafe von zehn Rthlr., nebst der Confiskation des gebrauten Bieres, verboten...“  Cleve den 17. September  1781: „...daß niemand mit dem Bier- und Fusel Zapfen abgeben soll, der nicht „dazu behörig authorisiert ... ist“ „Uebrigens werden auch zugleich alle sonst priviligierte Bier-Brauer und Fusel-Brenner de platten Landes verwarnt, kein Bier oder Fusel an die zu Beförderung des Städte Debits concessionierte (...) zu verkaufen, sondern ihr selbst gebrautes Bier und gebrannten Fusel, in ihren Häusern und da, wo sie solches verzapfen zu lassen...“  „Die Brantwein-Brenner im Herzogthum Cleve werden, unter Darstellung des für sie daraus entspringenden Nutzens, ermuntert, nach dem Beispiele der Fuselbrenner zu Orsoy, anstatt der seitherigen Holzfeuerung, die Steinkohlen um so mehr anzuwenden...“ (3)

Deutsches Wörterbuch (4) 1860 Fusel:
1)Das Fuselöl, die bei der Destillation sich sammelnde widerlich riechende Substanz, von der etwas im Branntwein aufgelöst bleibt und ihm den eigenthümlichen Fusel=Geschmack und =Geruch ertheilt.
2)Der Fusel enthaltende Branntwein, „Fuselschnaps“: F. trinkst du wohl an Weines statt: Fusel enthaltend, von Fusel benebelt: In einer Atmosphäre, die so f. und duselig war, daß mir der Athem verging: Der kurioseste Fuselichte.. Blos die Beine sind benebelt: Glas fuseligen Branntweins: Fusel trinken; nach Fusel riechen: Sich in Fusel besaufen: Den Branntwein vom Fuselöl reinigen; Die Entschwefelung des Branntweins: Er ist wieder entfuselt, vom Fuselrausch ernüchtert.
Heute: Fusel ist eine gebräuchliche umgangssprachliche Bezeichnung für schlechte, nicht fachgerecht destillierte und – davon abgeleitet – für billige Branntweine oder Spirituosen. In der Boulevardpresse wird der Begriff auch für Weine geringerer Güte verwendet. Auch illegal hergestellter Branntwein wird oft Fusel genannt: Die verwendeten Rohstoffe können minderwertig und die Brennanlagen primitiv sein, entsprechend fällt die Qualität des Endproduktes aus. Wurde während der Destillation der Vorlauf nicht abgetrennt oder dem Produkt gezielt Methanol beigemischt,[6] kann ein zu hoher Gehalt davon zur Erblindung oder gar zu tödlichen Vergiftungen führen. (5)

Gaststätte Michels "Zur Linde" alias Fusselhütte
Zu der Gaststätte fand ich noch folgendes:
Um 1750 Gerhard Miches
Caspar Michels, geb. ??, verst. 1.9.1838, verh. mit Johanna Mülder war zurzeit als Gottfried Menken in Uedem verweilte Wirt der Fuselhütte.
Josef Michels geb. 20.03. 1793, verst. 17.04.1871 , verh. mit Elisabeth Otten
Johann Michels geb. 9.4.1835, verst. 5.10.1902, verh. mit Catharina van den Boom
Johann Gerhard Michels geb. 2.3.1867, verst. 18.01.1943, verh. mit Eva Margaretha van de Flierdt. Beide sind auf einer Ansichtskarte der Gaststätte Zur Linde "Gruß aus Schneppenbaum Restauration zur Linde" um 1910 zu sehen. Abb. 5  Gastwirt Johann Gerhard Michels und seine Frau Eva Margaretha in der Tür stehend. Auf der Bank sitzen Catharina Michels und ein Dienstmädchen. (6)
Bis 1923 Bierhandel und Kolonialwarenhandel
Die Gaststätte war auch Ausrichter der Schneppenbaumer Kirmes.

Quellen:
1) Aus dem Leben und Wirken des Dr. G. Menken, Band 2, von C H. Gildemeister, 1860
2) Karte erstellt mit TIMonlineNRW
3) Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem Herzogthum ..., Band 4
4)Wörterbuch der deutschen Sprache: mit Belegen von Luther bis auf die ..., Band 1, 1860, von Daniel Sanders
5) https://de.wikipedia.org/wiki/Fusel
6) Gemeindearchiv Bedburg-Hau, Fotosammlung

Autor:

Günter van Meegen aus Bedburg-Hau

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