Literatur-Hotel-Preis 2011 - Berit Heinrich "It's not like in the movies"

Berit Heinrich. Foto. Heinz Kunkel
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Die folgende Geschichte handelt von einer 20-jährigen Kunstgeschichtsstudentin. Das Genre lässt sich also nicht wirklich in Komödie, Drama oder gar Horror einordnen. Sie ist eine Meisterin des „Zerdenkens“. Das Wort kennen Sie nicht?- Seien Sie beruhigt, Word auch nicht. Das hängt damit zusammen, dass es nicht im allgemeinen Wortgebrauch genutzt wird und auch nicht existiert. Wie übrigens die meisten ausgefallenen Wörter, wie auch wumpe und schnackeln, aber das nur als Einschub. Kommen wir auf das Zerdenken zurück. Es schwirren in ihrem Kopf Fragen wie:
„Bin ich verrückt oder sind es die Anderen? Ist es nur für mich schwierig? Ist es überhaupt schwierig oder mache ich alles kompliziert? Ist es irgendwann auch mal einfach? Gibt es DIE Lösung? Gibt es eine Lösung? Wie kann ich selbstständig und unabhängig sein, wenn mein Leben beeinflusst wird von Anderen? Ertrage ich besser Gewissheit oder ist Ungewissheit ein versteckter Schutzfaktor vor der oftmals ernsten Wahrheit? Kann ich die Wirklichkeit verändern? Macht dumm glücklich? Wie kann ich aufhören zu denken? Warum kann es nicht einfach mal einfach sein? Und: Warum wird am Ende alles wieder gut, ohne das wir wissen, warum es wieder gut ist?“ herum.
Fragen über Fragen, die aus einem Selbst-Hilfe-Ratgeber für Frauen stammen könnten (Sicher ist, die Fragen hängen nicht mit dem Studienfach zusammen.). Schlägt man nun wirklich in solchen Ratgebern nach, natürlich nur aus Interesse, weil die Schwester einer Freundin, der Tante, der Chefin zufällig einen übrig hatte, bemerkt man relativ schnell, dass die Tipps so gar nicht auf diese doch wirklich existenziellen Fragen anwendbar sind.
Wäre es nicht schön sich mit 20 noch mal im Kindergarten anmelden zu können und Jeden seinen Freund zu nennen, nur weil er großzügig seine Schaufel verleiht? Alle sagen, dass die Studienzeit die beste des Lebens sei, aber es muss die Kindergartenzeit sein. So unbeschwert und einfach wie in diesen Jahren ist es nie wieder. Man ist nicht für sein Handeln verantwortlich. Das Böseste, was einem in den Sinn gelangt, hängt mit Haare-Ziehen und Schaufel-Raub zusammen. Man hat immer Freunde. Man wird geliebt. Man stellt sich keine komischen Fragen. Man denkt nicht. Das klingt verlockender als: Studium, Ungewissheit, Liebeskummer, Arbeit, Selbstständigkeit und Co.
Insgeheim sehnt sich jeder nach dieser Zeit zurück- wieder und wieder. Um den weiteren Verlauf des Fragen-Wirr-Warrs in Grenzen zu halten, beschränken wir uns auf ein Thema, dem allseits bekannten, geliebten und zugleich verhasstem Thema: LIEBE. Direkt zu Beginn wieder eine Frage: Wer bitte hat sich den Kram mit den Gefühlen ausgedacht? Nicht nur, dass wir dadurch ein Wort gefunden haben, um das entsetzliche Gefühl auszudrücken, wenn wir mit dem kleinen Zeh gegen die Bettkante hauen, nämlich: Schmerz. Nein, alle unbeschreibbaren Gegebenheiten werden als Gefühl deklariert, so auch Liebe. Wie kann etwas, das nicht greifbar ist, so ein Chaos anrichten? Und bitte, wie kann man Gefühle deuten, wenn zum Beispiel das Verliebt-Sein-Kribbeln bei manchen Menschen an eine Magen-Darm-Grippe erinnert? Was aber genau ist Verliebt-Sein? Ist es wie mit der Farbe „Blau“. Sehen wir alle das gleiche Blau, wenn wir von Blau sprechen oder nehmen wir es alle anders wahr? (Wieder eine Frage!) Es gibt für alles Verallgemeinerungen und Gesetze. Wieso bitte kann niemand genau bestimmen, was in mir vorgeht? Bin ich nun verliebt oder ist es der Wunsch verliebt zu sein, weil es Frühling ist und die Gesellschaft vorgibt, verliebt sein zu müssen? Warum erscheint bei meinem Gegenüber nicht einfach ein Leuchtbanner auf der Stirn, mit dem aktuellen Gefühl? Und warum ist es eigentlich nicht wie im Film? Im Film ist klar: Ach, die kommen zusammen, ohne das großartig Blicke, Gesten und Worte gefallen sind. Im echten Leben wartet alles und jeder auf ein Zeichen. Was für den Einen Nichts ist, ist für den Anderen ein Schlag mit dem Zaunpfahl. Folgender Entschluss der Kunstgeschichtsstudentin, zu deren Hauptaufgaben das Erkennen und Deuten von Zeichen gehört: „Zeichen? Helfen nicht und sagen rein gar nichts aus, denn jeder deutet sie anders!“ (An der Stelle muss einmal Frust abgelassen werden: Es kann doch nicht wirklich angenommen werden, dass all die Künstler das mit ihren Bildern und Texten ausdrücken wollen, was wir, teilweise Jahrhunderte später, dort hinein interpretieren. Das ist nur erfunden worden, um den Schülern eine sinnlose Aufgabe im Deutsch- und Kunstunterricht zu geben. Viel sinnloser ist aber die Bewertung einer subjektiv wahrgenommenen Intention, aber das nur am Rande.)
Was ist eigentlich aus den „Willst du mit mir gehen?-Kreuze an“-Zettelchen geworden? Wer zum Teufel hat bestimmt, dass das nur in fünften Klasse machbar ist. Es ist doch bekannt, das je älter man wird, alles komplizierter wird- gut, man muss es anders formulieren: Man macht es sich komplizierter! Wie viel weiter würden wir kommen, wenn wir unserem oder unserer Angebeteten, die uns den Kopf verdrehen einen Zettel mit der einfachen Frage zustecken würden. Wahrscheinlich würde man nicht ernst genommen werden. Aber wird man das, wenn man großartig ausholt und mit dem Gegenüber über Gefühle sprechen will? Es kostet nicht nur Unmengen an Überwindung- Nein, es kommt zu einem Dialog, der im Film immer zum Happy Ending führt, im wahren Leben nur für Verwirrung sorgt und abschreckt- vor allem die Männer.
Hier möchte ich mich kurz auf die Seite der Männer schlagen: Was soll ein Mann attock auf die Fragen: „Was ist das zwischen uns?“ oder „Liebst du mich?“ antworten, wenn er mit den Gedanken gerade bei Fußball, seiner Traumfrau, einer Flasche Bier, Autos und seinem Hungergefühl ist (Gut, das sind Klischees, aber ausgleichend für das anfängliche Sympathisieren mit den Männern). Welches Gefühl soll er da nun beschreiben, ohne zu lügen und ohne sie zu verletzen. Im Film ist das anders: Erst hasst man sich, dann merkt man, dass man die Unterschiede attraktiv findet und daraufhin erobert der Mann die Frau.
Nun habe ich aber erst kürzlich von einem Kommilitonen erklärt bekommen, dass der moderne Mann nicht mehr erobern möchte, sondern erobert werden will. Es wird natürlich schwer, wenn beide erobert werden möchten UND auf Zeichen gewartet wird. Am besten versucht man dann noch seinen Partner über das Internet kennen zu lernen. Dass das nicht funktionieren kann, versteht sich (anscheinend nicht) von selbst. Was macht man nun, wenn man realisiert hat, dass es nicht läuft, wie im Film? Man fragt die Freunde, wie man es anstellen soll mit dem Gefühlschaos umzugehen, im Bestfall sich nicht komplett zu blamieren und eine Beziehung zu erlangen und keinen Korb zu bekommen. Eine äußerst hilfreiche Antwort: „Mach das was dein Bauch dir sagt“. DIESER Tipp hilft vielleicht wenn man Hunger hat, aber nicht, wenn man sich gerade in das Problem hineingesteigert hat. Das können Frauen schließlich besonders gut.
Nach lesen dieser Geschichte denken sicherlich Einige: Ach schon wieder diese alter Leier. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal erwähnen, dass es sich hierbei um einen Text aus Sicht einer 20-jährigen Kunstgeschichtsstudentin handelt. Die sind vielleicht ein bisschen naiv oder gutgläubig, das gibt das Fach schon vor. Aber die letzte royale Hochzeit zwischen Kate und William zeigt, dass man es mit diesem Studium auch ganz weit nach vorne bringen kann. Im Notfall wird man halt Prinzessin, dann hat sicher auch andere Sorgen, als oben geschildert.

Autor:

Berit Heinrich aus Dinslaken

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