Aggressives Verhalten in den Griff bekommen: Fachleute der LWL-Haardklinik informierten 90 interessierte Zuhörer

Informierten zum Thema Aggressionen: (v.l.) Christine Lawaczeck-Matkares, Lara Feldkamp, Susanne Wortelkamp und Sebastian Doerk. Bild: LWL/Seifert
  • Informierten zum Thema Aggressionen: (v.l.) Christine Lawaczeck-Matkares, Lara Feldkamp, Susanne Wortelkamp und Sebastian Doerk. Bild: LWL/Seifert
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Haltern/Marl.  „Aggressives Verhalten ist kein neues Phänomen“, so Christine Lawaczeck-Matkares von der Marler Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Schon in der Bibel fänden sich dafür genug Beispiele. Mit diesen Worten eröffnete die Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie den fünften Haard-Dialog der LWL-Haard-Klinik.

Rund 90 Interessierte hatten sich im klinikeigenen Festsaal versammelt, um mehr zum Thema Aggressives Verhalten bei Jugendlichen zu erfahren. „Zuerst einmal ist es wichtig, dass wir den Ursprung für diese Verhaltensweise herausfinden“, berichtete die Bereichsleitende Ärztin aus ihrer langjährigen Erfahrung mit Betroffenen. Hinter dieser Aggressivität verberge sich nämlich häufig ein anderes Problem wie eine Depression oder das Gefühl der Überforderung, sei es in der Schule, im Freundeskreis, durch eine familiäre Situation oder ein erlittenes Trauma.  "Es ist doch völlig normal, dass ich im Laufe des Tages auch mal angespannt bin“, so der stellvertretende Stationsleiter Sebastian Doerk in seinem Vortrag. „Entscheidend ist, dass ich weiß, wie ich mich wieder entspannen kann, ohne dass ich etwas zertrümmere oder handgreiflich werde.“ Deshalb sei es für die Patienten enorm wichtig, ihre Gefühle einschätzen zu lernen und ihre Anspannung zu spüren. Und das schon, wenn sie beginnt, so Stationsleiterin Lara Feldkamp: "Denn dann können die Jugendlichen schon gegensteuern, bevor es zu einem aggressiven Ausbruch kommt.“ Dabei helfen sogenannte Skills den jungen Patienten, ihre Emotionen wieder in den Griff zu bekommen. „Skills können zum Beispiel aus dem Essen einer Chili-Schote bestehen, oder ich laufe die Treppe auf und ab, bis ich erschöpft bin“, erläuterte Feldkamp ein erfolgreiches Therapiekonzept, das in der LWL-Haardklinik angewendet wird. Wichtig sei, dass die jungen Menschen für sich herausfinden, was ihnen gut tut, und das auch zu Hause in ihren Alltag integrieren können.

„Sich etwas Gutes zu tun, kann auch darin bestehen, sich kreativtherapeutisch zu beschäftigen“.

„Sich etwas Gutes zu tun, kann auch darin bestehen, sich kreativtherapeutisch zu beschäftigen“, berichtete Susanne Wortelkamp aus ihrer Praxis als Ergotherapeutin. Jungs, die mit ihren Aggressionen kämpfen und dann friedlich, in stundenlanger Kleinarbeit, ein Amulett aus Speckstein herstellen, das sei sicher für viele nicht gleich vorstellbar. Trotzdem erlebe sie häufig, dass es funktioniert.Etwas mit den eigenen Händen zu gestalten und sich durch kleinere Missgeschicke nicht von seinem Ziel abbringen zu lassen, sei eine wertvolle Erfahrung für diese Jugendlichen. Egal, ob ein Objekt oder ein Bild entstanden ist. „Am Schluss steht das Erfolgserlebnis und dieses Gefühl ist gerade bei diesen Patienten rar und wichtig". Das höre sich ja nett an mit dem Skillstrainig und der Ergotherapie, kommentierte ein Zuhörer den Vortrag von Sebastian Doerk und Lara Feldkamp, aber was denn wäre, wenn die Jugendlichen wieder nach Hause kommen? „Natürlich wissen wir, dass mit dem Ende des stationären Aufenthalts nicht alle Probleme gelöst sind, die unsere Patienten haben“, antwortete Doerk, „aber wir erarbeiten gemeinsam mit ihnen und ihren Eltern eine Strategie. Deshalb achten wir auch darauf, dass die Skills alltagstauglich sind“. Und Christine Lawaczeck-Matkares ergänzte: „Mit der Entlassung endet nicht zwangsläufig die Therapie. Wir überlassen hier niemanden einfach seinem Schicksal. In der Regel sorgen wir schon während der Behandlung dafür, dass die Therapie im ambulanten Bereich fortgesetzt wird.“  Ob es einen Tipp gebe, wie man wieder Zugang zu seinem Kind bekäme, fragte eine besorgte Mutter die Fachärztin. „Ein Pauschalrezept habe ich nicht. Aber versuchen sie, in Kontakt zu bleiben. Interessieren sie sich dafür, was ihr Kind beschäftigt, nehmen sie es ernst, geben sie zu, wenn sie sich falsch verhalten haben, und richten sie den Fokus nicht nur darauf, was nicht klappt, sondern darauf, was funktioniert. Ich gebe zu, das ist nicht leicht und dauert seine Zeit, bis es fruchtet, aber am Ende lohnt es sich.“

Der nächste Haard-Dialog findet am 4. Dezember statt.

Autor:

Michael Menzebach aus Haltern

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