Was man sich vor 100 Jahren in Bedburg-Hau erzählte

"Klatsch" Jupp Brüx | Foto: Bildausschnitt GvM

Was die Leut sich vor 100 Jahren am unteren Niederrhein so alles erzählten und weismachten davon berichtete Wilhelm Bodens in seinem Buch "Sage, Märchen und Schwank am Niederrhein" (Institut für Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn 1937)
Aus dem Vorwort: "Die vorliegende Sammlung der Volksüberlieferung am Unteren Niederrhein bringt die erste durchgängige Aufnahme des volkstümlichen Erzählgutes der niederrheinischen Erzähllandschaft, an deren Rande die Städte Venlo und Kempen, Mörs und Wesel, Rees, Emmerich und Nijmegen liegen; es ist der Bezirk der Landkreise Kleve, Geldern, Kempen, Mörs und Rees, die ich seit dem Sommer 1934 bis zum Frühjahr 1935 eingehend bereiste. Der Erfolg dieser Aufnahmen war eine im Januar 1936 druckfertige Sammlung von 2000 Sagen, Märchen und Schwänken, von denen nicht ganz 1200 in dem vorgelegten Band veröffentlicht sind."

Auch aus dem Gebiet des heutigen Bedburg-Haus sind zahlreiche Sagen, Märchen und Schwänke in dem Buch veröffentlicht worden.
Die Zahl vor der Ortschaft gibt die Seite im Buch an. Mit dem "Hochzahlen" meine Anmerkungen dazu.

31 Moyland
Der Alte Fritz verflucht Moyland
Ein von der Mosel hatte den Alten Fritz gerettet. Drum bekam er ein Geschenk vom Alten Fritz. Dem Alten Fritz gehörte Moyland und Rosental. Moyland hat der Alte Fritz verflucht: Wie sich die Türme gegeneinander neigten, so sollte auch die Familie gegeneinander sein. Beim Baron S.1 ist das eingetroffen . Der hat eine Tänzerin2 geheiratet. Da kam der Streit. Der Sohn aus der ersten Ehe sollte natürlich Moyland erben. Aber das wurde angefochten. Und der echte Adelige bekam das Schloß nicht.
1) Nicolaas Adriaan Steengracht, *13.3.1834 †29.6.1906 vererbte die Herrlichkeit Moyland an seinen Sohn aus zweiter Ehe Gustav Adolf von Steengracht, *15.11.1902 †7.7.1969. Seinen ältesten Sohn aus erster Ehe enterbte er. Dazu musste er die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen, denn nach niederländischen Recht wäre eine Enterbung nicht möglich gewesen. Dadurch verlor sein Sohn aus zweiter Ehe, der Erbe Gustav Adolf, alle Titel.
2) Nicolaas Adriaan Steengracht heiratete am 3. August 1901 die Edle Irene Theresia Lidvina Christine Paula Clara von Kremer-Auenrode, geb. 24. Sep. 1876, in Prag

31 Huisberden
Der Tönis-Bur
Von dem alten Tönis- Bur wird viel erzählt. Der hatte einen Knecht, der wollte am Samstag keine Erbsensuppe essen. Dann drehte er einfach den Löffel um. Das hatte sich der Tõnis-Bur angesehen, ohne ein Wort zu sagen. Als der Knecht traute1, kam er auf eine Katstelle2 zu wohnen. Da kam er einmal zum Tönis- Bur und fragte um Erbsen. Da ging der Bauer mit ihm auf den Sölder3. Da lagen große Haufen von Erbsen. Da schob der Bauer die „Schob"4 verkehrt in den Haufen, so wie der Knecht den Löffel verkehrt in die Erbsensuppe gesteckt hatte. Und der Tõnis-Bur sagte ihm : „Laß nur deine Frau kommen. Von mir wirst du keine Erbsen bekommen." Als die Frau kam, gab er ihr Brot und Weck und Speck, aber keine Erbsen. Was der Tönis-Bur tat, das war getan.
1) heiratete
2) Kate/Kotten einzelnes einfaches Wohnhauses abseits der dörflichen Gemeinschaft
3 Speicher, Dachstuhl
4 Getreideschaufel

32 Huisberden
Der Graf und der Pole trinken um die Pferde
Auf der Burg von Huisberden wohnte ein Graf von Eil1. Der hatte zwölf Schimmel. Und der konnte so unmenschlich viel trinken. Und wer mehr trank auf einmal als der Graf von Huisberden, der sollte die zwölf Schimmel haben. Da kam ein Graf aus Polen. Der hatte zwölf Füchse2 von einem Schlag. Und der wollte mit dem Grafen von Huisberden trinken, um die Pferde.
Da saßen sie im Stall und soffen aus Stalleimern. Ihr müßt euch das so denken: Hier stehen die zwölf Schimmel, da stehen die zwölf Füchse, und dazwischen saßen die Grafen und tranken den Wein aus Stalleimern. Und das konnte der Polack3 nicht vollhalten. Er trinkt und trinkt und fällt unter die Krippe4 und trinkt und schläft. Da war er seine zwölf Füchse los. Und am nächsten Tag konnte er abziehen von der Burg in Huisberden, zu Fuß mit seinen Reisigen5.

1) Wasserburg Haus Eyl; Kein Grafensitz, sondern Rittersitz. Der ehemalige Rittersitz hieß noch um 1300 Weilhusen, weil Albert von Eyl die Erbtochter Jutta von Weilhusen heiratete.
2) Pferde mit bräunlichem, rötlichem oder gelblichem Fell
3) Eine abwertende Bezeichnung für einen Polen
4) Futterstelle für Nutzvieh
5) Begleitern

32 Bedburg
Das Kloster mit den 99 Höfen
Bedburg, was jetzt Kirche ist, war auch einst ein Kloster. Das hatte 99 Bauernhöfe. Das war schon vor 1000 Jahren gebaut. Die alten Leute sagten immer: Das Kloster soll wiederkommen, aber nicht an die Kirche, in anderer Art und Weise. Die alten Leute haben recht gehabt. Es kam wieder, als Irrenanstalt1
1. Rheinische Provinzial- und Heilanstalt, 1912 eröffnet; heute LVR-Klinik Bedburg-Hau

35 Schneppenbaum/Pfalzdorf/Louisendorf
Die Schenkenschanz
Die Schenkenschanz1, das war eine holländische Festung zwischen dem Alten und dem Neuen Rhein. Da haben die Holländer die Pfalzdorfer2 angehalten, weil sie keine Pässe hatten. Das war die einzige Gemeinde, die Zoll erheben konnte.
1) Dem Achtzigjährigen Krieg (1568-1648) zwischen den Niederlanden und Spanien verdankt der Ort seine Entstehung
2) 1741 wies die Stadt Goch den pfläzischen Auswanderern Teile der Gocher Heide als Siedlungsraum zu. Eigentlich wollten sie über den Rhein nach Rotterdam, um nach Amerika überzusetzen. Weil sie keine Schiffspassage nachweisen konnten, verweigerten ihnen die niederländischen Grenzbehörden bei Schenkenschanz die Weiterreise.

41 Huisberden
Kronenberg wird gefangen
Der Kronenberg1 gab kleinen Leuten, wenn's ihm gut gegangen war. Aber die großen Bauern und die Pastőre plünderte er aus . Als ich jung war, hab ich so knapper Not einen Mann gekannt, der hieß Nissing. Der war wohl 85 Jahre alt. Bei dem wollten die Kronenbergs einbrechen. Der kleine Knecht lag mit ihnen unter einer Decke. Der sollte ihnen das Hintertor losmachen. Die Räuber wollten den Bauern fangen und ihn im Stroh verbrennen. Das war dem Kleinen Knecht nun doch zu schlimm. Da ist er zum Kaplan gegangen und hat ihm alles erzählt. Da sagte der Geistliche : „Laß sie nur herein, ich werde schon sorgen. “ Der Kaplan ging nach Kalkar und holte die Polizei. Da wurden Soldaten und Gendarmen und alle Bauern gerufen. Die umstellten den ganzen Hof und warteten, bis die Räuber im Hause waren ; dann wurden sie alle gefangen. Kronenberg wurde nach Kleve gebracht. Da sagte er, der Bauer de Wild auf dem Emmericher Eiland sei der tapferste gewesen, aber nur des Geldes wegen. Und dann noch, die Bauern sollten sich alle ein kleines Hündchen im Hause halten, das seien seine größten Feinde gewesen. Die großen Hunde, die draußen herumliefen, hätten ihm nie geschadet. Kronenberg ist in Aachen gehenkt worden. Da war ja damals das Hohe Gericht. Die Franzosen haben das ja damals nach Aachen gebracht. Vor dem Sterben war er nicht bang ; zuletzt hat er noch gesagt, der ihn verraten habe, das wär ein armer Mensch, mit dem wollte er nicht tauschen.
1) Auszug aus Räuber, Volk und Obrigkeit Von Günter Voldenberg, Uni-Duisburg: Die Cronenberg‘sche Räuberbande bestand überwiegend aus Personen der Unterschicht. Ursprung der lag auf dem Emmericher Eyland. . Der ursprüngliche Gründer, Peter Dellmann aus Till, wohnte in der Martis Kate, die zum Verweyenshof in Till gehörte.
In Huisberden: Bei dem Einbruchsversuch in das Haus des Pfarrers Georgi zu Huisberden wurden die Tatbeteiligten Everhard Bosch, Reiner Verheyen, Heinrich Burmann, Heinrich Croonen und Heinrich Bültjes gestört und suchten das Weite.
Am 16. Januar 1833 wurde das Urteil verkündet. 13 der 22 Angeklagten wurden zum Tode verurteilt, fünf weitere zu lebenslänglicher Haft und zwei zu fünfjährigen Haftstrafen. Mehr dazu Veranstaltungen (uni-due.de) hier klicken

42 Till
Wie die Räuber gefangen wurden
Engelen1, das war ein Räuber aus Materborn. Der war zuerst Wilddieb, dann kam er in die Räuberbande2. In Till hatten sie im Backes3 den Ofen geheizt. Da wollten sie den Bauer aus dem Bett holen und dann hineinschmeißen. Die eigenen Arbeiter waren mit dabei. Aber ein Knecht hatte den Bauer gewahrschaut4. Da wurden die Räuber alle festgenommen. Die hätten den Bauer sonst verbrannt. Ein Bosmann aus der Bienenstraße wohnte da früher drauf auf Till.
1) Heinrich Engelen, genannt „Der Freischütz“, 31 Jahre, Tagelöhner, geboren zu Ubbergen/Beek, wohnhaft in Materborn (Räuber, Volk und Obrigkeit Von Günter Voldenberg, Uni-Duisburg)
2) Cronenbergsche Räuberbande
3) Ein Haus in dem gebackt wird (Bäckerei)
4) seemännisch - auf Gefahr aufmerksam machen

51 Bedburg
„Ich hab's am Tand1.“
Die das Geld vergruben, mußten dem Teufel auch sagen, wann sie's wiederkriegten. Wenn ein Düvelsvürke2 brannte, durfte keiner was sagen. Da haben sie hier mal gegraben. Da sagte einer : „Ich hab's schon am Tand !" Da hörten sie, wie etwas sagte: „Ich hab's schon am Tand!" Da fiel das Geld 80 Pflugleinen3 tief in die Erde. Jedes Jahr wächst das ein bißchen in die Höhe. Ein Junge, der mit zwei Pferden das Pflügen lernt, fährt es raus. Vor zwei Jahren ist hier noch Geld ausgegraben worden. Bedburg ist oft ausgeplündert worden. Die Leute wurden dann von den frem , den Völkern verjagt. Dann hatten sie keine Zeit mehr zu sagen, wo das Geld faß und wie man's kriegen konnte.
1) Zahn
2) Teufelsfeuer
3) Eine Pflugleine ist ca. 14 Meter lang

52 Schneppenbaum
Das falsche Schatzfeuer
Kuhjungen von Bedburg fanden eins ein Feuer. Einer warf den Rock drüber, aber das war ein Düvelsvürke1. Der Rock verbrannte. Die Düvelsvürkes brennen in sich. Ein alter Lehrer in Bedburg, ich hab ihn noch gekannt, der sagte : ,,Wo Feuerchen brennen, da sitzt auch Geld.“ Der hat auch was gefunden. Der hat bis zum Ende der siebziger Jahre2 einen Baumgarten gehabt. Da hat er immer gegraben.
1) Teufelsfeuer
2) 1870er Jahre

54 Schneppenbaum
Der Pastor läßt den Teufel das Geld verwahren Die Düvelsvürkes1 brannten da, wo Geld vergraben lag. Das ist passiert. Da waren noch keine Sparkassen. Da übergaben die Leute dem Teufel das Geld zum Verwahren.
Da war ein Pastor, der hatte einen Arbeiter. Das war, wie die Birnen reif waren. Da ging der Pastor mit der Schüppe und vergrub ein Döppe2 mit Geld. Das dürfe der Teufel nur wiedergeben, wenn ein Mann mit seiner Frau auf dem Rücken pudelnackt drüber wegging. Wie der Pastor das tat, saß der Arbeiter im Birnbaum. Da lief er heim und holte seine Frau. Die mußte sich pudelnackt ausziehen. Dann nahm er sie auf den Rücken und ging über die Stelle, wo das Geld lag. Da kam das Gelddõppe so aus der Erde.

1) Teufelsfeuer
2) Steingutgefäß

66 Bedburg
Wie das Kloster entstand
Graf Dietrich von Kleve1 hatte sich im Wald verirrt. Er war auf der Jagd. Wie er dem Wild nachging, saß er auf einmal im Sumpf. Da hat er ein Gelübde getan. Da kam ein Jüngling und brachte ihn heraus. Daraufhin hat er ein Bethaus gebaut. Das hat 300 Jahre gestanden. Dann hat Graf Arnold2 ein Monstrenser Kloster3 gebaut.
1) Dietrich von Cleve VI./VIII. (* um 1256/57; † 4. Oktober 1305) von 1275 bis 1305 Graf von Kleve; Graf Dietrich wurde in der Klosterkirche von Bedburg beigesetzt
2) Arnold I. von Cleve (* um 1100; † 20. Februar 1147) von 1119 bis 1147 Graf von Kleve; stiftete das durch Norbert von Xanten gegründete Kloster Bedburg
3) Prämonstratenser Kloster

72 Bedburg
Pfarrer Hüskens stillt den Brand
Hier an der Bahn1 war ein Brand. Den hat der Pfarrer von Bedburg Hüskens gestillt2. Das war in den sechziger Jahren3. Beim zweiten Haus hatte es schon angefangen. Die Häuser standen so nahe zusammen, daß gerade ein Mann dazwischen durchgehen konnte. Da sagte der Pastor: „Laßt alles stehen, es brennt nicht, laßt nur alle Möbel stehen !" Das taten die Leute wohl gern.
1) Straße Alte Bahn
2) gelöscht
3) 1860er Jahre

96 Schneppenbaum
Der Pastor fängt den Spuk in einem Tuch
Auf einem Hof war ein Spuk mit dem Kuhjungen. Der sah immer einen, der half ihm beim Füttern. Die anderen konnten nichts sehen, allein der Kuhjunge. Das war der Bauer endlich müde. Er ging zum Pastor. Da kam der Pastor mit einem gesegneten Tuch ; das legte er auf die Tenne. Da sollte der Spuk drauf gehen. Aber er kam nicht. Er kroch oben in den Balken. Das hatte lange gedauert, bis er drauf war. Da machte der Pastor das Tuch zu und trug es in den Keller. Da mußte er dann bleiben. In Kessel liegen noch Keller vergraben und zugemauert. Da kann keiner rein. Da sind Spuken drin. Die Keller liegen in den Bongerten1. Geht nur mal zu N ...., die können euch erzählen, was die ein Spiel mit so einem Spuk gehabt haben.
1) Obstbaumgarten

98 Huisberden
Der Spuk wird im Keller eingemauert
Auf einem Hof bei Huisberden muß es in früheren Jahren arg gespukt haben. Die alten Leute haben viel davon erzählt. Der Bauer hatte zuletzt einen Pater aus Holland geholt. Der beschwor den ganzen Spuk und mauerte ihn im Keller ein. Als dann einer von den Nachsassen1 den alten Hof abbrechen ließ, waren die Geister wieder frei, und sie haben in dem neuen Bau einen fürchterlichen Skandal gemacht. Da sind sie zu einem Geistlichen gegangen, der das ganze Pac 2im Keller zusammen, betete und es von neuem einschloß.
1) Nachfahren?
2)  Pack - abwertend Gesindel

104 Huisberden
Bei uns waren einmal Missionare, drei Kapuziner.
Zwei predigten, ein alter aber tat immer Christenlehre. Damals haben sie immer das Eigentumsvergehen so streng gerügt. Das war damals sehr schlimm. Warum ist das jetzt nicht mehr so? Ich glaube, aus Angst vor den Leuten tun das die Geistlichen nicht mehr. Damals erzählte der alte Pater, da habe einer Grenzsteine versetzt, der konnte darum nicht mehr ruhig im Grabe liegen. Und jede Nacht sei er herausgegangen und habe gerufen:
Wohin damit?" Da sagte ein Betrunkener, der gerade vorbei kam: „Wu je'm gekrege!" Da war der Spuk aus. – Ja, ich weiß, da brachte auch - einer Geld zurück. Das hatte er meinem Ohm1 gestohlen.

1) Onkel

106 Huisberden
Spitbits tötet den Kirnhund1
Der letzte Graf von Huisberden2, Spitbits, hängte sich auf, in einem Stall, wo man die Kälber hinlegte. Ja, und von der Zeit an blieb kein Kalb eine Nacht da liegen, af es war kaputt. Kein Stüď Vieh hielt es da aus. Da hatte der Pächter einen starken Kirnhund, einen scharfen Kerl. Den legte er eine Nacht in den Stall. Um anderen Morgen war er tot.
1) ein steuerfreier Hund
2) es gab keinen Grafen von Huisberden, Rittersitz Eyl

106 Schneppenbaum
Der Alte von der Mosel
Auf Rittergut Rosendal1 spukt's . Da geht ein Herr von der Mosel2. Der ist schon über 100 Jahre tot.
1,2) Die Familie von der Mosel stammt aus dem Dorf Mosel in Sachsen. Der Oberstleutnant Konrad Wilhelm von der Mosel (1664-1733), später General und Gouverneur der Festung Wesel, kaufte 1706 das Gut Rosendal von Ludolf von Osterwyk. Sein Sohn Friedrich Wilhelm von der Mosel war später ebenfalls General unter Friedrich II. 1726 besuchte Friedrich I. mit Kronprinz Friedrich das Gut Rosendal. Konrad Wilhelm von der Mosel beschützte Kronprinz Friedrich in der Festung Wesel vor den Handgreiflichkeiten seines Vaters, nachdem seine Flucht 1730 gescheitert war und der Kronprinz in der Festung festgehalten wurde. Das Gut Rosendal wurde als Sommersitz, als Lustschloss genutzt.

106 Schneppenbaum
Der Wiedergänger schreckt Holzdiebe
Hier im Wald haben sie einen Maibaum1 abgesägt, in der Nacht. Da kam ein alter Herr dazu. Der leuchtete mit einer Laterne. Der Baum wurde nicht abgesägt. Sie gingen laufen und ließen die Säge im Baum stecken.
1) ein geschmückte Baum, meist in Dorfmitte aufgestellt

106 Schneppenbaum
Ein Schneider von hier schlug sich Bohnenstangen1
Da sagte er : ,,Noch sechs." Da stand ein alter Herr hinter ihm, der sagte : „Noch sechs !" Das war ein großer alter Herr mit einem grauen Mantel. Der Schneider ging gleich laufen. Das hat er mir selbst gesagt.
1) Holzstange an denen Bohnen in die Höhe ranken

108 Schneppenbaum
Vrou Bettroj
Die Vrou Bettroj es weërgekomme.
Die woar vür ee paar Jöär gestorve.1
Die Frau Bettroj ist wiedergekommen. Sie war vor ein paar Jahren gestorben.

111Louisendorf/Pfalzdorf
Der Reiter am Reuterweg
In Pfalzdorf1 wohnen die Leute, die aus der bayerischen Rheinpfalz gekommen sind. Die Königin Luise2 hat ihnen das Land geschenkt. Drum hieß das andere Dorf auch Luisendorf3. In Pfalzdorf spukt's. Da kommt in jeder Nacht ein Reiter zwischen zwölf und ein. Er hat einen großen Mantel um und reitet immer denselben Weg, den Reuterweg. So heißt der Weg auch jetzt noch.
1) 1741 wies die Stadt Goch den pfläzischen Auswanderern Teile der Gocher Heide als Siedlungsraum zu. Eigentlich wollten sie über den Rhein nach Rotterdam, um nach Amerika überzusetzen. Weil sie keine Schiffspassage nachweisen konnten, verweigerten ihnen die niederländischen Grenzbehörden bei Schenkenschanz die Weiterreise.
2) Luise Herzogin zu Mecklenburg -Strelitz, Königin Luise, Luise Auguste Wilhelmine Amalie Herzogin zu Mecklenburg (* 10. März 1776 in Hannover; † 19. Juli 1810) Gemahlin König Friedrich Wilhelms III. von Preußen.
3) Die Nachfahren des Kolonistendorfs Pfalzdorf siedelten sich 1820 im Kalkarer Eichen- und Buchenwald an und benannten ihr neues Dorf nach der Königin Louise

138 Huisberden
Der Dwaalspuk an der Kalflach
Das Dwaalen1 ist eine schlimme Sache. Da kann man in einer Wiese sitzen, die man kennt wie seinen Garten. Und man kann nicht rauskommen, stundenlang. Das ist Spuk. Da ging ein Schneider von Emmerich nach Haus. Er kam ans Dwaale. Da lief er immer gegen das Wasser an. Ich hab den Schneider noch gekannt; er hieß Jos Schoofs . Er wußte sonst gut, wo die Kalflach2 lief. Aber an dem Abend konnte er tun, was er wollte, er fand den Weg nicht, und er stand immer am Wasser. Da blieb er zuletzt mit seiner Not am Wasser stehen und fing an, sich eine Pfeife zu stopfen. Wenn man so ans Dwaalen kommt, ist ein Spuk in der Nähe. Den kann man vertreiben, wenn man seine Taschen umdreht. Das wußte Jos Schoofs nicht. Aber er hatte zum Glück den Tabak lose in der Tasche. Er hatte nur so wenig da. Da mußte er die ganze Tasche umdrehen. Das war sein Glück. Da fiel was von ihm, als wenn er blind gewesen wär. Wie er sich umsah, sah er die Kalflach, den Weg und auch die Höfe liegen. Und er war gleich auf der guten Straße. Das kam bei uns viel vor.
1) Irren, zweifeln
2) Kalflack, Altrheinarm von Kalkar über Till und Huisberden, mündet gegenüber Emmerich in den Rhein 

151 Hau
Die drei Erhängten am Eisernen Mann
Das ist mir passiert, wie ich von den Soldaten kam. Ich ging von der Bahn durch den Wald nach Hause. Wie ich durch den Dännebosch kam, da wo der Jesere Mann1 steht, war es so düster, daß ich nichts mehr sah. Da spukte es immer. Auf einmal lauf ich mit dem Kopf gegen einen, der hatte sich aufgehangen. Das ist wahr. Und wie ich nachsehe, hängen da noch drei nebeneinander und sind tot. Da dachte ich gleich an Hexerei. Wie ich den Weg weiter ging, rannte immer ein Tier an mir vorbei, herauf und herunter. Das rauschte ! Ich riß den Säbel aus der Scheide, aber das Biest war nicht zu treffen. Da wurde es mir zu bunt. Ich lief, was ich konnte, um nur in das freie Feld auf den Bahndamm zu kommen. Ich war mistnaß vor Schweiß. So konnte man an Hexerei kommen, wenn man auch vorher nicht glauben wollte.
1) Cupidosäule an der Nassauer Allee, bestehend aus einer alten Feldschlange. Bombenkesseln und Cupido-Figur. Sie hat mehrfach den Standort gewechselt. Die Cupidosäule wird fälschlicherweise als „Eisener Mann“ bezeichnet. Der echte „Eisene Mann“ war eine 2,30 Meter große Holzstatur des Bildhauers Gerd Brüx die im Jahr 1916 am Fischmarkt aufgestellt wurde. Die Statur konnte gegen einen Obulus genagelt werden, zugunsten der Klever Gefallenen im 1. WK.
Ein ursprünglicher „Eiserne Mann“ soll nach dem Entwurf des preußischen Statthalters in Kleve, Prinz Johann Moritz von Nassau-Siegen (* 17. Juni/18. Juni 1604, † 20. Dezember 1679) im Amphitheater aufgestellt worden sein. Es sollte wohl den Söldner Martin Schenk von Nideggen (* um 1540. † 10. August 1589) darstellten, den Erbauer der Festung Schenkenschanz. Die Bildsäule wurde 1794 von französischen Revolutionstruppen zerstört.
Der Neue Eiserne Mann steht in der barocken Gartenanlagen mit Amphitheater am Tiergarten. Das Standbild stammt vom Künstler Stephan Balkenhol. Das Standbild soll an erinnert an Johann Moritz von Nassau-Siegen erinnern und wurde zu seinem 400. Geburtstag 2004 enthüllt.

152 Hau
Der Spukhof
Palands Hof1 op den Hau2 bei Kleve war ganz verseucht und verhext. Zwischen zwölf und ein war die Hölle los . Die Kühe waren von Ketten und Tauen los, sie standen met de Stärt aan de Repels3. Und wenn die Leute auf Palandshof drei Ketten anlegten, die Beeste4 liefen in der Nacht wild durch den Stall. Und bei dem Spektakel konnten die Kühe ja keine Kälber austragen. Den Pferden stand der Schaum so dick – der Erzähler zeigte eine Spanne an auf der Haut; so abgejagt waren sie von den Hexen und Spuken. Und die Puggen5 schrien in den Ställen ; der Schaum stand ihnen vorʼm Maul, und sie kamen nie hoch. Es war so schlimm, daß sie den Geistlichen geholt haben. Ob es danach etwas besser geworden ist, ich weiß es nicht.
1) Paland ein freiheitliches Geschlecht aus dem Jülich-Cleve-Cöllnischen. Elbert von Paland war Anfang 16. Jh. Erbmarschall im Haus Cleve. Palands Wald und Hof, heute Junkerrather- und Marienhof an der Waldstraße, längs der Triftstraße
2) Eine Rodungssiedlung im 12. Jh. in den Reichswald, auch „op gen Howe“ genannt. Heute Ortsteil Hau von Bedburg-Hau.
3) mit dem Schwanz an den Absperrstäben
4) Biester - Vieh
5) Schweine

170 Huisberden
Die Nachtmahr1
Da nehmen die Leute an, daß das ein Wesen ist ; ich glaube, das ist nur eine Veränderung im Blut, wie bei den Werwölfen. Aber die alten Leute haben oft mit ihr zu tun gehabt. Sie kam unter der Kammertür durch, wenn die Bauern in den Betten lagen. Dann raschelte sie in den Holzschuhen, die vor der Bettstatt standen. Und auf einmal warf sie sich den Menschen auf die Brust und blieb so lange liegen, bis die armen Leute zu sterben glaubten. Auf unserem Hof schliefen zwei Meiden2 im selben Bett. Die haben es mitgemacht. Sie hörten, wie der Spuk in die Kammer kam, in den Klompen3 rasselte und dann sich einem Mädchen auf die Brust warf. Dann konnte die Deern4 sich nicht bewegen, feinen Arm und keinen Finger. Und sie mußte warten, bis der Spuk von selbst ging. Dann hörten sie, wie die Nachtmahr wieder in den Klompen raschelte und sich davon machte. Die andere Meid5 wurde das alles gewahr, aber die Nachtmahr hat sie nie gedrückt. An die Nachtmahr glauben jetzt noch viele Menschen. Ich weiß, daß der alte Pastor Peter Jding, er war ja ein Xantener, bei uns in Huisberden sagte: „Wer unter der Nachtmahr liegt und kann kein Bein mehr rühren, der soll mit der Zunge im Munde ein Kreuz machen!"
1) Albtraum
2, 4, 5) Mädchen
3 Holzschuhe

176 Schneppenbaum
Der Werwolf bringt Menschen um
Hier hat ein Werwolf viele Menschen umgebracht. Wenn heute einer gut arbeitet, sagen die Leute: Dat is ene grote Werwolf, ene rechtege Werwolf.1
1) das ist ein großer Werwolf, ein richtiger Werwolf

181 Huisberden
Die Wölfe
Zu Hause, in Huisberden, hatten wir einen Wolfsgraben hinter unserem Hause. Das ist ja gleich beim Reichswald1. Mein Vater hat noch von seinen Voreltern gewußt, wie die Wölfe dagewesen sind . Früher stand hier ja alles voll Wald. Das hing ja alles mit den Ardennen2 zusammen. Daher kam es, daß die Wölfe noch immer in unser Land kamen. Das steckt dem Vieh so im Blut.
1) Der Reichswald lag damals und heute ca. 8 - 10 Kilometer entfernt
2) Die Ardennen haben nichts mit dem Niederrhein zu tun, sie liege ca. 200 Kilometer entfernt in Belgien

196 Huisberden
Die Here bringt Suppe
Ich bin aus der Niederung, aus Huisberden bei Kleve. Das ist uraltes Kulturland, hat der Pastor gesagt. In Huisberden gibt's nur Bauern, die Knechte kamen aus der Xantener Gegend. Aber wir haben in unserer Jugend gearbeitet wie die Knechte, und das wußten sie uns Dank. Auf unserer Kate1 wohnte ein Knecht; dem seine Mutter war krank. Da ging er zu allen Arzten nach Kleve, aber die konnten ihr nicht helfen. Der Knecht Toon war ein kluger Kerl, er hieß wie ich, und er dachte sich, daß seine Mutter behext war. Da holte sein Vater einen Pater aus Holland. Der wußte Rat. Die Familie mußte eine Messe lesen lassen, und alle sollten hingehen. Die Mutter allein mußte zu Hause bleiben. Und dann“, sagte der Pater, ,,wird unter der Wandlung jemand ins Haus kommen, aber die kranke Frau darf nichts essen, was ihr einer anbietet. "
Da gingen alle zur Kirche. Und wie es zur Wandlung läutete, kam eine Frau ins Haus mit einem Töpfchen Suppe, und sie lag der kranken Frau so an, bis sie es nahm und aufs Fensterbrett stellte . Aber sie aß nichts davon. Da ging die Hexe aus dem Haus und war sehr unzufrieden. Nach der Messe waren die anderen sehr neugierig, wer denn ins Haus gekommen war. Da zeigte die Frau auf das Suppentöpfchen. Das nahm sich der Vater gleich und ging damit zum Hund. Er hatte eine Teef2 mit Jungen. Der schüttete er die Suppe in den Back3. Da fraßen die Hunde gleich davon, die Teef und die vier Jungen. Und sie fielen auf der Stelle um und waren tot. Die Frau ist von der Zeit an gesund gewesen. Sie wurde sehr alt. Die Dinge gibt's . Ja, zwischen Himmel und Erde gebürt manches, was die Menschen heute nicht glauben wollen.

1) Kate/Kotten einzelnes einfaches Wohnhauses abseits der dörflichen Gemeinschaft
2) Hündin
3) Schüssel

208 Huisberden
Der Puggestäker und die Katzen
In Huisberden war ein alter Puggestäter1 Kloas . Der kam an einem Herbsttag über Land. Da kommt er an einen Strohhaufen im Feld, der saß voll Katzen, es waren wohl über zwanzig. Wie sie um ihn herumstrichen, kriegte er's mit der Angst zu tun und schlug mit seinem Schlachtmesser nach ihnen. Aber er traf keine. Und über eine Stunde ist er getwaast2, ehe er den richtigen Weg fand.
1) Schweinemetzger
2) verwirrt

229 Huisberden
Das Wechselfieber
Die Leute glaubten, daß das Kuësch1 auch ein Spuk war und einem von Hexen angetan wurde. Es gab Frauen, die es abbeten konnten. Sie banden es in ein Lind2 und warfen es fort. Und wer das Lind fand und es aufband, der kriegte das Fieber.
Ich habe es selbst gehabt, als ich jung war. Damals war aber keine Frau da, die es mir abnehmen konnte. Da hab ich damit gesessen, und ich hätte am liebsten sterben mögen. Aber als ich wieder besser wurde, da hab ich gegessen, nein gefressen wie ein Werwolf. Ja, damals hing der ganze Herdfang3 voll Speck und Schinken. Ich glaub, das Kuësch war nichts an, der es als das Malariafieber. Hier gab's ja viele Sümpfe, damals als der Rhein noch nicht eingedeicht war. Und viele Leute sollen es auch in den Sümpfen bekommen haben.

1) Malaria
2) Leinen, Leinentusch
3) Rauchabzug

238 Louisendorf
Der Arbeiter sieht den eigenen Leichenzug
Von Luisendorf arbeitete einer in Empel auf Prinz Leopold. Der kam mal in einer Nacht von Schicht. Da kam ihm ein Leichenwagen entgegen. Der kam ihm so bekannt vor. „Ich weiß nicht", sagte er zu seinem Freund, ,,es waren so viel Bekannte dabei, meine Kinder und auch meine Frau. Aber ich war nicht dabei. "Da dachte sich der Freund das seine. Aber er sagte ihm: Wie konntest du auch dabei sein. Du warst doch auf dem Weg!" Ja, nach acht Tagen war der Mann aus Luisendorf tot. Das war ein Vorbedüssel2".
1) Prinz-Leopold-Hütte,1857 von Gustav Nering-Bögel gegründet; Fabrikation von Schiffsketten
2) Vorahnung

275 Schneppenbaum
Das halbe Trinkgeld
Da hatte ein Bauer einen Hasen mit einem Fisch am Wasser gefangen. Das wollte er dem Alten Fritz zeigen. Die Wache aber wollte ihn nicht durchlassen . Da mußte er versprechen, die Hälfte von dem Geschenk, dem Trinkgeld abzugeben. Dann ließen sie ihn durch. Und er zeigte auch dem Alten Fritz den Hasen mit dem Fisch. Es war was Wunderbares. Da konnte er sich etwas wünschen. Der Alte Fritz wollte nichts umsonst. Da wollte der Bauer absolut 24 Schläge auf dem Rücken haben. Der Alte Fritz mußte sie geben, aber er schlug ganz leicht auf den Rücken. Nach dem zwölften Schlag sagte der Bauer: hört auf, das andere Trinkgeld bekommt die Wache!" Da ging der Alte Fritz mit. Der Bauer schlug aber fester.

290 Schneppenbaum
Der Suppenlöffel
Ein Pastor hatte nur zwei Betten. Da kamen um Kirmes die Verwandten und legten den großen Suppenlöffel in das Bett vom Pastor. Im nächsten Jahr kamen die Verwandten wieder. Da war der große Suppenlöffel fort. Da holten ihn die Verwandten aus dem Bett vom Pastor. Da lag er noch. Und der Pastor hatte nur zwei Betten.

297 Schneppenbaum
Wenn der Küster viel lügt
Ein Küster log so viel, daß er's nicht mehr behalten konnte. Da sagte der Pastor, er sollte sich immer ein Steinchen bereit legen für jede Lüge. Wie der Küster beichten kam, fuhr er eine Schubkarre Steinchen vor den Beichtstuhl und schlug sie um. Da machte der Pastor: Pf Pft! Da sagt der Küster : „ Oho, hier is nicks de pisewitte1, hier kommen ter noch mehr."
1) verm. beanstanden

306 Schneppenbaum
Was tot ist, muß tot bleiben
Ene Schuster stirft on wörd vör dood en de Kist gelacht. Du kömmt enen andere noa sín Vrou, met de Doodewak hauje. Du soaten die twee doar on woaren ee Stödske aan't Freie. Du rechden dä in de Kist sech op. Mär du kreeg dan andere sech den Hamer on slug hem oppe Kopp, bis hej dood was. „ Wat dood is,“ sei hen, „ mott dood blieve!"1
1) Ein Schuster stirbt und wird für Tot in den Sarg gelegt. Da kommt eine anderer zu seiner Frau um Totenwache zu halten. Da saßen die zwei da und waren ein wenig an umwerben. Da richtete der sich im Sarg auf. Doch griff der andere sich den Hammer und schlug ihm auf den Kopf, bis er tot war. "Was tot ist," sagte er, " muss tot bleiben!"

Autor:

Günter van Meegen aus Bedburg-Hau

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

46 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.