Wenn Weihnachten plötzlich anders schmeckt

Unser Weihnachtsbaum am Niederrhein

Immer wenn ich vor Weihnachten nach Hause fuhr, bereitete Vati Speckeier für mich.

Der letzte Arbeitstag vor Weihnachten war meistens hektisch. Alles aufräumen. Die Urlaubskartei musste am Ende des Jahres stimmen! Man hatte noch etwas vorzubereiten für die, die tatsächlich zwischen Weihnachten und Neujahr die Stellung hielten.

Schnell noch rüber zum Hauptbahnhof und dort die belgischen Pralinen für Mutti gekauft. Für Vati das Geschenk würde Mutti schon besorgen, das war nämlich nicht so einfach. Er wünschte sich nichts.

Am nächsten Tag ging es morgens los. Bei Winterwetter dauerte es manchmal mehr als 6 Stunden für den Weg nach Hause. Schöne CDs legte ich mir unterwegs ein: „Driving home for Christmas“ von Chris Rea. So alt ich auch schon war, so groß war die Freude jedes Jahr, Weihnachten daheim zu sein.

Einmal überraschte uns auf der A9 in der Nähe von Bayreuth Eisregen. Über Stunden ging es nicht voran. Und als es endlich weiterging, war die Batterie unseres Autos leer. Ich schwitze noch heute, wenn ich daran denke. Im Stockfinstern kamen wir an. Mutti klebte schon vor Ungeduld an der Fensterscheibe. Wir hatten damals noch kein Handy. Und Vati machte sofort die Speckeier in der gusseisernen Pfanne und schnitt das Bauernbrot auf.

Am nächsten Tag bereitete Mutti schon die Gans vor. Die Innereien der Gans wurden für eine Nudelsuppe verwendet – eine kräftige Brühe entstand. Der Gänseduft zog durchs Haus. Ich schmückte den Baum. Vati sorgte nur für die elektrische Kerzenbeleuchtung.

Als Vati nicht mehr lebte, feierten wir Weihnachten in unserem eigenen Haus am Niederrhein. Wir holten jedes Jahr Mutti zu uns. Weihnachten hatte für sie nun eine andere Gewichtung bekommen. Ohne Vati wollte sie keinen Baum mehr aufstellen.

Und dieses Jahr? Dieses Jahr feiere ich auch ohne Mutti Weihnachten. Letztes Jahr habe ich mich genau an Heiligabend am offenen Sarg von ihr verabschiedet.

Mein Mann und ich sind aber nicht alleine in unserem Haus. Wir haben einen schönen Baum, der von mir selbst geschmückt wurde. Und wir haben eine Einladung von der Tochter und feiern zusammen mit den Enkelkindern. Weihnachten ist nun anders. Aber es wird schön.

Autor:

Heidrun Kelbassa aus Goch

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