Kommunikation zwischen Erwachsenen und ihren Kindern
Lob und Tadel in der Erziehung

An diesem Abend ging es im Hattinger Elterntreff um die Frage von Lob und Tadel in der Erziehung. Wo früher Gehorsam, Anpassung und Unterwerfung unabdingbare Voraussetzungen dafür waren, in der Gesellschaft seinen Platz zu finden, wünschen sich Eltern heute unabhängige, selbstbewusste und empathische Kinder. Doch welche wertschätzenden Wege des Umgangs zwischen Erwachsenen und Kindern gibt es? Erreichen Eltern über Lob und Tadel gewünschte Erziehungsziele? Diesen Fragen ging Fabienne Geisler nach. Sie ist Erzieherin in einem Familienzentrum des ev. Kirchenkreises Bochum, Kindheitspädagogin und zweifache Mutter. Fabienne Geisler gibt Kurse für Eltern von Kindern zwischen 1 und 6 Jahren, hält Vorträge zu Themen der frühen Kindheit und gibt Fortbildungen für Tagespflegepersonen beim Sozialdienst katholischer Frauen in Bochum.

Wir kennen sie alle, die typischen Alltagssätze der machtvollen Erwachsenen, mit denen sie von Kindern Gehorsam verlangen und sie zu manipulieren versuchen. Das wären beispielhaft:
- Wenn-Dann-Sätze (Wenn du jetzt dein Zimmer nicht aufräumst, dann hole ich den Staubsauger)
- Bestechungen (Hör auf zu Weinen, dann gebe ich dir ein Gummibärchen)
- Isolation (Du gehst jetzt auf dein Zimmer und denkst darüber nach, was du getan hast!)
Diese Umstände führen zu dem Gedanken, was uns Eltern so hilflos macht, dass wir in Konfliktsituationen mit unseren Kindern, die sich übrigens ab Einsetzen der Autonomiephase verstärken, keine verbindenden Strategien haben. „Es ist so, dass wir Eltern aus unserer eigenen Vergangenheit geprägt sind und es für unser System der einfache Weg ist, auf die Strategien zurückzugreifen, die wir als Kinder selbst erfahren und beobachtet haben. Gleichzeitig sind wir von einer Vergangenheit geprägt, in denen ein anderes Wertesystem und ein anderer Blick auf Kinder vorherrschte. Auch fehlende Unterstützung (Netzwerk), gesellschaftlicher Druck, Verunsicherungen/Ängste und ein erschwerter Zugang zu den eigenen Gefühlen (wenn z.B. Wut als Gefühl in der Herkunftsfamilie nicht gelebt und durchfühlt werden durfte und somit kein Umgang mit diesem Gefühl erlernt wurde), spielen eine Rolle im heutigen Umgang mit unseren Kindern“, erklärt Fabienne Geisler. Auch zu dem Satz „Kinder brauchen Grenzen“ hat sie eine klare Meinung. „Ich komme in diesem Kontext nicht umhin mit den Eltern über künstlich auferlegte Grenzen und persönliche Grenzen zu sprechen. Ich lade dazu ein, sich als Eltern in seinen Grenzen sichtbar zu machen, eine klare Haltung einzunehmen und bei sich und seinem Gefühl zu bleiben. Statt die Kinder mit einer Nein-Umgebung und sehr subjektiven Grenzen zu konfrontieren, dürfen Kinder ein Gefühl dafür entwickeln, dass jeder Mensch seine eigenen Grenzen hat und wir dürfen mutig sein, diese unseren Kindern zu zeigen. Das bedeutet jedoch auch, seine Gefühle vor dem Kind zu offenbaren. Aus der Aussage: ‚DU störst mich, hör auf damit!‘ kann werden: ‚ICH brauche gerade Ruhe‘“, sagt sie.

Das bedeutet nicht, den Kindern alles zu erlauben. Aber es geht um die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern, die sich verändern muss. Gern nutzt Fabienne Geisler den Begriff „Konsequenz“ statt Strafe“ und macht dies an einem Beispiel deutlich:
Das Kind möchte nach draußen, obwohl es regnet.
Das Elternteil möchte, dass das Kind einen Regenschirm zusätzlich zur Jacke mit nach draußen nimmt.
Das Kind sagt „Nein“
Konsequenz: Das Kind geht ohne einen Regenschirm aus dem Haus und wird nass(er).
Strafe: Der Erwachsene verbietet dem Kind ohne einen Schirm das Haus zu verlassen.

Eine Frage der Kommunikation

Doch wie soll und kann eine Kommunikation mit dem Kind gelingen? Was ist die Voraussetzung? „Die erste Methode ist ,der gesunde Konflikt‘, bei dem Eltern im Rahmen ihrer Integrität (= die eigenen Wertvorstellungen stimmen mit dem Handeln überein), dazu eingeladen werden, Konflikte als willkommene Chance zu betrachten, den Kindern Strategien mit auf den Weg zu geben. Es geht darum, dass wir ein Nein durchaus wertschätzend und anerkennend aussprechen können und die dadurch entstehenden Gefühle von Frustration, Wut, Verzweiflung, Trauer aushalten und begleiten dürfen. Aktives Zuhören ist wichtig, denn ich muss die Gefühle meines Kindes erkennen und darauf antworten. Das hat übrigens nicht mit Bewertung, sondern mit Aufmerksamkeit. Ein Kind, welches sagt: „Mama, guck mal!“ möchte vor allem genau das, was in dieser Aussage steckt: gesehen werden. Es sagt nicht: „Mama, bewerte mich!“, was wir Eltern häufig mit einem „super“ oder „toll“ jedoch tun. Es scheint mir in der Pädagogik noch eine sehr anerkannte Methode zu sein, Kindern durch Lob und Belohnung in ihrem Verhalten zu bestärken und zu motivieren, dieses Verhalten zukünftig häufiger zu zeigen. Lob und Belohnung sind, genau wie Strafen, eine Form der Manipulation. Im Falle des Lobes werden kurzfristig Endorphine im Körper ausgeschüttet, die das Kind glücklich machen. Dadurch wird es langfristig abhängig vom extrinsischen Lob und verliert seinen naturgegebenen Zugang seiner intrinsischen Motivation“, erklärt die Expertin.

Was also ist unser Ziel? Es geht darum, unsere Kinder wertschätzend in ihren Bedürfnissen sehen, ohne sie zu bewerten- klingt einfach, ist jedoch schwer, wenn wir es selbst nie so erfahren durften. Es geht also darum, sich mit dem Kind zu freuen: „Du bist ganz oben auf dem Klettergerüst, eine Stufe höher als gestern. Ich freue mich mit dir!“ oder „Danke, dass du mir dein Bild zeigst.“.

„Familie sollte keine Kampfzone sein. Und wenn Eltern es nicht schaffen, aus der Meckerspirale auszubrechen, dann dürfen wir liebevoll mit uns selbst sein, denn unsere Kinder geben uns jeden Tag aufs Neue die Chance es anders zu machen. Und noch etwas ist sehr wichtig: gestresste Eltern, die nicht gut für sich selber sorgen, neigen dazu, die eigene Frustration irgendwo zu entladen- häufig bei den Kindern. Ich lade also dazu ein, sich kleine Kraftquellen im Alltag zu erschließen und sich selbst wichtig zu nehmen, denn es geht nicht darum immer nur die Bedürfnisse der Kinder zu erfüllen. Es geht ums Dein Bedürfnis UND mein Bedürfnis. Beides in Einklang zu bringen, kann mit Kreativität und offenem Herzen gelingen und für einen harmonischeren Familienalltag sorgen.“

Kontakt zu Fabienne Geisler gibt es im Internet unter dem Namen Beziehungsgeprägt (www.beziehungsgeprägt.de).

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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