„Immer in Lebensgefahr“: Erinnerungen an den Bunker an der Holzheide

„Eingerahmt von Blättern und Sträuchern, bemerkt man den Bunker erst auf den zweiten Blick“, sagt Brigitte Breuner. Sie brachte mit ihrer Frage nach der Geschichte des Bunkers den Stein ins Rollen. Foto: Breuner | Foto: Breuner
  • „Eingerahmt von Blättern und Sträuchern, bemerkt man den Bunker erst auf den zweiten Blick“, sagt Brigitte Breuner. Sie brachte mit ihrer Frage nach der Geschichte des Bunkers den Stein ins Rollen. Foto: Breuner
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„Was wissen Sie über den Bunker an der Holzheide in Ickern?“ Nachdem wir diese Frage in der Stadtanzeiger-Ausgabe vom 19. Februar gestellt hatten, ließen uns viele Leser an ihren Erinnerungen teilhaben. Hier lesen Sie nun den zweiten Teil der Geschichten rund um den Bunker.

„Von der Lakestraße bis zum Bunker waren es 200 bis 300 Meter“, erinnert sich Günter Bojak. Damals war er vier Jahre alt. „Wenn die Flieger im Anmarsch waren und der Fliegeralarm kam, wurde es Zeit für uns, in den Bunker zu kommen.“ Manchmal habe ihn seine Mutter aus dem Schlaf gerissen. „Sie sagte ‚Lauf los‘ zu mir. Ich antwortete: ‚Ich kann nicht.‘ Dann nahm sie mich auf den Arm und trug mich.“
Die Kinder hätten öfter vor dem Bunker gespielt. „Wir haben ‚Und wer im Januar geboren ist, tritt ein. Er macht im Kreis einen tiefen Knicks‘ gesungen. Man hat sich Monat für Monat vorgearbeitet. Da ich im November geboren bin, kam ich meistens nicht in den Kreis, denn dann wurde schon wieder Alarm ausgelöst und wir mussten zurück in den Bunker. Er war ausgebaut, ähnlich wie in der Zeche. Einige hatten Klappstühle dabei. Es war ziemlich eng. Der Luftschutzwart kam und beruhigte die Leute. Er sagte: ‚Hier seid ihr sicher.‘“ Bei einem schweren Angriff habe der Bunker gewackelt, erinnert sich Bojak. „Ich hatte Angst.“
Werner Walldorf wuchs an der Recklinghauser Straße auf, rund 300 Meter vom Bunker an der Holzheide entfernt. „Dieser Tiefstollen hat vielen Bürgern aus Ickern das Leben gerettet“, sagt er. Auch seine Familie und er suchten dort „viele, viele Male Schutz. Wir haben dort viele Stunden verbracht, in denen draußen die Bomben fielen. Man fühlte sich dort recht sicher.“
Der besagte Stolleneingang an der Holzheide müsse 1942 gebaut worden sein, meint Walldorf. „Plötzlich, fast über Nacht, war dort eine Baustelle. Für uns Jungs ein wunderbarer Spielplatz, auch oder gerade weil es verboten war. Wir haben dort recht viel Unsinn gemacht. Manchmal auch gefährliche Dinge. Aber das war zu der Zeit etwas anders als heute. Wir schwebten eigentlich immer in Lebensgefahr. Mir war das auch schon als Kind bewusst. Also lebten wir für den heutigen Tag. Was morgen war, wusste keiner.“
„Manchmal sind wir jede Nacht bei Alarm reinmarschiert“, erzählt Elfriede Große-Schware über den Bunker an der Holzheide. „100 Stufen ging es hinunter.“ Ihrer Information nach wurde der Bau des Tiefbaustollens von Bergrat Werner Dubusc eingeleitet. „Man sagte damals, dass er gar keine Erlaubnis dazu hatte.“ Die 90-Jährige kann sich gut daran erinnern, dass Dubusc regelmäßig vorbeigekommen sei, um im Stollen nach dem Rechten zu sehen.
„Am 11. November 1944 wurden wir in Ickern schwer bombardiert“, erinnert sich Hans Peter Spaeth. Mit seiner Familie lebte er damals in einem Haus in der unmittelbaren Nachbarschaft des Bunkers und fand dort regelmäßig Schutz. So auch an diesem Tag. Nach dem Bombenangriff seien die Häuser in der Nachbarschaft nur noch Schutt und Asche gewesen, während glücklicherweise niemand aus seinem Umfeld ums Leben gekommen sei.
„Ich hatte einen Onkel, der an der Friedrichstraße wohnte. Bei ihm kamen wir zunächst unter“, erzählt der 78-Jährige. Durch den Bombenangriff seien allerdings einige Abflussleitungen zerstört worden, weshalb der Keller des Onkels unter Wasser gestanden habe. „Es kam ein Bombenangriff ohne Vorwarnung. Wir rannten in den Keller, konnten dort aber keinen Schutz finden, weil alles überschwemmt war“, so
Spaeth. „Mein Vater war eigentlich ein sehr ruhiger Mensch, aber in diesem Moment wurde er völlig panisch.“ Sein Bruder sei dann mit ihm zum Bunker gerannt. Noch auf dem Weg hatten sie sich wegen der fallenden Bomben an einer Stelle flach auf den Boden legen müssen. „Als wir später aus dem Bunker kamen, war genau an dieser Stelle eine Bombe eingeschlagen“.
Ein einziges Mal sei jemand in dem Bunker zu Tode gekommen, erinnert sich Emil Sadlowski. „Mein Vater war dort damals Bunkerwart und er war auch am Bau beteiligt“, erzählt er. Die Luftschächte des Bunkers seien damals gemauert worden, und über dem Mauerwerk habe es jeweils eine Betonplatte gegeben. „Einer dieser Schächte war noch nicht fertig, und genau da ist eine Bombe reingefallen“, weiß der Ickerner. Wie Hans Peter Spaeth lebte auch er in unmittelbarer Nachbarschaft des Bunkers und fand dort während der schweren Bombenangriffe 1944 Schutz.
„Ein ähnliches Tiefbau-stollensystem gibt es beispielsweise auch in Rauxel“, sagt Guido Dickmann. „Ein Einstiegsbauwerk war an der Maxstraße. Von dort ging es unter dem Hauptbahnhof weiter Richtung Zeche“, meint unser Leser. Mittlerweile solle jedoch alles verfüllt sein.

Den ersten und dritten Artikel über den Bunker an der Holzheide lesen Sie hier: http://www.lokalkompass.de/castrop-rauxel/leute/der-stollen-hat-vielen-menschen-das-leben-gerettet-d404476.html und hier: http://www.lokalkompass.de/castrop-rauxel/leute/stempel-und-kappen-im-stollen-auswechseln-d410027.html

Autor:

Lokalkompass Castrop-Rauxel aus Castrop-Rauxel

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