Wegerisiko zum Erreichen des Arbeitsplatz
Auch bei höherer Gewalt

Flutkastatrophe in Bern/Schweiz: Es liegt auf der Hand, dass unter solchen Umständen nicht der Arbeitsplatz erreicht werden kann - aber auch bei Ausfall der öffentlichen Verkehrmittel ist es utopisch, vom Beschäftigten zu verlangen, zu Fuß zum Arbeitsplatz zu kommen, wenn er viele Kilometer vom Wohnort entfernt ist, z.B. Entfernung Bochum-Duisburg | Foto: https://www.pexels.com/de-de/foto/brucke-fluss-geflutet-stadt-8770484/
  • Flutkastatrophe in Bern/Schweiz: Es liegt auf der Hand, dass unter solchen Umständen nicht der Arbeitsplatz erreicht werden kann - aber auch bei Ausfall der öffentlichen Verkehrmittel ist es utopisch, vom Beschäftigten zu verlangen, zu Fuß zum Arbeitsplatz zu kommen, wenn er viele Kilometer vom Wohnort entfernt ist, z.B. Entfernung Bochum-Duisburg
  • Foto: https://www.pexels.com/de-de/foto/brucke-fluss-geflutet-stadt-8770484/
  • hochgeladen von Ulrich Achenbach

Durch den aktuellenTarifkonflikt im öffentlichen Dienst sind auch die Beschäftigten des öffentlichen Personen-Nahverkehrs in einen Warnstreik getreten - der völlig berechtigt ist! Die Auswirkungen davon betreffen insbesondere Beschäftigte, die zum Erreichen des Arbeitsplatzes auf die Benutzung des ÖPNV angewiesen sind. Das gleiche gilt bei Naturkatastrophen wie z.B. einem Schneechaos.

Die Abwälzung des Wegerisikos auf Beschäftigte, den Arbeitsplatz unter allen Umständen zu erreichen, ist eine in Gesetz gegossene Machtstellung der Unternehmen. Das gilt selbst bei höherer Gewalt wie z.B. Schneechaos und Ausfall der öffentlichen Verkehrmittel. Der Beschäftigte muss beim Arbeitgeber betteln, ob er sich an Taxikosten für die notwendige Fahrt zur Arbeitsstelle und zurück beteiligt, falls weder eine Bahn noch ein Bus fährt. Nicht alle Beschäftigte haben ein eigenes Auto und auch bei Fahrgemeinschaften hapert es häufig, da Arbeitszeiten und Wege zum Arbeitsplatz kollidieren. Auch spielt ein egoistisches Verhalten vieler Autofahrer eine große Rolle.

Hier beweist sich die Macht der Konzerne auf die Gesetzgebung und sogar Rechtsprechung! Während sich Unternehmen  von ihrer vertraglichen Leistungspflicht durch die AGB`S bei höherer Gewalt oder Streiks befreien können, gilt dies nicht für Beschäftigte!

Nachfolgend Erläuterungen der Rechtslage für das Wegerisiko von Beschäftigten (Quelle: https://www.rab-friedrich-ramm.de/beitrag18_Wegerisiko_des_Arbeitnehmers.html):

Es ist grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers, wie er von seiner Wohnung zur Arbeitsstelle gelangt. Er trägt das Wegerisiko.

§ 616 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet den Arbeitgeber nämlich nur dann zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts ohne Gegenleistung, wenn der Arbeitnehmer "durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden" nicht arbeiten kann. Dies bedeutet, dass sich der Verhinderungsgrund also speziell auf den Arbeitnehmer als Person beziehen muss. In den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallen Krankheit des Arbeitnehmers sowie persönliche Unglücksfälle des Arbeitnehmers wie zum Beispiel ein Wohnungseinbruch, ein Wohnungsbrand, ein Verkehrsunfall (in den er verwickelt ist), ein plötzlicher Defekt des persönlichen Transportmittels (so zum Beispiel, wenn das Auto nicht anspringt oder ein Reifen platt ist).

Ein allgemeiner Verhinderungsgrund, der durch höhere Gewalt (zum Beispiel Unwetter, Verkehrsstau, Streik) hervorgerufen worden ist, reicht somit nicht für eine Eintrittspflichtigkeit des Arbeitgebers aus. Der Arbeitnehmer hat also hier in eigener Verantwortung dafür zu sorgen, dass er pünktlich zur Arbeit kommt. Dies bedeutet, dass er ernsthafte und geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen hat, sich so rechtzeitig auf den Weg zu machen, dass er zur vorgesehenen Zeit mit der Arbeit beginnen kann.

Dem Arbeitnehmer soll also zugemutet werden, bei einem vorhergesagtem Unwetter Stunden vor dem Arbeitsbeginn am Arbeitsplatz zu sein! Das ist ein schwerer Eingriff in das Zeitmangement des Beschäftigten!  Wie er vom Arbeitsplatz zurück zu seinem Wohnsitz kommt, ist dem Unternehmen scheißegal!

Wenn jeder Arbeitnehmer verpflichtet ist, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um pünktlich bei der Arbeit zu erscheinen, so gilt dies im Grundsatz. Dies bedeutet, dass es für die Pünktlichkeitsverpflichtung Zumutbarkeitsgrenzen gibt:
(1) Kann ein Arbeitnehmer praktisch nur durch die Benutzung eines Taxis rechtzeitig zur Arbeit gelangen, so muss er hierfür keine Kosten in Kauf nehmen, die seinen Tagesarbeitslohn betragsmäßig überschreiten. Er ist aber verpflichtet, in einem solchen Falle sich telekommunikativ (E-Mail oder Telefon bzw. Telefax) mit seinem Arbeitgeber in Verbindung zu setzen, um anzufragen, ob sich dieser an den Taxikosten beteiligt.
(2) Auch kann von dem Arbeitnehmer nicht verlangt werden, dass er am Vorabend anreist und im Hotel übernachtet. Anders wird es hier sein, wenn sich der Arbeitgeber bereit erklärt, die Kosten der Übernachtung zu bezahlen.

Wie großzügig! Beschäftigte mit geringem Einkommen - und das ist eher die Regel als die Ausnahme - sollen auf einen ganzen Tagesverdienst verzichten, nur um zur Arbeit zu kommen??? Eine Beteiligung an den Taxikosten steht im Ermessen - also der "Großzügigkeit" des Arbeitgebers, denn er ist dazu nicht verpflichtet!

Wenn überhaupt, haben nur sehr wenige Unternehmen Verständnis und Einsicht gegenüber ihren Beschäftigten, wenn sie aus Gründen der höheren Gewalt oder bei Streiks vom ÖPNV nicht zur Arbeit kommen können und zahlen das Entgelt fort bzw. verlangen dafür keinen Verbrauch der Urlaubstage durch ihre Beschäftigten!

Ich kann nur allen Beschäftigten raten, bei uneinsichtigen ausbeuterischen Arbeitgebern in den o.g. Fällen einfach zu Hause zu bleiben! Das rechtfertigt nicht zur Kündigung! Im Übrigen führen Naturkatastrophen zu großen Ängsten bei vielen Menschen, so dass eine Arbeitsaufnahme unter solchen Bedingungen oftmals nicht möglich ist und ein Arztbesuch erforderlich ist (nach dem Unwetter), der zur Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit führt.

Eine entsprechende Änderung des § 616 Abs. 1 ist zwingend erforderlich um den Tatbestand der höheren Gewalt und dem Ausfall der öffentlichen Verkehrsmittel durch Streik!

Autor:

Ulrich Achenbach aus Bochum

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

21 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.