Friedhöfe sind längst nicht mehr nur Ruhestätten der Verstorbenen

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Marl. Sie gelten als Ort der Trauer, als letzte Ruhestätte – doch Friedhöfe sind heute mehr, sind für viele Menschen mittlerweile auch Oasen der Ruhe, Rückzugsorte, um zu sich selbst zu finden. In Zeiten des Klimawandels entwickeln sich Friedhöfe außerdem immer mehr zu einem Öko-Paradies für Flora und Fauna. Und das auch und ganz besonders in Marl.

Schon seit langer Zeit legt der Zentrale Betriebshof (ZBH) auf seinen Friedhöfen ganz bewusst naturnahe Bereiche und Felder an. So ist es an der Zeit, gemeinsam mit ZBH-Chef Michael Lauche und Gärtnermeister Uwe Stief einmal auf die schönen Plätze zwischen Sinsen und Polsum zu schauen. „Jeder Ort hat seine Besonderheiten, diese sind nur schwer vergleichbar“, weiß Michael Lauche, der im gleichen Atemzug von der enormen Artenvielfalt begeistert ist.

BIENENVÖLKER FÜHLEN SICH SICHTBAR WOHL
Streuobstwiesen, lange Alleen, wilde Blühstreifen – nicht nur Bienenvölker fühlen sich sichtbar wohl auf Marls Friedhöfe. Vielen Menschen ersetzten sie den eigenen Garten am Haus. Michael Lauche geht sogar noch einen Schritt weiter: Für mich sind sie die Hidden Champions in der Stadt, die geheimen bzw. versteckten Höhepunkte. Denn wir haben hier eine Qualität, die auf den ersten Blick gar nicht auszumachen ist.“

EIGENE GRABFELDER FÜR MUSLIME UND ALEVITEN
Gleich mehrere Besonderheiten bietet beispielsweise der Friedhof im Stadtteil Hamm, wo es nicht nur eigene Grabfelder für Muslime (alle Gräber sind nach Osten ausgerichtet) in einem und für Aleviten in einem anderen Bereich gibt (ein Gebäude ist übrigens eigens umgebaut worden, um rituelle Waschungen vornehmen zu können). Liebevoll gestaltet, mit eigens installierten, aufwendig gearbeiteten Brunnen ist der Teil des Friedhofes eine besondere Augenweide.

UNGESTÖRTES HABITAT FÜR DIE TIERWELT
Auf riesigen Freiflächen wurden darüber hinaus Blühwiesen angelegt, die sich zu einem ungestörten Habitat für die Tierwelt entwickelt haben. „Wir haben dabei Wert auf endemische, also heimische Pflanzen und Blumen gelegt“, ergänzt Uwe Stief. Totholz, ungestörte Bereiche, Nachtruhe und echte Dunkelheit ohne Laternen locken Tiere an, die hier ein Zuhause finden.

Wer über die Wege streift, erkennt schnell: In Marl denkt man nicht nur „Grün“ im Sinne der Ökologie, „Wir sind es auch“, so Michael Lauche. Und somit entstünde eine ganz besondere Aufenthaltsqualität für die Menschen: Einfach die Ruhe genießen und seiner Liebsten gedenken, ein Bad auf einer Bank in der Sonne genießen oder ein Buch lesen.

HAUPTFRIEDHOF AN DER SICKINGMÜHLER STRASSE
Nicht minder abwechslungsreich ist es auf dem Hauptfriedhof an der Sickingmühler Straße, neben Hamm einer von fünf weiteren (Hüls, Alt-Marl, Sinsen und Polsum; der Alte Friedhof Brassert – Zentralfriedhof - ist außer Dienst gestellt) und mit 116 500 Quadratmetern der größte im Stadtgebiet. Dort fällt natürlich die neue Trauerhalle ins Auge, in der in Zukunft nicht nur Trauerfeiern stattfinden sollen, sondern vielleicht auch das eine oder andere pietätvolle Konzert.

VERGLEICH MIT EINER PARKLANDSCHAFT
Direkt gegenüber erkennt man die erste Besonderheit: aufgeschüttete Grabflächen, die dem Friedhof ein besonderes Charakteristikum geben, ihm eine Leichtigkeit und eine Freizügigkeit verleihen. Der herrliche Baumstand hält dabei dem Vergleich mit einer Parklandschaft Stand. Doch nicht nur wegen dieser Großzügigkeit ist ein Grabfeld einige Meter weiter in Richtung Dümmerweg besonders beliebt.

WEGE LADEN ZUM FLANIEREN EIN
Die Fläche dort ist gärtnerisch betreut und erinnert mehr an einen botanischen Garten denn an einen Friedhof. Zierobstbäume dürfen abgepflückt werden, bunte Blumen und Pflanzen erfreuen selbst an einem tristen Tag die Augen ihrer Besucherinnen und Besucher, geschwungene Wege laden zum Flanieren ein.

ES WIRD GEFACHSIMPELT UND DISKUTIERT
Mittendrin hat sich eine kleine Gruppe Seniorinnen und Senioren zusammengefunden. „Wir kommen jeden Tag hierher“, tönt es unisono aus den Mündern des Quartetts. Es wird gefachsimpelt, diskutiert, aber natürlich auch an die Verstorbenen gedacht - die Friedhofskultur hat sich gewandelt. Dazu zählt auch, dass sich viele Menschen keine Sargbestattung mehr wünschen, sondern ein Urnengrab. „Dementsprechend benötigen wir auch nicht mehr so viele Flächen und können diese im Sinne der Ökologie umgestalten“, erklärt Michael Lauche.

PUSTEBLUMENFELD FÜR VERSTORBENE STERNENKINDER
Angegliedert ist das Pusteblumenfeld für verstorbene Sternenkinder und das Grabfeld für verstorbene Kinder. Der Ort soll verwaisten Eltern, die ihre Kinder während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt verloren haben, zur Trauerbewältigung dienen und die Erinnerung wach halten.

BAUMURNENGRÄBER UND STELEN
Neben den bekannten Reihengräbern, dominieren mittlerweile zahlreiche Stelen, Urnengräber oder Baumurnengräber einen Teil des Friedhofes. Letztere sind sogar als Familiengräber buchbar. „Diese sind genauso wie die Stelenfächer weit weniger pflegeintensiv als klassische Gräber“, sagt Uwe Stief. Aber Eines ist ihnen allen gleich: Sie sind die naturnahen Oasen eines Kommunalfriedhofs in 
Marl.

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

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