LWL-Volkskundler erforschen zum Valentinstag Ansichten zu Paaren mit Altersunterschied:
Ältere Frauen mit jungen Männern werden verurteilt

Ist einer von beiden älter, und spielte das überhaupt eine Rolle? Brautpaar um 1890 in Nottuln (Kreis Coesfeld). Foto: LWL-Volkskundearchiv/Frieling
  • Ist einer von beiden älter, und spielte das überhaupt eine Rolle? Brautpaar um 1890 in Nottuln (Kreis Coesfeld). Foto: LWL-Volkskundearchiv/Frieling
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Westfalen. Am 14. Februar ist Valentinstag. Ein Festtag für Liebende - auch für solche mit großem Altersunterschied. Die Volkskundliche Kommission beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat die populären Ansichten über altersungleiche Paare auf der Grundlange von einer alten Erhebung aus der Zeit um 1930 untersucht.

Dabei haben die LWL-Volkskundler festgestellt, dass es in den Redensarten früher einen großen Unterschied machte, ob ein älterer Mann eine junge Frau heiratet oder umgekehrt: Während der ältere Mann meist mit leichtem Spott und Sprüchen wie "je öller, je döller" davonkam, wurden ältere Frauen, die jüngere Männer geheiratet haben, mit Bezeichnungen wie "mannstoll" oder "noch zu wolllüstig" scharf verurteilt.

"Je öller, je döller"

Erhoben wurden die Redensarten um 1930. Meist betreffen sie die Heirat eines älteren Mannes mit einer jungen Frau wie beispielsweise "Alter schützt vor Torheit nicht. Manche Redensarten hoben auf den Geschlechtstrieb ab: "Die ältesten Böcke haben die steifsten Hörner." Manche Redensarten geben nüchtern zum Ausdruck, dass man sich aus der Verbindung eines alten Mannes mit einer jungen Frau viele Kinder erwartet: "Alter Hahn und junge Hennen gibt Küken in schweren Mengen." Viele der Redewendungen sind der landwirtschaftlichen Welt entlehnt. "Landwirtschaftlichem Denken entspricht, dass beim Hinweis auf reiche Nachkommenschaft auch Anerkennung im Spiel ist", erklärt LWL-Volkskundler Dr. Thomas Schürmann.
Neigen die Redensarten über den älteren Mann meist zu leichtem Spott, so ist die Haltung meist scharf verurteilend, wenn es um die Verbindung eines jungen Mannes mit einer älteren Frau geht. Zu den mildesten Sprüchen gehört noch: "Eine alte Ziege frisst auch noch gern ein grünes Blatt." Oft unterstellt man der Frau, dass sie durch den Geschlechtstrieb gleichsam um den Verstand gebracht worden ist: Sie ist "heiratstoll", "hummeltoll", "liebestoll" und vor allem "mannstoll". Wie eine unbeherrschbare Naturgewalt, die die ältere Frau erfasst, erscheint der Geschlechtstrieb in Redensarten wie: "Wenn alte Scheunen brennen". Von ihnen gibt es auch in Westfalen mehrere Varianten: "Alte Scheunen brennen lichterloh"; "Wenn alte Scheunen brennen, hilft kein Löschen"; "Nichts ist schlimmer, als wenn eine alte Scheune brennt."
Im besten Fall bezeichnen die Redewendungen, die vor über 80 Jahren zusammengetragen wurden, die Heirat mit der älteren Frau als Vernunftehe: "Er hat das Geld geheiratet, das Weib war die Zugabe", lautet etwa eine Redewendung aus dem Kreis Minden. Mehrfach bei der Umfrage genannt wurde der Spruch: "Er heiratet auf Abbruch." Hier erscheint die ältere Frau als Ruine auf einem attraktiven Grundstück. "Allerdings gilt die Verbindung von Heirat und Besitzerwerb für beide Geschlechter", so Schürmann. Mehrmals aus Westfalen bezeugt ist: "Der jüngere Gatte kommt mit dem alten Topf an einen neuen", was soviel heißt wie: Mit dem Besitz, in den man eingeheiratet hat, kann man nach dem Tod des älteren Gatten eine neue Beziehung knüpfen.
Als diese und ähnliche Redensarten im Umlauf waren, wurden altersungleiche Ehen meist aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen: Ein Mann heiratete beispielsweise in einen Betrieb ein oder eine Witwe wurde durch die Ehe versorgt. "Die Sicht der Redensarten auf diese Ehen ist oft brutal, oft auch nur nüchtern. Heute herrscht das Ideal der Liebesheirat vor, und im Hinblick auf Altersunterschiede ist die Gesellschaft gelassener geworden", sagt Schürmann. "In den bunten Blättern werden immer wieder prominente Paare vorgeführt, und oft mischt sich hier auch Anerkennung in die Berichte." Abseits der Prominenz würden altersungleiche Paare aber weiterhin oft zwiespältig betrachtet. "Doch es wird auch in der tolerantesten Gesellschaft vorkommen, dass diese Beziehungen von amüsierten, von spöttischen oder auch von verächtlichen Redensarten begleitet sind", so der Volkskundler weiter.

Autor:

Michael Menzebach aus Haltern

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