Arbeitnehmerfreizügigkeit: Was wurde aus der Flut aus dem Osten?

Arbeitnehmer im Handwerk | Foto: dusmedia, Fotolia
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Am 1. Mai 2011 entfielen die deutschen Arbeitsmarktbeschränkungen für Bürger aus 8 mittel- und osteuropäische EU-Mitgliedstaaten. Insbesondere die Bauwirtschaft befürchtete, dass nunmehr eine Flut von Mitarbeitern und Dienstleistern aus dem Osten hereinbricht und einen gnadenlosen Konkurrenz- und Preiswettbewerb in Deutschland auslöst.

Doch was wurde aus diesem Schreckensszenario?

Nach einem halben Jahr Arbeitnehmerfreizügigkeit zog die Bauwirtschaft Ende 2011 eine erste Zwischenbilanz.

Die Zahl der bei inländischen Arbeitgebern der Bauwirtschaft (ohne Berlin) beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer aus den EU-8-Staaten (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn) hat sich im Zeitraum von April bis September 2011 von 1.907 auf 4.550 erhöht. Dabei war der Anteil der Arbeitnehmer aus den EU-8-Staaten, die bei deutschen Bauarbeitgebern beschäftigt sind, mit weniger als 1 % im Vergleich zur Gesamtzahl der gemeldeten Arbeitnehmer relativ gering.
Diese Zahlen entsprechen dem branchenübergreifenden Schnitt. Auch hier liegt der Anteil an Arbeitnehmern aus den EU-8-Staaten mit einer sozialversicherungspflichtigen oder geringfügigen Beschäftigung unter 1 %.

Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass die Zuwanderung seit Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nur leicht angestiegen ist. Damit fallen Arbeitsmarkteffekte nur sehr moderat aus.

Deutlich stärker ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Baugewerbe gestiegen. Dies deutet darauf hin, dass bereits in Deutschland lebende EU-8-Bürger nun vermehrt einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen.

Zwei Drittel der EU-8-Arbeitnehmer in der Bauwirtschaft stammten aus Polen; 20% aus Ungarn und Tschechien. Slowenien, die Slowakei und die baltischen Staaten stellen zusammen etwa 10% der zugewanderten Arbeitnehmer in der Baubranche.

Die Zuwanderer zog es primär in die westlichen Bundesländer: Drei Viertel der Arbeitnehmer aus den EU-8-Staaten verschlug es nach Bayern (30 %), Hessen (18 %), Nordrhein-Westfalen (17 %) und Baden-Württemberg (11 %). Entgegen den anfänglichen Erwartungen waren weniger als 10% in den neuen Bundesländern beschäftigt.

Tendenziell suchten vor allem jüngere Arbeitnehmer ihr Glück in der deutschen Bauwirtschaft. In der Altersgruppe von 25 bis 34 Jahre ist ihr Anteil um 55 % höher als der Vergleichswert deutscher Arbeitnehmer.

40 % mehr Entsendungen aus den EU-8-Staaten
Im Bereich der Entsendungen aus den EU-8-Staaten – hier führt der ausländische Arbeitgeber einen Bauauftrag mit seinen eigenen Leuten in Deutschland aus; das Arbeitsverhältnis bleibt also rechtlich im Ausland verankert – zeigt sich hingegen ein anderer Befund. Hier hatte sich die Zahl der Arbeitnehmer aus den EU-8-Staaten zwischen April (10.752) und September 2011 (15.072) um 40 % erhöht.

Über 70 % der entsendeten Arbeitnehmer kamen aus Polen.

Also: Alles halb so wild? Die Befürchtungen im Vorfeld nur Unkenrufe?

Die offiziellen Zahlen scheinen diesen Schluss nahe zu legen. Doch was hat sich unterhalb der legalen Oberfläche, außerhalb der offiziellen Statistiken von Arbeitsagenturen und SOKA-Bau, abgespielt? Darüber kann oder mag niemand etwas sagen.

Dass die Bauwirtschaft ein fast schon erleichtertes Zwischenfazit zog, mag auch an den günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gelegen haben. 2011 verlief die Konjunktur für Bauhauptgewerbe und Bauindustrie nämlich ausgesprochen erfreulich. Die Branche brummte wie schon lange nicht mehr, die Auftragsbücher waren voll. Ein bisschen mehr Konkurrenz aus Osteuropa fiel da wohl nicht so sehr ins Gewicht.

Wie wäre die Bilanz wohl bei schwacher Baukonjunktur ausgefallen?

Quelle: BV Farbe

Zu Handwerksthemen finden Sie ebenfalls Beiträge unter http://malerillu.de. , dem Online Magazin der Maler- und Lackierer-Innung Düsseldorf sowie unter http://maler-düsseldorf.de und http://energie-und-fassade.de

Autor:

Heiner Pistorius aus Düsseldorf

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