Stromsperre als Druckmittel

Mit Schreiben vom 09.03.2016 verweigert der Iserlohner Grundversorger einer Ex-Kundin die vorläufige Belieferung mit Strom nach einem Wohnungswechsel. Der bisherige Energieversorger hatte mitgeteilt, dass sich die Belieferung an der neuen Adresse um ca. drei Wochen verzögern würde. In solchen Fällen ist der Grundversorger zur Belieferung gesetzlich verpflichtet.

"Die Nichtversorgung mit Energie stellt eine der Obdachlosigkeit vergleichbare Notlage dar."
Sozialgericht Köln, 15.11.2005,

Im Ablehnungsschreiben wurde vorgetragen:
„auf Grund offener Forderungen aus vorherigen Vertragsverhältnissen lehnen wir hiermit die Versorgung in der im Betreff genannten Verbrauchsstelle mit Energie ab und kündigen Ihnen die Sperrung des Zählers zum 16.03.2016 an. Durch Vorlage eines Zahlungsnachweises haben Sie bis zum . . . die Möglichkeit, die Sperrung zu verhindern.“

Es wurden zwei Vertragsnummern benannt, zwei Forderungssummen in Höhe von 1.912,34 € und 2.556,43 € (zzgl. Zinsen und Kosten) und die damalige Verbrauchsstelle. Mehr nicht. Weitere Informationen seien beim Rechtsamt der Stadt Iserlohn zu erfragen.
Für die angedrohte Sperre und Wiederfreischaltung wurden weitere 148,75 € in Rechnung gestellt.
Aber beim Rechtsamt der Stadt Iserlohn lagen keine offenen Forderungen gegen die Frau vor.

Unbekannte Forderung

In der persönlichen Vorsprache beim Grundversorger am 24.03.2016 wurden ihr jedoch zwei Rechnungen vom August 2010 ausgehändigt, von denen sie nach eigener Aussage keinerlei Kenntnis hatte.

Die gemeinsame Prüfung der Rechnungen zeigte dann gleich mehrere Auffälligkeiten.

Der Abrechnungszeitraum betraf das Jahr 2009. Die angegebene Verbrauchsstelle war das ehemalige Eigenheim über das im Jahr zuvor ein Zwangsversteigerung-Verfahren eröffnet worden war. Entsprechende Änderungen waren bereits 2008 im Grundbuch eingetragen worden.

Mit der Trennung vom Partner war die Frau bereits im Februar 2008 ausgezogen und wurde in der neuen Wohnung mit einem neuen Vertrag von dem Iserlohner Grundversorger zunächst acht Monate weiterversorgt. Somit schied sie als Verbraucher wohl aus. Und auch der Ex-Partner hatte das Haus bereits vor dem Abrechnungszeitraum aufgegeben.

Wer also hatte in einem leerstehenden Haus Energie verbraucht? Zumal die Verbrauchshöhe nach Aussage der Frau ähnlich hoch war, wie zu der Zeit als das Haus noch von vier Personen bewohnt war.

Mahnverfahren bei berechtigten Außenständen

Selbst säumigen Zahlern wird bei Zahlungsrückständen zunächst per Mahnschreiben und dann per Sperrandrohung die Möglichkeit eingeräumt der Energiesperre zuvorzukommen und eine Einigung mit dem Energieversorger zu verhandeln.
Und erst nach erfolglosem Mahnverfahren wird ein Inkassounternehmen mit der Beitreibung der Außenstände beauftragt oder ein Mahnbescheid beim Amtsgericht erwirkt, um die offenen Forderungen per Titel sicher zu stellen.

Im vorliegenden Fall jedoch ging es lediglich um eine Übergangsversorgung. Mit der Weiterbelieferung durch einen anderen Energieversorger wäre das Druckmittel der Sperre unwirksam.

Antrag auf eine Einstweiligen Rechtschutz

Am 28.03.2016 wurde ein Antrag auf Einstweiligen Rechtschutz beim Amtsgericht Iserlohn gestellt mit dem Ziel die kostenfreie Wiederfreischaltung gerichtlich durchzusetzen und die Übergangsversorgung sicherzustellen.
Außerdem wurde beantragt festzustellen, dass die Forderungen aus den Rechnungen vom 10.08.2010 gemäß § 199 BGB verfristet sind, weil kein Mahnverfahren gegen die Klägerin betrieben worden war.
Das Verfahren wurde unter dem Az.: 44 C 42/16 geführt.

Güteverhandlung

Erst in der Güteverhandlung vor dem AG Iserlohn am 12.04.2016 räumte der Vertreter des Grundversorgers ein, dass kein Titel gegen die Klägerin vorgelegt werden könne und sagte darum die kostenfrei Wiederaufschaltung für den Nachmittag zu. Auch die Verfahrenskosten gingen zu Lasten des Beklagten.

Fazit

Ohne erfolgreiche Klage wäre der Energieversorger nicht eingelenkt. Die Sperre war rechtswidrig vollstreckt worden und die Rechnungen wahrscheinlich verfristet.

Und obwohl die erfolgreiche Klägerin nicht als Energie-Abnehmer in Betracht kam, konnte doch die Haftungsfrage nicht abschließend beantwortet werden, weil sie es wohl beim damaligen Auszug unterlassen hatte, den Versorgungsvertrag einseitig zu kündigen.

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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