Skandal in Haltern
Wie der „Bauernaufstand“ parteipolitisch instrumentalisiert wird

HALTERN AM SEE. Offensichtlich gibt es rechte Umtriebe innerhalb der „HalternPartei“, wie sich die Halterner CDU nennt: Die CDU-Ratsfrau und Ex-CDU-Bundestagsabgeordnete Rita Stockhofe beteiligte sich als Landwirtin mit einem umstrittenen, weil skandalösen Plakat an den Bauern-Demonstrationen: „Geht’s dem Bauern an die Butter, bleibt der Habeck auf dem Kutter“. Damit erweist sie der Protestbewegung einen "Bärendienst".

Obwohl sich die Landes- und Bundespolitiker ihrer Partei wie auch die Funktionäre der landwirtschaftlichen Interessenverbände auf Kreis-, Landes- und Bundesebene von den skandalösen Sprüchen und Nötigungs-Aktionen gegen Wirtschaftsminister Habeck beim Verlassen der Hooge-Fähre deutlich distanziert haben, bleibt die Distanzierung der „Haltern-Partei“ und ihrer Ratsfraktion von dem angeblich „lustigen Plakat“ ihrer örtlichen Parteikollegin bislang aus.

Dies verwundert nicht, denn bei einem Blick hinter die Kulissen wird sichtbar, dass der heftige Bauernprotest von den oppositionellen Unionspolitikern - bis hinauf zu Markus Söder und Friedrich Merz sowie den Bauernverbands-Präsidenten selber als CDU-Mitglieder - parteipolitisch instrumentalisiert wird. So berechtigt und nachvollziehbar auch massive Kritik an der amtierenden Ampel-Regierung sein mag, so sehr sind parteipolitisch motivierte „Umsturz-Pläne“ mit Hilfe der Bauernproteste fehl am Platz.

Verfehlte Agrarpolitik: Union stellte 51 Jahre die Agrarminister

Mit ihrer verfehlten Landwirtschaftspolitik fällt die Kritik nämlich auf die Union selber zurück, da sie 51 Jahre lang fast ununterbrochen die Agrarminister stellte, davon 31 Jahre die CSU mit ihrer erfolglosen Landwirtschafts-Reform. Wenn die Bauern argumentieren, dass die (verkraftbaren) Subventionskürzungen beim Diesel und der KFZ-Steuerbefreiung nur der Tropfen sind, der das Fass zum Überlaufen brachte, so muss das Fass ja vorher schon reichlich gefüllt gewesen sein.

Auf einer Protest-Veranstaltung der Bauern hat deshalb der CDU-Bundestagsabgeordnete Kiesewetter selbstkritisch eingestanden, dass alle Parteien, auch seine Partei, in der Vergangenheit zur Misere der Landwirtschaft beigetragen haben. Ein zusammen mit den Bauernverbänden entwickeltes Konzept der „Zukunftskommission Landwirtschaft“ bis 2021 wurde von den Unionsregierungen nie umgesetzt, sondern bis zum Ende ihrer Amtszeit ausgesessen.

Wahrheitswidrige Empörung der Unionspolitiker als Heuchelei

Umso mehr ist eine ehrliche und redliche Diskussion der Misere angebracht. Dazu trägt jedoch nicht die skandalöse Argumentation der Halterner CDU-Politikerin Stockhofe bei, die ihr umstrittenes Plakat damit verteidigt, dass der (wegen Machtmissbrauch gegenüber Frauen) gefeuerte BILD-Chefredakteur Julian Reichelt wahrheitswidrig behauptete, entgegen allen Presseberichten seien die ausgearteten Proteste an der Fähre trotz Pfefferspray-Einsatz der Polizei in Wirklichkeit friedlich verlaufen.

Die vorliegenden Augenzeugenberichte der verängstigten Mitreisenden auf der Fähre sowie Videos widerlegen diese Falschbehauptung des inzwischen als Rechtspopulist abgedrifteten Ex-BILD-Redakteurs. Frau Stockhofe sollte sich anderer Quellen als ausgerechnet der unseriösen Springer-Presse bedienen, die in ihren Medien die Bauernproteste in Richtung „Regierungswechsel“ massiv anheizte. Insofern entpuppen sich manche Äußerungen der Unions-Oppositionspolitiker als reine Heuchelei, die vor allem in der CSU ein Netzwerk mit den Bauernfunktionären geknüpft haben.

Verbandspräsidenten als Großbauern und CDU-Politiker

Ein vollständiges Bild ergibt sich auch nur dann, wenn man die Rolle der Bauernverbands-Funktionäre an der Spitze mit einbezieht: Der amtierende Vorsitzende des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, war zuvor selber CDU-Politiker und ist gutverdienendes Aufsichtsratsmitglied bei Betrieben, die von der industriellen Landwirtschaft mit ihren Großbetrieben profitieren. Mit seinem eigenen Betrieb mit über 300 ha Fläche kassiert er als Großbauer weit über 100.000 € an EU-Subventionen.

Einer seiner berühmten Vorgänger, Constantin Freiherr von Heeremann, war ebenfalls Inhaber eines Großbetriebes und CDU-Bundestagsabgeordneter. Bei einer Umfrage fühlten sich deshalb 56% der Mitglieder des Bauernverbandes von ihren Funktionären schlecht vertreten.  Die industriellen Großbetriebe haben offensichtlich über ihren Verband zuvorderst die eigenen Interessen bedient.

Zuerst vor der eigenen Tür kehren?

Vielleicht ist das auch ein Grund für die Radikalisierung der Bauern-Aktionen mancherorts, den die Verbände nicht mehr in den Griff bekamen? Vielleicht wagen sich die Kleinbauern aus den Familienbetrieben erst mal an den Umsturz in der eigenen Verbandsspitze, ehe man sich im Verein mit der Union an den großen Regierungsumsturz wagt – um anschließend zu den erfolglosen Agrarministern der Vergangenheit zurückzukehren?

Wilhelm Neurohr, 11. Januar 2024

Autor:

Wilhelm Neurohr aus Haltern

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