Willkür Jobcenter Cottbus
Bundessozialgericht muss über 10 Euro entscheiden!

Bundessozialgericht musste ein unsägliches Urteil des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 3 AS 39/20, 05.04.2022 aufheben - Streitwert 10 Euro! | Foto: www.bsg.bund.de/DE/Gericht/Gerichtsgebaeude/gerichtsgebaeude_node.html
  • Bundessozialgericht musste ein unsägliches Urteil des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 3 AS 39/20, 05.04.2022 aufheben - Streitwert 10 Euro!
  • Foto: www.bsg.bund.de/DE/Gericht/Gerichtsgebaeude/gerichtsgebaeude_node.html
  • hochgeladen von Ulrich Achenbach

Kaum zu glauben: Ein Rechtsstreit mit dem Jobcenter Cottbus von 10 Euro! geht bis vor das Bundessozialgericht! Was wie ein verfrühter Aprilscherz klingt, ist bittere Realität! (Quelle: www.hartziv.org/news/20230309-buergergeld-jobcenter-verliert-10-euro-klage-vor-bundessozialgericht)

Der Sachverhalt: 2018 veranstaltete eine Schule in Cottbus während einer Projektwoche ein Zirkusprojekt für die Klassen 1 bis 6. Dafür wurde ein Zelt aufgebaut. Die Gebühr betrug je Kind 10 Euro. Da die Klägerin auf Hartz IV (heute Bürgergeld) angewiesen war, beantragte sie beim zuständigen Jobcenter die Kostenübernahme und berief sich auf das Bildungs- und Teilhabepaket. Dieser Antrag wurde jedoch mit der fadenscheinigen Begründung vom Jobcenter Cottbus abgelehnt, der Wortlaut im Gesetz (§ 28 SGB II) nur Aufwendungen für Schulausflüge und mehrtägige Klassenfahrten umfasse. Weil es auf dem Schulgelände stattfinde, falle das Zirkusprojekt nicht unter diese Beschreibung.

Dagegen klagte die Mutter des betroffenen Kindes vor dem Sozialgericht Cottbus und bekam Recht. Völlig realitätsfern - allein schon wegen des geringen Streitwerts - ging das Jobcenter in Berufung vor das Landessozialgericht und bekam Recht!

Doch die Mutter gab nicht auf und schaltete wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Streitfalls das Bundessozialgericht (BSG) ein und obsiegte! In der Urteilsbegründung des BSG heißt es (Zitat):

Zwar seien die Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten nach allgemeinem Sprachverständnis nicht gegeben, da man für einen Schulausflug gemeinhin das Schulgelände verlasse und das Projekt auf dem Schulgelände durchgeführt worden sei. Doch eine solche, nur auf den Wortlaut bezogene Begrenzung der Leistung verkürze „den Leistungsanspruch planwidrig“.

Das zentrale Anliegen des § 28 SGB II sei „die gleichberechtigte Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an Bildung“. Das gelte gerade an der Schule. Die Hilfe diene dazu, über die typischen Schulausgaben hinausgehende Bedarfe zu decken. In diesem Sinne sei das Zirkusprojekt als „Lernen an einem anderen Ort“ zu bewerten. Die Schule habe eine Veranstaltung organisiert, die „der sozialen Teilhabe der Schulkinder im Klassen- oder Schulverband dient“.

Daher dürfe man die Bürgergeld-Empfängerin nicht auf den Regelbedarf verweisen. Denn, so das BSG: Bildungsbedarfe im schulischen Kontext müssen zur Sicherung des Existenzminimums von Kindern und Jugendlichen gesondert neben dem Regelbedarf erbracht werden, wenn sie von § 28 SGB II erfasst werden (BSG Aktenzeichen: B 7 AS 9/22 R).

Das Jobcenter hat durch seinen nicht zu beschreibenden Bürokratismus willkürlich deutlich mehr Kosten verursacht als den Streitwert von 10 Euro und damit ein Grundschulkind von der berechtigten Teilnahme an einer Bildungsveranstaltung der Schule ausgeschlossen. Die Mutter hat großen Applaus verdient, weil sie sich dem Amtsschimmel entgegengestellt hat. Normalerweise müssten die Verantwortlichen des Jobcenters persönlich für die gesamten Kosten aller Verfahren belangt werden können. Dafür fehlt jedoch die Rechtsgrundlage.

Verfahrensgang:

Sozialgericht Cottbus, S 31 AS 1129/18, 28.11.2019
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 3 AS 39/20, 05.04.2022

Autor:

Ulrich Achenbach aus Bochum

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

21 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.