Möglichkeiten der Steigerung der Arbeitgeberattraktivität am Beispiel des Projekts „GeMiNa“ der Mikro- und Nanotechnologie-Industrie

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Wie in allen anderen Branchen muss auch die Mikrosystemtechnik in Zeiten sich schnell verändernder Märkte ein hohes Maß an Wandlungsfähigkeit aufweisen. Dies setzt aber voraus, dass auch die Belegschaften der Unternehmen dieser Branche Änderungen gegenüber aufgeschlossen sind. Zusätzlich darf man auch nicht vor der demographischen Entwicklung und dem daraus resultierenden zukünftigen Fachkräftemangel die Augen verschließen. Das Stichwort „Arbeitgeberattraktivität“ sollte allerdings nicht nur im Zusammenhang mit Rekrutierung gesehen werden. Es ist ebenso wichtig, für die bestehende Belegschaft als Arbeitgeber attraktiv zu sein, um so die Kolleginnen und Kollegen mit ihrer langjährigen Erfahrung zu halten. Was macht aber nun die „Arbeitgeberattraktivität“ aus? Monetäre Anreize werden in diesem Zusammenhang sicherlich oft als erstes genannt. Aber es gibt auch nicht-monetäre Faktoren, die für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig sein könnten, z.B. wie kann ein Ausgleich im Spannungsverhältnis von Arbeit und Privatleben erreicht werden (Work-Life-Balance).

Im Rahmen eines mit öffentlichen Mitteln geförderten Verbundprojekts mit dem Namen „Gestaltung der Balance von Flexibilität und Stabilität durch implizite Vereinbarungen in der Mikro- und Nanotechnologie-Industrie, kurz „GeMiNa“, stehen seit Mitte 2009 in drei mittelständischen Unternehmen in Dortmund und Oberhausen genau solche Überlegungen im Mittelpunkt . Es soll gezeigt werden, dass die Thematisierung und Förderung weicher – jedoch personalpolitisch und damit auch ökonomisch hoch relevanter – Faktoren wie Work-Life-Balance einen starken positiven Einfluss auf Gesundheit und Zufriedenheit und somit auch indirekt auf die Produktivität der Beschäftigten hat.

Ansatzpunkt dieses Projekts, in dem sich neben der Prospektiv GmbH (Projektleitung), das Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Universität zu Köln und dem IVAM e.V. (Fachverband für Mikrotechnik) auch die Unternehmen Bartels GmbH (Dortmund), NanoFocus AG (Oberhausen) und LIMO Lissotschenko Mikrooptik GmbH (Dortmund) engagieren, sind die Verträge, die jeder Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber schließt. Im eigentlichen (juristischen) Arbeitsvertrag werden Regelungen über Arbeitsumfang, Aufgabengebiet, Gehalt, Urlaubsanspruch, Kündigungsregelung, usw. (harte Faktoren) vereinbart. Das ist an sich nichts Neues. Mit jeder Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehung werden aber von jeder der beteiligten Parteien auch Annahmen über „weiche Faktoren“ getroffen. Zum Beispiel: „Lässt mich mein Chef auch mal eher gehen, wenn in der Familie ein Notfall eingetreten ist?“ – „Wird der Mitarbeiter auch mal abends länger bleiben, wenn ein Auftrag unbedingt noch beendet werden muss, um einen wichtigen Kunden nicht zu verlieren?“ – „Erkennt mein Chef, welche Potentiale noch in mir stecken und wird er sie fördern?“ – „Ist der Mitarbeiter bereit, Verantwortung für sein Tun zu übernehmen? Wird er mitdenken?“ – „Ist die Belegschaft bereit, den eigenen Horizont zu erweitern?“ – „Gibt es Anerkennung und Feedback für geleistete Arbeit vom Vorgesetzten?“ Bei diesen wechselseitigen, nicht notwendigerweise immer übereinstimmenden Erwartungen zwischen Unternehmen und Beschäftigten spricht man auch von psychologischen Verträgen. Diese sind implizit und ungeschrieben, da sie sich auf mündliche Vereinbarungen beziehen oder aus dem Verhalten der Vertragspartner und anderer Organisationsmitglieder abgeleitet werden.

Ausgangspunkt des „GeMiNa“-Projekts war es, anhand der beteiligten Modellbetriebe herauszufinden, welche Erwartungen die beteiligten Unternehmen und die dazugehörigen Belegschaften haben. Im Rahmen einer ersten Interviewrunde mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller Unternehmensebenen der Modellbetriebe wurde vom IMVR ein Fragebogen erstellt, anhand dessen die Erwartungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die Unternehmen aber auch die Erwartungen der Unternehmen an die Belegschaft erhoben wurden. Basierend auf diesen Umfrageergebnissen wurden dann in Workshops in den Unternehmen sogenannte „Landkarten“ der jeweiligen Erwartungen aus Sicht der Chefetage und der Belegschaft erstellt. Neben den bereits erwähnten Erwartungen arbeitete man in diesen Landkarten auch die Einflussfaktoren auf die Work-Life-Balance und die bereits vorhandenen Anreize und Angebot der Modellbetriebe ein.

In einem nachfolgenden Matching-Workshop fand dann eine Überlagerung beider Landkarten statt, um so herauszufinden, wo es Übereinstimmungen, aber wichtiger noch – wo es Abweichungen gab. Es reichte den Projektteilnehmern aber nicht nur, Abweichungen festzustellen. Die Modellbetriebe wollten die Projektzeit nutzen, um die dort aufgezeigten Lücken auch zu schließen. Die folgenden Themenfelder wurden dabei identifiziert: Arbeitszeit, Entlohnung, Arbeitsbedingungen, Arbeitsorganisation, Arbeitskultur, Entwicklungsmöglichkeiten, Kommunikation, Teamgeist, Führung und Wertschätzung. Daraufhin wurden in den Modellbetrieben verschiedene Projektgruppen gebildet.

Jede Modellbetrieb-Projektgruppe formulierte ein Work-Life-Balance Leitbild als psychologischen Globalvertrag für das gesamte Unternehmen. Darauf aufbauend sollte es dann „Team Deals“ für die Abteilung- bzw. Tätigkeitsebene und individuelle Regelungen/Vereinbarungen geben, mit dem Ziel, die in den Workshops ermittelten Abweichungen zwischen Angeboten und Anforderungen zu reduzieren, wenn nicht sogar zu beheben.

Ein Auszug aus einem dieser Leitbilder zum Thema „Kommunikation“: „Wir streben eine effiziente Kommunikation und Informationsweitergabe sowohl zwischen direkten Kollegen, als auch abteilungs- und ebenenübergreifend an. Die Kommunikationsfähigkeit Aller soll gestärkt werden. Dabei wollen wir speziell der schwierigen Rolle des mittleren Managements Rechnung tragen und Kommunikationshilfen anbieten. Wir wollen gegenseitig zeitnah und regelmäßig Feedback geben und nehmen.“

Instrumente, die dann im Rahmen der Projektarbeit identifiziert wurden, um die bestehenden Lücken zu schließen, waren die Einführung eines Runden Tisches für Abteilungsleiter (einmal pro Monat). Auf diese Weise wurde eine regelmäßige Plattform für Informationsaustausch und Verständigung auf einheitliche Verfahrens- und Entscheidungsweisen geschaffen. Für jährliche Mitarbeitergespräche wurde beispielsweise eine einheitliche Verfahrensweise ermittelt und verbindlich gemacht. Die Vorgesetzten erhielten ein spezielles Training von Kommunikationstechniken, um diese Mitarbeitergespräche souverän leiten zu können.

Zum Themenfeld „Entwicklungsmöglichkeiten“ wurde ebenfalls ein Leitbild formuliert, woraus der folgender Auszug stammt: „Es wird eine Weiterbildungsstrategie entwickelt. Dabei sollen Entwicklungsmöglichkeiten transparenter gemacht werden.“

Um eine Weiterbildungsstrategie entwickeln zu können, muss man grundsätzlich vorher einige Hausaufgaben erledigen. Es wurde überprüft, ob für alle Tätigkeiten entsprechende Arbeitsplatz-/Stellenprofile vorliegen und kontrolliert, ob die bereits vorhandenen Beschreibungen noch aktuell sind. Aktualisierung der individuellen Arbeitsplatz-/Stellenprofile (Abgleich zwischen Soll- und Ist-Profil) ist nun auch ein Punkt im Rahmen der jährlichen Mitarbeitergespräche. Die Arbeitsplatz-/Stellenprofile bilden auch die Grundlage für die Erstellung einer unternehmensweiten Qualifikationsmatrix. Nur wenn bekannt ist, welche Kenntnisse und Fertigkeiten vorliegen und für die Erledigung der gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben erforderlich sind, kann Weiterbildung transparent und passgenau erfolgen, um den Arbeitserfolg der Belegschaft heute und in Zukunft sicherzustellen.

Die Modellbetriebe gingen aber auch solch sensible Themen wie „Burnout“ an, denn es kann nicht im Interesse eines Unternehmens liegen, diejenigen Mitarbeiter, die besonders engagiert sind, sich besonders intensiv einsetzen und förmlich für das Unternehmen „brennen“, ausbrennen zu lassen. Es kommt den Führungskräften zu aufmerksam zu sein und Signale zu erkennen, um rechtzeitig zu merken, wenn Beschäftigte Probleme haben. Dies ist nicht immer einfach. Eine Fachärztin auf dem Gebiet „Burnout“ wurde daher von einem der Modellbetriebe eingeladen, um Führungskräfte über „Burnout“ und in Abgrenzung dazu über „Depression“ zu informieren.

Um sicherzustellen, dass auch die Belegschaft Instrumente an die Hand bekommt, damit es erst gar nicht zu „Burnout“-Symptomen kommt, bot dasselbe Unternehmen Zeit- und Selbstmanagement-Schulungen an, die auch ein Segment zum Thema „Stressreduktion“ enthalten. Insgesamt wurden so 60 Personen in 2011 und 2012 geschult. Diese Schulungen werden auch in den Folgejahren weiter angeboten.

Viel wurde in den vergangenen zwei Jahren erarbeitet und auf den Weg gebracht. Zurzeit läuft eine zweite Befragungsrunde in den Modellbetrieben und man darf gespannt sein, ob die eingeführten Maßnahmen und Instrumente schon erste Wirkung zeigen.

Informationen zu diesem Projekt gibt es hier: http://www.gemina.org.
Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Europäischen Sozialfonds für Deutschland sowie von der Europäische Union im Rahmen des Programms „Arbeiten, Lernen, Kompetenzen entwickeln – Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt“.

Autor:

Susanne Schwager aus Dortmund-Süd

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