* * Die Birke * * von © Hans Peter Schulzke

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* * Die Birke * *

von © Hans Peter Schulzke Dezember 2004

Es war mal eine Birke, die da in einem Garten stand, und die nun etwas von ihrem Leben erzählen möchte.

Als ich noch ein Samen war, also vor vielen vielen Jahren, wurde ich von einer kleinen Meise fortgetragen, die mich eigentlich fressen wollte.

Doch was hatte ich ein Glück, ich fiel aus ihrem Schnabel zurück, in ein verwildertes Grundstück. Dort konnte ich dann einige Jahre in Ruhe schön und gerade wachsen.

Und wenn ich dann so im Sonnenlicht mich in den Fenstern sehen konnte, weil zu dem Nachbargrundstück ein großes Haus gehört, dann habe ich zu mir selber gesagt - Was bin ich doch ein schöner großer Baum geworden - und vor lauter Stolz platzte mir manchmal sogar ein Stück Rinde.

Dann merkte ich, dass ich nicht so stolz sein sollte. Und weil ich mir das nicht abgewöhnen konnte, platzte mir immer wieder im Laufe der Jahre etwas mehr Rinde.

Bis ich dann sehen musste, natürlich musste ich sehr scharf hinschauen, dass jedes Mal dort wo die Rinde geplatzt war, eine Narbe entstanden ist. Und mit Schrecken stellte ich fest, nach einigen Jahren sahen die Narben gar nicht mehr so schön aus. Sie wurden immer wulstiger, und unansehnlicher, je älter ich wurde.

Also habe ich mir von da an vorgenommen, nicht mehr so eitel mein Spiegelbild in den Fenstern zu betrachten. So vergingen dann wieder einige Jahre, aber ich war nicht mehr mit mir zufrieden, weil ich ja etwas Besonderes sein wollte.

In dieser Zeit kam ein neuer Gartenbesitzer, der den Garten nun sehr schon gestaltet hat, und ich war sein schönster Baum, also wollte ich auch immer etwas ganz Besonderes sein.

Jedes Jahr kommt der Herbst, wo ich meine ganzen Blätter verliere, und dann so lange ohne mein grünes Kleid dastehen muss. Auch das machte mich immer unzufrieden, und ich dachte mir, dieses Jahr werde ich mein Blätterkleid einfach behalten, und mich nicht danach richten, was alle machen.

So kam der Winter, und ich hatte noch immer mein Kleid an, und war ganz stolz darauf, denn ich war der einzige Baum mit Blättern.
Siehste, sagte ich zu mir, es geht doch, man muss nur wollen.

Der erste Frost kam, und meine Blätter waren mit einer dünnen Eisschicht überdeckt. Das tat richtig weh, und mein Kleid war dreimal so schwer wie sonst.
Aber wie hörte ich die Menschen sagen, wer schön sein will, muss leiden. Nun litt ich wieder einmal, weil ich so stolz war. Aber ich war immer noch nicht zufrieden, also sprach ich meine kleinen gefiederten Freunde an, mir zu helfen weil ja bald Weihnachten kam.

Weil ich so groß war, konnte ich in alle umliegenden Gärten schauen, und war immer neidisch, wie schön die Menschen die Tannen schmückten.

Also bat ich darum, mir auch so schöne Sachen zu bringen, damit ich auch zum Weihnachten so schön aussehe.
Die kleinen gefiederten Freunde taten mit den Gefallen. Fleißig stibitzten sie von jeder geschmückter Tanne etwas, um es an meinem Kleid zu hängen.
Und wieder sorgte mein Stolz für eine neue Narbe in meiner Rinde, weil ich es total vergessen hatte. Nun war ich erheblich schöner, als alle Tannen um mich herum.

Ganz erstaunt blickte der neue Gartenbesitzer am anderem Tag zu mir auf, schüttelte den Kopf und murmelte etwas, von unnormal und nicht der Jahreszeit entsprechend, und noch so einiges, was ich aber nicht verstand.
Er holte eine lange Leiter, und ein langes Band mit vielen kleinen Glasperlen daran, und umwickelte mich damit einige Male.

Nun steckte er das Ende da rein, wo er im Sommer immer so einen Kasten auch mit einer kurzen Schnur reinsteckt, dadurch bekam ich Menschenstimmen zu hören, obwohl ich keinen sehe.
Und teilweise kommen dann so schöne Klänge heraus, dass ich mit meinen Ästen einfach mitschwingen muss.
Ja was ist das, nun wurden die kleinen Glasperlen auf einmal alle ganz hell, und ich merkte eine angenehme Wärme, die von den vielen kleinen Perlen ausgehen.

War vor lauter Stolz nicht mehr zu halten, ich schwoll vor Freude an, und reckte mich so gut ich konnte, um den anderen kahlen Bäumen zu zeigen wie glücklich ich nun war, so glücklich war ich in meinem ganzen Leben noch nie gewesen.

Dann kam Weihnachten. Still und bedächtig kam die ganze Menschenfamilie mit Besuch, die ich noch nie gesehen hatte.
Sie stellten sich im Kreis um mich herum, und fingen an zu singen.
- Stille Nacht, und oh du Fröhliche -
Ich musste vor lauter Rührung weinen. Von jedem Blatt tropften bald die Tränen, so nahe ging mir meine Freude und Stolz.

Schnell wurde es dunkel, und dann kamen vom Himmel Schneeflocken, die sich zuerst gar nicht auf meinen von Tränen genässten Blätter halten konnten. Ich musste leise kichern, und durch mein Kichern rutschten die Schneeflocken noch schneller herunter, ach war das lustig.

Aber es kamen immer mehr Schneeflocken, und sie wurden immer dicker, und nun rutschten sie auch nicht mehr ab, weil wieder Frost dazu kam. Der Frost überzog mich nun mit einer glitzernde Schicht, und darauf konnten sich die Schneeflocken richtig festhalten. Es schneite die ganze Nacht, und noch den ganzen anderen Tag in einem durch.
Ich stöhnte schon, denn der Schnee wurde immer schwerer auf meinem nun nicht mehr grünem Kleid.

Ich fragte meine gefiederten Freunde was ich machen soll, lange halte ich diese Last nicht mehr aus, denn meine Äste bogen sich schon bedrohlich nach unten. Einige ganz alte morsche Äste sind schon in der Nacht zu Bruch gegangen, und die Wunden taten nun auch noch weh.
Ja und die Vögel gaben mir den Rat, nun endlich meine ganzen Blätter abzuschmeißen.

Ich habe es versucht, doch das ging nun nicht mehr, weil durch meine Tränen und den Frost alles so vereist war, dass es wie eine zweite Rinde um mich herum war. Dazu kam dann immer mehr Gewicht durch die Schneeflocken, und es hörte immer noch nicht auf zu schneien.

Das laute Kindergeschreie, die sich über so viel Schnee freuten, und einen ganz großen Schneemann gebaut haben, vernahm ich vor lauter Schmerzen gar nicht mehr.
Jetzt war ich nicht mehr stolz und glücklich, sondern stöhnte und ächzte nur vor lauter Schmerzen. Aber es kam noch schlimmer. Zum Abend kam ein heftiger Wind auf, der drückte mich immer mehr zur Seite, und ich konnte mich nicht mehr dagegen stemmen, weil das schwere Gewicht mich immer mehr hinunter zog.

Bis dann mein Schöpfer wohl ein Einsehen mit mir und meinen Schmerzen hatte. Er schickte eine ganz gewaltige Sturmböe, und ich brach mit einem ganz lauten Knall in der Mitte vom Stamm durch.

Meine schöne Krone, mit all den schönen glitzernden Sachen und den vielen Lämpchen stürzten in den Garten. Mit meiner letzten Kraft, drehte ich mich noch so zur Seite, damit ich nicht die schöne Holzhütte unter mir begrub.

Jetzt wo ich nun im Garten liege, und nie mehr meine schöne Krone zum Himmel empor strecken kann, bereue ich das ich so stolz und uneinsichtig war.

Einen schönen Trost habe ich aber noch erhalten, der Gartenbesitzer hat aus einigen schönen Ästen einen großen Ständer gebastelt, und aus dünneren ein Futterhaus.
Nun kommen, obwohl ich ja nicht mehr mit ihnen sprechen kann, alle meine gefiederten Freunde trotzdem täglich zu mir.
Ja und der größte Teil wärmt nun im Winter dem lieben Gartenbesitzer seine Wohnung.
So war ich, obwohl ich mich in meinem Leben falsch benommen habe, doch nicht ganz unnütz.

Ja und bevor nun auch mein großer Mund zu Wärme verwandelt wird, musste ich doch den vielen lieben Menschen von der A A Onlinegemeinschaft hier im Weihnachtsmeeting meine Lebensgeschichte auch erzählen.

Vom Gartenbesitzer Hans Peter habe ich auch so etwas öfters gehört, wenn er im Sommer mit anderen A A Freunden unter mir in meinem Schatten gesessen hatte.

Somit wünsche ich euch Menschen allen ein schönes Weihnachtsfest.

Und lasst es euch eine Lehre sein, falscher Stolz bringt nichts ein.

Autor:

Hans Peter Schulzke aus Bottrop

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