Wie das Leben so spielt - Humor
Aschenbrödel oder die lieben Verwandten

Aschenbrödel – oder – die lieben Verwandten
Heute hatten sich meine Verwandten, sehr entfernte Verwandte, angekündigt. Man kennt sich durch irgendwelche Wirrungen erst seit kurzem. Doch heute wollten wir bei den Verwirrungen klären, was zu klären war. Mir schwante nichts Gutes. Nicht, dass ich keine Wohnung hätte oder unter der Laterne schlief, aber…. meine Wohnung konnte man nicht unbedingt als Standard bezeichnen, kein Vorzeiger im bürgerlichen Sinne. Und diese Verwandten schienen mir doch recht bürgerlich zu sein, und nun sollte meine Wohnung auch im bürgerlichen Sinne glänzen und funkeln, im Anschein eines sehr gepflegten Haushaltes.
Drei Tage vorher machte ich mir in weiser Vorraussicht eine lange Liste, wie dies zu bewerkstelligen sei. Aber, wie es so kommt, überfiel mich immer wieder eine bleierne Müdigkeit, wenn ich auf die Liste blickte. Sie war wirklich unmäßig lang und nach einem Tag reduzierte ich sie um ein paar Punkte, nach einem weiteren noch einmal. Damit war leider auch nichts gewonnen, die Realität ließ sich nicht überlisten. Sollte ich das asiatische „wuwei“ praktizieren, zu sagen, mit Nichts Tun ist schon alles getan? Eine verrückte Idee, die kaum weiter bringen würde. Der Dalai Lama sprach gerne von den „Blockierenden Gefühle“, die verhindern, rational zu agieren.
Gut, dann hatte ich jetzt blockierende Gefühle. Sie blockierten mich so sehr, dass ich erst einmal gar nichts tat. Ich ging spazieren, sah einen Film an und schaltete die blockierenden Gefühle aus, doch nur fast. Denn im Hinterkopf wühlten sie wie eine dunkle Wolke, bereit, ein Gewitter auszulösen. Außerdem lag diese blöde Liste immer noch direkt auf dem Wohnzimmertisch und kein Windstoß fegte sie weg.
Ich machte Yoga, ging dann gelassen zu Bett, schlief gut und lange. Sehr entspannt stand ich auf und plötzlich überrollte mich Panik wie ein ausgebrochener Vulkan. Wie und was sollte ich in dieser kurzen Zeit schaffen? Gut ich bemühte mich forma, lehrte den Aschenbecher und riss sämtliche Fenster zum ordentlichen Durchzug sperrangelweit auf.
Wer von den Leuten würden eigentlich kommen? Wenn es die Männer waren, hatte ich leichtes Spiel, ihnen meine Hifi Anlage zu zeigen, die guckten dann nicht nach dem Staub und sonstige Unschönheiten. Wenn aber die Frauen mitkämen, sähe die Sache schon anders aus, denn Frauen unter sich sind die größten Kritikerinnen, sie sehen alles, gerade wenn sie sich als Hausfrauen und schön geputzter Wohnung definieren.
Ich begann mit dem Aufräumen, denn Aufräumen beginnt immer vor dem Putzen. Ich müsste wohl auch das Bad putzen, doch das Bad zu putzen, bevor ich mich gewaschen hatte, war relativ kontraproduktiv. Außerdem, was war wichtiger? Dass die Wohnung gewaschen war– oder ich? Ich überredete mich zu einem warmen entspannenden Bad und überlegte, wie ich weiter vorgehen könnte.
Wenn die Verwandten einen Kaffee wollten, fiel mir ein, hatte ich dazu leider keine Milch und zum Einkaufen war es jetzt verhältnismäßig zu spät.
In einem beginnenden Arbeitsrausch kämpfte ich mich vom Wohnzimmer zur Küche, saugte, wischte und wollte nur noch eben die Schränke abwaschen. Auf der Mikrowelle befand sich ein großer Beutel Erbsen, harte Schälerbsen, in deenen ich in Mikrowelle heiß gemacht aus gesundheitlichen Aspekten meine Hände wärmte. Ich zerrte, zupfte, riss an dem Beutel, ratsch machte es - und der ganze Erbsensegen ergoss sich von oben bis unten in der Küche. Das warf mich um mindestens eine halbe Stunde im Zeitplan zurück. Die Erbsen kollerten überall herum,und es gab
keine Tauben, die dem armen Aschenbrödel halfen, doch ein brüllendes Ungetüm kam mir zu Hilfe und verschlang sie gefräßig in seinem Bauch. Der Staubsauger Beutel war jetzt mehr als voll doch das Erbsenproblem war gelöst.
Die Uhren tickten bedenklich schnell in der Runde. Und tatsächlich, da schellte es.
Die Verwandten kamen zu früh. Sie standen in Jacken im Flur und wollten nicht ablegen, da durch mein intensives Lüften die Wohnung bitterkalt war. Aber ich würde mich jetzt sehr gastfreundlich geben.
„Möchtet Ihr einen Kaffee?“ – „ Oh ja, gerne, aber bitte mit Milch.“

Autor:

Ingrid Dressel aus Bochum

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