100 Jahre Westfälischer Industrieklub

Über das 100-jährige Jubiläum des Westfälischen Industrieklubs freuen sich (v.l.) der stellv. Vorsitzende Dirk Rutenhofer, Vorstandsvorsitzender Joachim Punge, Franz Hirthammer  vom Vorstand und Rudolf Brickenstein, ehemaliger Vorstandsvorsitzender und Ehrenmitglied des Klubs. | Foto: Jan Heinze
  • Über das 100-jährige Jubiläum des Westfälischen Industrieklubs freuen sich (v.l.) der stellv. Vorsitzende Dirk Rutenhofer, Vorstandsvorsitzender Joachim Punge, Franz Hirthammer vom Vorstand und Rudolf Brickenstein, ehemaliger Vorstandsvorsitzender und Ehrenmitglied des Klubs.
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Diesen Schneid muss man erst einmal besitzen, und er spricht für das Dortmunder Selbstbewusstsein: Mitten in den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Unruhen zum Ende des ersten Weltkrieges konstituiert sich der Westfälische Industrieklub (WIK) in der Westfalenmetropole.

„Die Initiative ergriff Gummiwaren-Fabrikant Wilhelm Pahl – ein Mittelständler. Er wollte als Gegenentwurf zu den branchenspezifischen Fachverbänden einen neutralen Ort zur Aussprache über Interessen aller Vertreter der Westfälischen Industrie schaffen. Dies ist ihm gelungen“, erklärt Joachim Punge, Vorstandsvorsitzender des WIK. Am 13. März jährt sich die Gründung zum hundertsten Mal. 

Geschichte geprägt von Kriegen, Strukturwandel, Konjunkturen und Krisen

 Sein rundes Jubiläum feiert der Industrieklub auf den Tag genau mit einem feierlichen Festakt und vielen Gästen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft in der Reinoldikirche. Die Festrede hält Wolfgang Clement. Auch wenn der Anstoß von einem Mittelständler kam, in den frühen Jahren bestimmten die drei klassischen Säulen der Dortmunder Wirtschaft – Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie sowie Brauereigewerbe – die Struktur des Klubs. Doch auch die mittelständische Wirtschaft, mehr noch die Präsenz der alten Dortmunder Familien, war im Erscheinungsbild nicht zu übersehen. „Es gab ein Ziel, das alle verband: Förderung und Fortentwicklung der ideellen und wirtschaftlichen Interessen der heimischen Industrie, Wirtschaft, des öffentlichen Lebens sowie der Mitglieder durch Austausch beruflicher Informationen und Erfahrungen, durch Vorträge und dem Gespräch“, so Punge. „Dies ist bis heute so geblieben. Allerdings hat sich die Mitgliederstruktur inzwischen drastisch geändert.“ Der Klub steht Interessierten aus den unterschiedlichsten Branchen offen. Zu den derzeit 530 Mitgliedern gehören Unternehmer aus dem tertiären Sektor, Freiberufler und Wissenschaftler.

Gustav Stresemann und Otto Hahn zu Gast

Nach dem ersten Weltkrieg bis in die 40er Jahre trafen sich hier jedoch hauptsächlich die Eliten der Montanindustrie und lauschten Vorträgen mit wirtschaftlichen, politischen und historischen Inhalten. Zu den renommierten Gästen zählten keine geringeren als der Weimarer Außenminister Gustav Stresemann, der bekannte Afrika-Forscher Leo Frobenius, der Entdecker der Kernspaltung, Prof. Otto Hahn und Operndirigent Wilhelm Sieben. Die Weltwirtschaftskrise sorgte vermehrt für Austritte. Von der Gleichschaltung im Dritten Reich blieb man zunächst verschont – wohl auch, weil sich die Klubführung mit nichtpolitischen und kulturellen Themenabenden virtuos zwischen Anpassung und Distanz bewegte. Erst mit der endgültigen Gleichschaltung des WIK und der Satzung von 1940 wurden die Ideale von 1918 endgültig korrumpiert, wie sich bei Vorträgen von NS-Größen zeigen sollte. 1943 setzten die Bomben der Alliierten dem ganzen ein Ende – das Klubgebäude – das Nordsternhaus – lag in Trümmern. Erst 1961 sollte der WIK in den Räumen am Alten Markt wieder einen Wohnsitz erhalten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg trennte sich der WIK stillschweigend von kompromittierten Personen der Nazi-Ära. „Wer sich eingehender mit der deutschen Nachkriegsgesellschaft beschäftigt, wird feststellen, dass eine wirkliche Auseinandersetzung mit der NS-Zeit leider nicht stattfand. Stattdessen erfolgte eine Rückwendung zu bürgerlichen Wertvorstellungen, und gemäß der bewährten Tradition wurden belastete Mitglieder einfach hinausgeschwiegen’“, erklärt Dirk Rutenhofer, stellv. Vorstandsvorsitzender des WIK.

Herausforderung Strukturwandel

Vom Wirtschaftswunder der 1950er Jahre profitierte der Industrieklub. "Im Unterschied zu anderen Städten war die wirtschaftlich führende Schicht nicht abgeschottet. Viele erfolgreiche Unternehmer sind die Söhne und Enkel von Handwerkern sowie kleinen Kaufleuten. Der soziale Aufstieg wird nicht durch gesellschaftliche Barrieren blockiert. Wer Erfolg hat, wird mit offenen Armen aufgenommen“, so Rutenhofer. 1952 besuchte Bundespräsident Theodor Heuß den WIK und ein Jahr später Bundeskanzler Konrad Adenauer.
Der Strukturwandel führte zu tiefgreifenden Umbrüchen. Eine Entwicklung die auch die Dortmunder als Chance verstanden. Erstmals wurden Frauen als Klubmitglieder aufgenommen. Zudem dominieren bei den Mitgliedern inzwischen Mittelstand und Tertiärer Sektor.
Auch gegenwärtig steht die Gesellschaft vor tiefgreifenden Umwälzungen: Die Digitalisierung schreitet voran und wird die Arbeitswelt drastisch verändern. „In Zeiten neuer Medien und einer Überflutung mit Informationen will sich der Klub erweitern und vor allem auch verjüngen. "Dies ist zuweilen ein Spagat, da wir uns von lieb gewonnenen Traditionen nicht gänzlich verabschieden möchten“, erklärt Punge. So versteht sich der Klub zunehmend als Forum, auf dem Wissenschaftler und Institute ihre Arbeiten präsentieren können. Das findet generationsübergreifend Interesse bei den Mitgliedern und könnte noch weiter ausgebaut werden. Deshalb ist der Vorstandsvorsitzende zuversichtlich: „Unsere Welt wird sich immer schneller verändern, und als Adresse und Stimme der Wirtschaft wollen wir dabei sein.“ Über das 100-jährige Jubiläum des Westfälischen Industrieklubs freuen sich (v.l.) der stellv. Vorsitzende Dirk Rutenhofer, Vorstandsvorsitzender Joachim Punge, Franz Hirthammer vom Vorstand und Rudolf Brickenstein, ehemaliger Vorstandsvorsitzender und Ehrenmitglied des Klubs.

  • Der „Westfälische Industrieklub e.V.“ wurde 1918 gegründet und versteht sich seit seiner Neuausrichtung im Jahr 2000 als „Wirtschaftsklub“. 
  • Er bezweckt die Förderung der allgemeinen ideellen und wirtschaftlichen Interessen der heimischen Industrie, der Wirtschaft, des öffentlichen Lebens und seiner Mitglieder. 
  •  Er strebt diese Ziele insbesondere durch Austausch beruflicher Informationen und Erfahrungen, durch Vorträge und sonstige Anregungen aller Art an.
  • Aktuell gehören dem Dortmunder Klub über 500 Persönlichkeiten an.
Autor:

M Hengesbach aus Dortmund-City

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