LSG NRW, L 6 AS 120/17, 23.06.2022
Jobcenter schickt Miete an den alten Vermieter

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Am 15.05.2023 fand eine öffentliche Sitzung der 60. Kammer des Sozialgerichts Dortmund gegen das Jobcenter Märkischer Kreis statt. (S 60 AS 4813/18)

Ein junger Mann war wohl vom Jobcenter Märkischer Kreis aufgefordert worden seine Miete zu senken, weil seine Miete für einen Single in Lüdenscheid im Jahr 2017 angeblich zu teuer gewesen war. Im Termin sagte er aus, dass er regelmäßig monatliche Zuzahlungen zur Miete aus seiner geringfügigen Beschäftigung als Eigenbeteiligung aufbringen musste. Die Höhe bezifferte er nicht.

Die Miete sollte direkt vom Jobcenter an seinen Vermieter angewiesen werden. Im Jahr 2017 sprach er mehrmals mit einem Betreuer beim Jobcenter vor, um bei der beabsichtigten Wohnungssuche keine Fehler zu machen. Dem Jobcenter zu vertrauen, war ein Fehler.

Der Kläger fand eine neue Bleibe, die der Mietobergrenze des Jobcenters genügte, eine Mietbescheinigung wurde beigebracht und und die Wohnungskündigung und die Neuanmietung wurde durch das Jobcenter Lüdenscheid legitimiert.

Im Termin trug der Kläger vor, dass der Noch-Vermieter am 28.10.2017 bereits einen Besichtigungstermin für drei Interessenten für Donnerstag, 02.11.2017 absprach. In diesem Termin fiel eine Entscheidung zugunsten eines Interessierten zum 01.12.2023. Am Dienstag, 07.11.2023 war der zuständige Sachbearbeiter über die Entwicklung informiert worden. Das Ende des Mietverhältnisses in Lüdenscheid war somit frühzeitig bekannt gegeben, um die Änderung der Mietanweisungen vorzunehmen.

Unser Vereinsmitglied Hans-Joachim Streuber hatte das Verfahren ebenfalls mit beobachtet. Ich fragte ihn später, welche Beobachtungen er gemacht hätte. Er meinte: "Die Richterin und der Verfahrensbevollmächtigte des Jobcenters U.P. wirkten beim Thema "überhöhter Mietkosten" ertappt.  Beide - sowohl Richterin Baldschun wie auch  der anwesende Prozessbevollmächtigte waren auch an dem Verfahren LSG NRW, L 6 AS 120/17, 23.06.2022 beteiligt. Beide wussten also ganz genau, dass die damalige Aufforderung zur Mietsenkung keinerlei Rechtgrundlage hatte. Aber beide überspielten diese belastenden Fakten bestmöglich. Allerdings waren Herr Streuber und ich als Prozessbeobachter auch in dem LSG-Termin am 23.06.2022 beim LSG NRW persönlich anwesend.
Der Kläger und sein Anwalt konnten getäuscht werden. Wir nicht.

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Das Jobcenter Märkischer Kreis war über einen beabsichtigten Umzug zum 01.01.2018 informiert. Auch als sich abzeichnete, dass der Umzug einen Monat vorverlegt werden sollte, und ein Nachmieter die Wohnung bereits zum 01.12.2017 übernehmen wollte

Bundesgerichtshof bejaht unmittelbaren Rückforderungsanspruch eines Jobcenters gegen Vermieter wegen Mietzahlung nach Vertragsende

Mit BGH-Urteil vom 31. Januar 2018 - VIII ZR 39/17  hatten die Richter entschieden: Direktzahlung von Wohnraummiete durch das Jobcenter an den Vermieter: Anspruch auf Herausgabe einer versehentlich erfolgen Zuvielzahlung nach Beendigung des Mietverhältnisses.

"Hat das Jobcenter das dem Wohnungsmieter zustehende Arbeitslosengeld II als Bedarf für Unterkunft und Heizung versehentlich auch noch nach der Beendigung des Mietverhältnisses im Wege der Direktzahlung nach § 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II an den bisherigen Vermieter gezahlt, kann es
von diesem - unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden (widerrufenen) Anweisung - unmittelbar die Herausgabe der ohne rechtlichen Grund erfolgten Zuvielzahlung im Wege der Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB) verlangen."

Richterin Baldschun machte sich diese Entscheidung leider nicht zueigen. Sie drängte den Kläger in die Entlastung des Jobcenter Märkischer Kreis und regte einen Vergleich zum Nachteil des Klägers an.

Mietzahlung durch das Jobcenter – nach Vertragsende

Das Jobcenter weigerte  sich hartnäckig die Verantwortung für die Fehlbuchung zu übernehmen und die 274,00 € an den Kläger zu erstatten. Der Ex-Vermieter kassierte somit für Dezember 2017 zwei Mieten und verweigerte die Herausgabe an den Kläger.

War der Kläger verantwortlich für die Fehlbuchung durch das Jobcenter?

Während der Kläger plausibel und glaubwürdig vortrug, das Jobcenter frühzeitig 
informiert zu haben, verzichtete Richterin Baldschun auf die Anhörung des Zeugen, der den Kläger in jener Zeit intensiv begleitet hatte.

Immerhin hatte der Kläger im Verfahren mitgeteilt, dass er bereits am 28.10.2017 mit seinem Ex-Vermieter einem Besichtigungstermin für drei Interessenten für Donnerstag, den 02.11.2017 abgesprochen hatte und dieser noch im Besichtigungstermin einem der Interessierten einen Vertrag zur Wohnungsübernahme ab dem 01.12.2017 zugestimmt habe. Damit wurde er selbst zum Monatsende aus seinem Vertrag entlassen, einen Monat früher als geplant war. Weiter erinnerte er sich daran, dass er die Änderung bereits am Dienstag, 07.11.2017 dem Jobcenter mitgeteilt hatte. Damit war er seiner Mitwirkungspflicht gegenüber dem Jobcenter rechtszeitig nachgekommen, so dass die Änderung der Kontodaten für die Miete an den neuen Vermieter weit vor Zahlungslauf bekannt war.

Richterin Baldschun räumte ein, dass sie in der ihr vorgelegten Akte keine Notizen über telefonische Rückmeldungen oder persönliche Vorsprachen zum vorzeitigen Wohnungswechsel vorgefunden habe mit Ausnahme einer Aktennotiz vom 29.11.2017 von 8:24 Uhr. Aus dieser Notiz allein folgerte sie, dass das Verschulden „verspäteter Mitteilung“ den Kläger anzulasten sei. Eine Zeugenvernehmung des Betreuers vermied sie. Dieser hätte möglicherweise bestätigen können, dass bereits mehrere Rückmeldungen erfolgt waren.

Dem Beklagtenvertreter sagte diese Interpretation offenbar zu. Er wandte ein, dass die Zahlungsanweisungen vermutlich bereits am 25.11.2017 angewiesen worden waren. Nun der 25.11.2017 war ein Samstag, demnach war Montag der 27.11.2017 wahrscheinlicher und rechtzeitig genug, um pünktlich auf den Konten gutgeschrieben zu werden.

Um das Verfahren ohne ein sorgfältig begründetes Urteil zum Abschluss zu bringen, regte die Richterin einen Vergleich an 50% von 274,00 € an. Wie auf einem arabischen Bazar bot das Jobcenter 100,00 €, wohl wissend, dass nie ein schlüssiges Konzept vorgelegen hatte und die ganze Mietsenkung von Anfang an rechtswidrig war. Das weiß auch die Richterin.

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Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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