Ein Heimatabend allererster Sahne

Oberbürgermeister Frank Baranowski war zur Premiere des „Heimatabend“ im Consol Theater zugegen. Foto: Ralf Nattermann
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Stellen Sie sich vor, sie sitzen bei Popcorn im Kino und plötzlich zieht ihr Leben an ihnen vorbei! Die Rede ist nicht von einem Nah-Tod-Erlebnis, sondern ganz weit davon entfernt. Es geht vielmehr um „Heimatabend - Die Gelsenkirchener Zeitreise“ und damit „Bemerkenswertes aus den Gelsenkirchener Stadtfilmen seit 1951“. Denn nach 90 Film-Minuten ist man regelrecht süchtig nach mehr und traurig darüber, dass die Stadtfilme 1996 dem Sparzwang zum Opfer fielen.
Von SIlke Sobotta

GE. Dabei fing alles an wie immer im Kino, mit der Werbung. Aber Sparkassendirektor Eberhart Breßlein bewies an dieser Stelle Humor, denn als Sponsor des Films begrüßte er die anwesenden Premierengäste persönlich und versprach, dass es nur einen kurzen und sehr kurzweiligen Werbeblock geben würde. Und er hielt Wort!
Denn der „Werbefilm“ stammte aus den 20er Jahren und wurde bei einer Kellerentrümpelungsaktion der Sparkasse wiederentdeckt. Die Hauptdarsteller waren keine Geringeren als Liesl Karlstadt und Karl Valentin. In einem witzigen Dialog über die Kalendereinträge „SP“ erhielt der Zuschauer einen Eindruck davon, wie lange es die Sparkasse schon gibt.
Dabei erläuterte Breßlein, dass man auch heute wieder einen bekannten Comedian als Werbepartner ins Boot geholt habe und zwar Atze Schröder und damit schloss sich der historische Kreis.
Zum aktuellen Film „Heimatabend“ resümierte Eberhard Breßlein, dass es sich bei den Darstellern ebenfalls um eine erstklassige Besetzung handele, denn „es sind Gelsenkirchener und Gelsenkirchen“. Und wieder sollte er Wort halten.
Zu verdanken ist der Heimatabend aber nicht nur dem Sponsor und Filmemacher Frank Bürgin, sondern auch den Stadtfilmern Hans Rotterdam (1951 - 1965) und Werner Nickel (1966 - 1993). Sie produzierten für die Stadt Gelsenkirchen die regelmäßigen filmischen Jahreschroniken, die die politische, kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung Gelsenkirchens dokumentierten.
34 Filme, die mehr als 30 Stunden umfassen sind erhalten, die meisten mit dem Untertitel „Rat und Verwaltung berichten über ihre Tätigkeit“ und natürlich spielten die jeweiligen Oberbürgermeister immer eine große Rolle, denn sie waren ja auch die Auftraggeber der Filme und wollten sich gut in Szene gesetzt sehen. Trotzdem oder vielleicht auch gerade darum sind die Stadtfilme heute von unschätzbarem Wert als das „Gedächtnis Gelsenkirchens“, wie Bürgin sagt.
Und plötzlich ist man mitten drin in der Geschichte der Stadt. Angefangen mit der Nachkriegszeit und Bildern von Trümmerfrauen, die Steine aus den Ruinen zur Wiederverwertung klopfen, die auf den Feldern nach „vergessenen“ Kartoffeln suchen oder in den Notunterkünften, den Nissenhütten die Familie zusammenhalten.
Irgendwie passt es dann gar nicht so recht ins Bild, dass schon 1949 der Ruhr-Zoo eröffnet wurde, was Zeitzeuge Kurt Rudde auch kommentiert: „Manch einer fragte sich, warum man für teures Geld lieber Häuser für Affen anstatt für die ausgebombten Bürger baute?“ Doch der Zuspruch der Menschen gab der Stadt recht. Und schon ging ein Raunen durch die Zuschauer als „Onkel Albert“ zu sehen war, der die Kinder mit seinen Späßen in der Zoo-Manege erfreute und der später durch „Onkel Fips“ ersetzt wurde.
Auch der Pferdesport, egal ob Galopp oder Trab, zieht sich wie ein roter Faden durch die Stadtgeschichte, übrig ist heute allerdings nur noch die Trabrennbahn, deren Tribünengebäude bei seiner Errichtung als eines der modernsten gefeiert wurde.
Und wer hätte gedacht, dass Gelsenkirchen einmal eine Großmacht im Segelflug war? Wer weiß noch, dass Gelsenkirchens Ruderer von der Olmypiade 1960 als Goldjungen heimkehrten?
Das Frauenhaus der 50er und 60er Jahre, hatte auch einen ganz anderen Zweck als das heutige. Denn damals wurde an der Wanner Straße/Ecke Hüttenstraße ein mehrgeschossiges Haus für ledige Industriearbeiterinnen gebaut.
Das Sommerfest Schloß Berge galt als die Perle der Festivitäten in der Stadt und die Bahnhofstraße als die schönste Einkaufsmeile des Ruhrgebietes. „Der weiße Fleck Berger Feld“ wandelt sich zum sportlichen Mittelpunkt der Stadt mit dem Bau des Parkstadions. Das vielgeliebte Freibad Grimberg schließt seine Pforten und das Sport-Paradies wird als modernes und vielfältiges Zentrum eröffnet.
Doch es gab nicht immer nur Friede-Freude-Eierkuchen, sondern auch ein stets anwachsendes Verkehrsaufkommen, den Niedergang der Stützen der Wirtschaft und zwar nicht nur von Kohle und Stahl, sondern auch im Textil- und Glasbereich.
Frank Bürgin bringt es in seiner Moderation des Films auf den Punkt: „Die Welt dreht sich und Gelsenkirchen hat Schwierigkeiten zu folgen.“ Auf jeden Fall merkt man dem Gelsenkirchener Bürgin aber seine „große Zuneigung zu dieser Stadt“ in jeder Minute des Films, den man im übrigen auch kaufen kann, an. Und darum wird auch gern sein Aufruf erfüllt: „Erzählen Sie es weiter, wenn es Ihnen gefallen hat. Es gibt noch einige Vorstellungen des Films.“
Vorführungen:
Sonntag, 12. September, 15 und 18 Uhr, THS-Foyer Nordsternpark, Nordsternplatz 1
Samstag, 18. September, 15 und 18 Uhr, AWO Schalke, Grenzstraße 47
Sonntag, 19. September, 15 und 18 Uhr, Volkshaus Rotthausen, Mozartstraße 9
Sonntag, 26. September, 15 und 18 Uhr, Stadtbauraum Schacht Oberschuir, Boniver Straße. 30
Sonntag, 3. Oktober, 15 und 18 Uhr, Aula der Gerhart-Hauptmann-Realschule, Mühlbachstraße 3
Sonntag, 10. Oktober, 15 und 18 Uhr, Aula des Max-Planck-Gymnasiums, Goldbergstraße 91
Sonntag, 17. Oktober, 15 und 18 Uhr, Schacht Bismarck in Schalke, Uechtingstraße 79e.
Karten zum Preis von 2 Euro sind in den Service- und Beratungscentern
Buer und Hauptstelle der Sparkasse Gelsenkirchen erhältlich.

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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