"Liebling der Götter“ - Joachim Käppners große Berthold-Beitz-Biographie

„Berthold Beitz’ unverwechselbarer eigener Stil, seine Ablehnung von Angebern, von bürokratischen Bedenkenträgern und von intellektuellen Schönrednern, und sein Stolz haben ihm geholfen, sich durchzusetzen. Vielleicht hatte Hermann Josef Abs recht, als er Beitz anlässlich seines 80. Geburtstages einen Liebling der Götter genannt hat.“ Das schreibt kein Geringerer als Helmut Schmidt, Bundeskanzler a. D., in seinem Vorwort zu „Berthold Beitz. Die Biographie“ von Joachim Käppner.
Berthold Beitz, geboren 1913, hat erst sehr spät einer Biographie zugestimmt. Käppner, Redakteur und Autor bei der Süddeutschen Zeitung und promovierter Historiker, führte zahlreiche Gespräche mit ihm, seiner Familie und Zeitzeugen, hatte zudem uneingeschränkten Zugang zum Archiv der Krupp-Stiftung sowie erstmalig zum Privatarchiv der Familie Beitz. Herausgekommen ist eine 622-seitige, umfassende Darstellung des „letzten Patriarchen“ der deutschen Industrie (manager magazin). Allein die Anmerkungen umfassen 64 Seiten.
„Beitz“, so Käppner, „verkörpert den am Konsens orientierten Gedanken, welcher der sozialen Marktwirtschaft zugrunde liegt. Und seine Prinzipien, nämlich sozialer Ausgleich und Verantwortung des Unternehmers, die den Verfechtern des schrankenlosen Marktes eben noch als altbacken galten, sind heute in der globalen Krise aktueller denn je.“
Beitz kam 1953 als Generalbevollmächtigter zu Krupp. „Vor ihm galt der Name Krupp als Synonym für Krieg und Kanonen“, schreibt Käppner, „Beitz schuf den neuen Konzern und machte ihn zum Synonym für das deutsche Wirtschaftwunder, und Kanonen wurden nicht mehr gebaut.“
Beitz, so steht es zu lesen, war einer der Vorreiter der neuen Ostpolitik, was ihm einen Konflikt mit Kanzler Konrad Adenauer bescherte. Er sprach sich früh für Zwangsarbeiter-Entschädigungen aus. Erst spät wurde bekannt, dass er in der Zeit von 1942 bis 1944 in Polen Hunderten von verfolgten Juden das Leben gerettet hat.
Das Buch zu lesen, erfordert gewiss einen langen Atem und ein wenig Disziplin. Aber man wird belohnt mit tiefen Einblicken in Person und Zeitgeschichte. Und mit Sätzen wie diesen zum System der Boni, der Millionengehälter der Vorstände, der aufgeblähten Abfindungen: „Ich halte es für sozial und moralisch verwerflich, wenn die Herren an der Spitze groß kassieren“, so Beitz, „und bei den einfachen Leuten kommt der Mann nach Hause und sagt: Was soll ich bloß machen? Ich werde arbeitslos. Diese Menschen sind nicht als Barone geboren oder als Fabrikbesitzer.“
Käppner kommt in seinem Buch zu einem vorsichtigen, Mut machenden Schluss: „Doch, einzelne Menschen können die Welt verändern. Jedenfalls ein Stück weit.“ Aber es gibt eben nicht viele, die so standfest und mutig sind wie Berthold Beitz, für die Prinzipien wie soziale Gerechtigkeit und Verantwortung noch eine Bedeutung haben.

Joachim Käppner: Berthold Beitz. Die Biographie. 622 Seiten, gebunden, 36 Euro, Berlin Verlag, ISBN 9783827008923

Autor:

Bernhard W. Pleuser aus Essen-Kettwig

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