Ein Bild - Eine Geschichte
Das Monster unter dem Bett

Becki quetschte ihren Teddy so fest, dass ihr die Arme wehtaten. Papa kniete vor ihrem Bett und leuchtete mit der Taschenlampe darunter. Langsam entspannte sie sich. Ächzend kam Papa auf die Füße und schaltete die Lampe aus. „Kein Monster da, du kannst jetzt beruhigt schlafen.“ Er beugte sich zu ihr hinunter, drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und knipste dann die Nachttischlampe aus.
„Müsst ihr wirklich gehen?“ Beckis Stimme klang dünn.
„Ach, Mäuschen.“ Mama kam zu ihr ans Bett und strich ihr sanft über die Stirn. „Es ist nur für ein paar Stunden. Sandra passt auf dich auf.“ Sie wies auf die junge Frau, die im Türrahmen zu Beckis Zimmer stand und ihr nun zuwinkte. „Wir lassen die Tür ein Stück offen. Sie ist im Wohnzimmer und wenn etwas ist, rufst du sie.“
Becki nickte tapfer. Auch Mama drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und dann verließen ihre Eltern das Zimmer, löschten im Flur das Licht und ließen sie im Dunkeln zurück. Nur der Schein der Straßenlaterne sickerte durch die geschlossenen Vorhänge. Aber durch ihn sahen die Schatten in den Zimmerecken noch unheimlicher aus. Sie presste ihren Teddy fest an sich und lauschte in die Dunkelheit. Schabte da nicht etwas unter ihrem Bett?
„Sandra?“ Beckis Stimme war nur ein Flüstern. Sie hörte Musik aus dem Wohnzimmer dringen, dann klingelte ein Telefon.
„Hallo? ... Oh, Thomas. Warte, ich mach eben mal die Tür zu. Ich babysitte und will die Kleine nicht wecken.“ Eine Tür wurde geschlossen und Becki wusste, dass in Sandras Ohren jetzt Kopfhörer steckten und sie ihre Rufe nicht hören würde.
Es schabte wieder unter ihrem Bett. Becki atmete keuchend. Langsam wurde es dunkler im Zimmer, als sich ein Schatten vor dem Fenster materialisierte. Blaue Augen leuchteten in der Dunkelheit und kamen näher.
„Sandra!“ Becki schrie, so laut sie konnte. Sie konnte unter den blauen Augen nun eine Nase erkennen und ein Maul voller spitzer Zähne. Das Monster beugte sich zu ihr. Sie quiekte in den höchsten Tönen, doch keiner hörte sie. Niemand kam, um ihr zu helfen. Sie schluchzte, bekam kaum Luft vor Angst. Eine kalte Kralle berührte die Tränen auf ihrer Wange. Becki hielt den Atem an. Würde sie jetzt gefressen werden? Doch das Monster brummte nur leise. Der tiefe Ton hatte etwas Beruhigendes.
Vor dem Fenster schrie eine Katze. Das Monster zuckte zusammen, schien zu schrumpfen und drehte sich zum Fenster. Die Katze schrie erneut und das Monster rückte dichter zu Beckis Bett, als ob es Angst vor dem Lärm hatte. Erst wagte es Becki nicht, sich zu rühren. Auch das Monster bewegte sich nicht. Es starrte in Richtung Fenster, als ob es durch die Vorhänge sehen konnte. Es wirkte gar nicht mehr bedrohlich. Vorsichtig streckte Becki eine Hand nach ihm aus und berührte mit dem Finger seinen Arm. Es war ganz flauschig und warm. Wieder schrie die Katze und Becki fühlte, wie es zitterte. „Das ist nur eine Katze.“ Das Monster drehte sich zu ihr und sah sie mit großen Augen an. Es zitterte immer noch und Becki wurde klar, dass es größere Angst hatte als sie. „Die tut dir nichts.“ Sie legte die ganze Hand auf den Arm des Monsters und langsam beruhigte es sich. Eine Weile sahen sie sich nur an, dann hob Becki die Bettdecke ein Stück. „Willst du mit drunter?“
Die blauen Augen leuchteten auf, das Monster schrumpfte auf Teddygröße, kuschelte sich fest an sie und fing wieder zu brummen an. Vorsichtig nahm Becki es in den Arm und schlief ein.

„Beeil dich Becki, du kommst sonst zu spät in den Kindergarten!“
„Ich komme gleich.“ Becki lag auf dem Bauch und starrte unter ihr Bett. „Monsterchen?“, flüsterte sie. Aus einer Ecke am Fußende, wohin das Licht nicht reichte, ertönte ein leises Brummen. „Da bist du ja. Ich muss jetzt weg, bin aber heute Nachmittag wieder da.“
„Sofort, Becki!“ Mama kam ins Zimmer, ihren Anorak in der Hand.
Rasch kam Becki auf die Füße. „Ich habe nur noch dem Monster auf Wiedersehen gesagt.“
Mama seufzte. „Becki, es gibt keine Monster. Meinst du nicht, dass es an der Zeit ist, das zu akzeptieren? Du kommst schließlich in ein paar Wochen in die Schule. Du willst doch nicht, dass die anderen über dich lachen, wenn du dich immer noch vor Monstern unter dem Bett fürchtest.“
Becki hörte das leise Brummen hinter sich, doch sie nickte und ließ sich in den Anorak helfen.

„Bist du dir sicher, dass ich nicht nachschauen soll?“ Papa hielt unschlüssig die Taschenlampe in der Hand.
Becki schüttelte entschlossen den Kopf. „Nein. Ich komme bald in die Schule, da kann ich nicht mehr an Monster glauben, sonst werde ich ausgelacht.“
Papa öffnete den Mund. „Wer ...“
Mama nahm ihm die Taschenlampe aus der Hand. „Sie wird groß, unsere Kleine.“ Sie kam zu Becki und küsste sie. „Gute Nacht, Liebes. Schlaf gut.“
Leise schlossen ihre Eltern die Tür hinter sich.
Becki schlug die Decke zurück. „Sie sind weg. Du kannst rauskommen.“ Etwas Flauschiges, Warmes kam ins Bett gekrabbelt und kuschelte sich an sie.
www.sabine-kalkowski-schriftsteller.de

Autor:

Sabine Kalkowski aus Bergkamen

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