„Verstrickt in Familienbanden“: Theaterstück „von den beinen zu kurz“ erzählt von den Folgen sexuellen Missbrauchs

Dyana Krupezki (links) und Jana Deppe entfalten eine Familientragödie vor den Augen der Zuschauer. | Foto: zwanzigfuenfzehn
  • Dyana Krupezki (links) und Jana Deppe entfalten eine Familientragödie vor den Augen der Zuschauer.
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Bei der Geburt ihrer Tochter kommt es zu Komplikationen, so dass die Mutter keine weiteren Kinder bekommen kann. Sie bringt es nicht über sich, das Mädchen zu lieben. Dieses Vakuum füllt der Vater aus, indem er sich dazu hinreißen lässt, die Tochter fortgesetzt sexuell zu missbrauchen. Sie leidet noch als Erwachsene unter der erlittenen Traumatisierung – so sehr, dass sie versucht, das Verhalten ihres Vaters zu rechtfertigen. Das ist die Handlung von Katja Brunners Drama „von den beinen zu kurz“, das das kreative Netzwerk „zwanzigfuenfzehn“ im Wiemelhausener Atelier 2neun2 auf die Bühne bringt.

Die Schweizer Dramatikerin entfaltet das Beziehungsgeflecht mit beeindruckender sprachlicher Wucht. Da ist nicht nur der Vater, der die Grenzen, die die Vater-Tochter-Beziehung setzt, in brutaler Weise einreißt. Da ist auch die Mutter, die das Verhalten ihres Mannes deckt. Mehr noch, sie spricht ihn von Schuld frei und sieht stattdessen ihre minderjährige Tochter in der Verantwortung.

Grenzen werden verwischt

Zunächst scheint die Rollenverteilung klar: Dyana Krupezki spielt die Mutter; Jana Deppe die Tochter. Die heillose Verwirrung der Familienbande führt aber bald dazu, dass diese Grenzen verwischen. Der Vater, der doch die treibende Kraft ist, tritt als Figur kaum in Erscheinung. Die beiden Schauspielerinnen, die derzeit auch in „Time to Close Your Eyes“ im Schauspielhaus zu sehen sind, verkörpern auch die sporadisch auftretenden anderen Figuren: den Arzt, der bei Infektionen im Genitalbereich nicht nachfragt; den Therapeuten, der die junge Frau nur noch tiefer in ihre Schuldgefühle hineintreibt.

Regiedebüt

Das Netzwerk „zwanzigfuenfzehn“ bietet jungen Kreativen die Möglichkeit, eigene Projekte zu verwirklichen. So versucht sich Elena Ubrig, bisher nur als Schauspielerin – etwa in „Spieltrieb“ am Prinzregenttheater – bekannt, hier erstmals als Regisseurin. Sie legt dabei Schicht um Schicht das unheilvolle Nachwirken der Vergangenheit frei. Auch der Selbstmord des Vaters bedeutet für die Tochter keine Erlösung.
Die Inszenierung zeigt auf, wie schmerzhaft das Geschehene für das Opfer nachwirkt: Am Ende spielen Deppe und Krupezki beide die junge Frau, die mit sich selbst in Dialog tritt, um sich davon zu überzeugen, dass ihr geliebter Vater kein Unrecht begangen hat. - Den Schauspielerinnen und der Regisseurin gebührt gleichermaßen großes Lob.

Termine
„von den beinen zu kurz“ ist am Sonntag, 13. Mai, um 20 Uhr wieder im Atelier 2neun2, Wiemelhauser Straße 292, zu sehen.
weitere Termine: Freitag, 18. Mai, 20 Uhr; Samstag, 19. Mai, 20 Uhr.
Karten können unter ticket@zwanzigfuenfzehn.net reserviert werden.

Autor:

Nathalie Memmer aus Bochum

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