Bürger-Ansturm auf die JVA

Die JVA an der Castroper Straße ...
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Zum großen Halali auf die handwerklichen Erzeugnisse der Inhaftierten blies am Sonntag, 20.11.11 die Justizvollzugsanstalt an der Castroper Straße in Bochum.

Schon frühzeitig versammelten sich Hunderte interessierter Bürger vor der Pforte 2 an der Karl-Lange-Straße, die ab 14.00 Uhr Einlass gewähren sollte.
„Es ist einfacher, aus dem Gefängnis auszubrechen, als hinein zu kommen“, stellte ein wartender Besucher mit Hinweis auf den letzten Ausbruch lakonisch fest, als deutlich wurde, dass sich mehrere Bedienstete vergeblich abmühten, das große Tor zu öffnen.

Mit zehnminütiger Verspätung und einem beklommenen Gefühl setzte sodann mancher bislang noch Unbescholtene unter den wachsam kontrollierenden Blicken von Polizei und etlichen Bediensteten in der Hoffnung seinen Fuß auf JVA-Gelände, in Kürze etwas Schönes zu ergattern.

Der gelenkte Ansturm auf die Mehrzweckhalle, die als Verkaufsraum diente, führte allerdings für Viele zu der anstrengenden Erkenntnis, dass zwar weitaus mehr Besucher als gedacht in ihrem Innern Platz finden, ein Blick auf die Erzeugnisse jedoch nicht jedem zu vergönnen ist.
Nur anhand der weggetragenen Trophäen war oftmals zu erahnen, was man wegen der unzähligen Rücken vor den eigenen Augen nicht sehen konnte: was man hätte kaufen können, wenn …

Zum Angebot des heutigen Sonntags gehörten verschiedene Gebrauchsgegenstände und Deko-Artikel aus Naturholz, Eisen und Edelstahl sowie aus Papier und Pappe.
Mit handwerklichem Geschick und großer Sorgfalt in den Werkstätten hergestellt, fanden so manche Vogelfutterhäuschen, Elche, Weihnachtspyramiden, Schlitten, Schaukeltiere, Gartengrills und Metall-Laternen sowie zahlreiche Fotoalben, Notizbücher und Sammelordner den Weg auf freien Grund und Boden jenseits der Gefängnismauern.

Der auch in diesem Jahr beeindruckend große Ansturm auf die von den Häftlingen in herausragender Qualität hergestellten Artikel darf bei aller Freude über ein erworbenes Stück durchaus auch einmal innehalten und über die unbekannten Menschen nachdenken lassen, die hinter den gefertigten Produkten stehen, die man dem Personal an den Verkaufsständen fast aus den Händen riß.

Würde man dem Menschen hinter dem Erzeugnis mit derselben Achtung begegnen, wie seinem Werkstück? Oder wiegt die Tat viel schwerer, die ihn in die JVA gebracht hat, so dass man seinen Kindern das Schaukelpferd zwar gerne schenkt, ihn selber aber lieber niemals kennen lernen möchte?
Würde man ihn gleichermaßen schätzen können, wie den von ihm hergestellten Grill, auf den man im nächsten Sommer genussvoll in Freiheit seine Würstchen legen wird, weil man selber stark genug war, nicht den Fehler zu begehen, der andere in unbedachten Augenblicken an den Rand unserer Gesellschaft gebracht hat?
Und wie tritt man demjenigen gegenüber, der hier heute seine Qualitäten sichtbar werden lässt, wenn er wieder draußen ist und an einem Leben in Freiheit teilhaben möchte?

Die Inhaftierten haben Fertigkeiten, mit denen sie bestehen könnten, wenn die Haft beendet ist. Sofern ihnen der Arbeitsmarkt, die Gesellschaft und die Einstellung des Einzelnen zu den Fehlern, vor denen letztlich niemand sicher ist, diese Chance gibt und sie sie nutzen.

Die Verkaufsausstellung der JVA war insofern heute nicht nur ein gewöhnlicher Basar; sie bot durchaus auch Raum zum Nachdenken.
Den Häftlingen bleibt zu wünschen, dass sie ihre Fertigkeiten wahrzunehmen wissen und ihnen der Schritt in ein zweites Leben gelingt. Bis dahin erfahren sie zumindest eine Wertschätzung über ihre heiß begehrten kunsthandwerklichen Produkte.

Autor:

Sabine Schemmann aus Bochum

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