„Beratungsklau“ betrifft auch Castrop-Rauxeler Einzelhändler

Im Internet sieht man nur ein Bild. „Bei uns darf man die meisten Spiele auch ausprobieren“, sagt Susanne Kirchhoff. Foto: Wengorz
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„Dass es in Castrop-Rauxel so viele Leerstände gibt, ist aus meiner Sicht kein Wunder“, sagt Susanne Kirchhoff, stellvertretende Geschäftsführerin von Spielwaren Schnettelker. Wie zahlreiche andere Einzelhändler aus Castrop-Rauxel erlebt sie regelmäßig, dass Kunden sich zunächst umfangreich beraten lassen – dann aber auf günstigere Internetversandhändler ausweichen.

Gute Beratung ist gerade im Spielwaren-Bereich unverzichtbar, weiß Susanne Kirchhoff. Denn ein Spiel möchte man ausprobieren, bevor man es kauft, und sich erklären lassen, wie es funktioniert. All das bietet der Spielwarenladen vor Ort – nicht der Internetversandhändler. Letzterer kann sich dagegen oft die günstigeren Preise leisten.
„Los ging es vor etwa zwei Jahren“, erinnert sich Kirchhoff. Damals hätten erstmals Kunden das Beratungsangebot bei Spielwaren Schnettelker in Anspruch genommen und anschließend ganz unverblümt zugegeben, dass sie das Spiel im Internet bestellen werden. Das sei „günstiger und praktischer“. Vorfälle wie diesen habe es seitdem immer wieder gegeben – ein Unrechtsbewusstsein sei kaum vorhanden. „Wir hatten deshalb deutliche Umsatzeinbußen und mussten vier Teilzeitkräfte entlassen“, so Kirchhoff.

Es kommt zu "Leihtourismus"

Auch Dirk Kowalski, Geschäftsführer des Elektronikmarktes Loskill, kennt das Problem. „Es kommt immer wieder vor, dass Kunden sich zunächst im Geschäft beraten lassen, anschließend ins Internet schauen, dann wiederkommen und uns mit dem günstigsten Preis konfrontieren, der dort zu finden ist“, nennt er ein Beispiel. Viele würden sich dabei allerdings nicht bewusst machen, wie derart günstige Preise zustande kommen.
Ein Problem sei die Umtauschgarantie: „Jeder, der ein Gerät im Netz verkauft, muss es auf Kundenwunsch innerhalb von 14 Tagen zurücknehmen“, so Kowalski. „Dadurch kommt es bei manchen Internet-Kunden zu einem regelrechten Leihtourismus.“
Geräte würden bestellt, 14 Tage lang ausprobiert und schließlich wieder zurückgesandt. Nicht selten würden solche bereits mehrfach genutzten Geräte dann von Billig-Versandhändlern angeboten. „Kunden kommen zu uns und berichten, sie hätten ein Gerät im Internet bestellt, das bereits Kratzer habe oder vorprogrammiert sei“, schildert Kowalski seine Erfahrungen. Zum Teil würden sogar bereits reparierte Geräte im Netz als Neuware angeboten.
Trotz einiger Negativerfahrungen ist Kowalski überzeugt, sich gegen den Internethandel behaupten zu können. Den meisten Kunden sei bewusst, dass gerade elektronische Geräte sehr beratungsintensiv sind – und zwar auch über den tatsächlichen Kauf hinaus. „Spätestens, wenn ein Gerät defekt ist und ich es beim billigsten Anbieter im Netz gekauft habe, habe ich ein Problem.“ Denn im Falle einer Reparatur müsse man sich grundsätzlich an den Händler wenden. Billiganbieter im Netz würden sich aber häufig auf schnelle Geschäfte konzentrieren und nach kurzer Zeit wieder vom Markt verschwinden.

"Man muss mit der Zeit gehen"

Erfahrungen wie diese hat auch Jens Grosse-Kreul, Geschäftsführer des Schuhgeschäftes Grosse-Kreul, gemacht. Und auch er weiß, dass Kunden beim vermeintlich billigeren Internet-Kauf nicht immer gut bedient sind. „Im Winter hatten wir Kunden im Geschäft, die sich im Internet UGG-Boots bestellt hatten. Sie haben den vollen Preis bezahlt, aber nur eine billige Kopie erhalten.“
Dass es ohne die Beratung vor Ort nicht geht, würden bereits einige Online-Händler erkennen und richtige Geschäfte in den Innenstädten beziehen, erklärt Grosse-Kreul. Aber auch als Einzelhändler müsse man aus seiner Sicht mit der Zeit gehen und den Service auf Online-Angebote ausweiten.
Den Zeichen der Zeit hat sich auch Susanne Kirchhoff vom Spielwarengeschäft Schnettelker angepasst. „Man muss kreativ werden, um mithalten zu können“, ist sie überzeugt. „Wir arbeiten mit verschiedenen Großhändlern zusammen und haben oft die Möglichkeit, etwas zu besorgen, das bei Amazon nicht lieferbar ist“, nennt sie ein Beispiel. Und man habe sich besondere Aktionen und Angebote für die Kundenbindung einfallen lassen.
Sie habe aber auch den Eindruck, dass seit den Streiks bei Amazon ein allgemeines Umdenken stattfinde. „Viele Kunden wurden erst dadurch über die Arbeitsbedingungen dort informiert. Wir merken seitdem, dass sich die Situation für uns wieder bessert.“

Autor:

Verena Wengorz aus Castrop-Rauxel

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