Mit "Dempower" Kinder und Jugendlichen von jungen demenzerkrankten Eltern erreichen

Drei Sozialarbeiter:innen und Sozialpädagog:innen des St. Vinzenz e.V. führen durch das "Kidsdem"-Gruppenangebot "Dempower" (v.l.): Anna-Magdalena Schorling, Dimitrios Sarantopoulos und Jana Weikamp
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Eine dementielle Erkrankung wird landläufig mit älteren Menschen in Verbindung gebracht. Doch auch Erwachsene mittleren Alters können an einer Demenz erkranken: Väter oder Mütter in der Mitte ihres Lebens, die bislang erfolgreich im Arbeitsleben standen und Familien gegründet haben. Mit Kindern, die gerade heranwachsen. Eine Demenz-Diagnose ist für Angehörige immer eine einschneidende Erfahrung. Doch sind Kinder und Jugendliche als direkte Familienmitglieder eines erkrankten Elternteils betroffen, dann trifft es sie in einer besonders sensiblen Phase ihrer Entwicklung - mit oft gravierenden Folgen für ihr eigenes weiteres Leben.


Eine Bochumer Kooperation zwischen der LWL-Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Präventivmedizin, der Alzheimer Gesellschaft Bochum und der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung St. Vinzenz hat sich dieser Heranwachsenden in ihrer besonderen Lebenssituation angenommen: Im Rahmen des vom NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales und den Landespflegekassen geförderten "Kidsdem"-Projekts, das Hilfen für diese jungen Menschen entwickelt und evaluiert, soll das "Dempower"-Gruppenangebot gezielt helfen.

"Vater oder Mutter nach und nach an einer Demenz zu verlieren, ist für junge Menschen ein schwerer Schicksalsschlag", weiß Dr. Ute Brüne-Cohrs, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Geriatrie und Palliativmedizin, aus ihrer Praxiserfahrung in der Ambulanz für psychische Erkrankungen im höheren Lebensalter sowie in der Gedächtnissprechstunde der LWL-Universitätsklinik Bochum. Neben der Diagnostik und Behandlung von Gedächtnisstörungen zählt eine gemeinsame Sprechstunde mit der Beratungsstelle der Alzheimer Gesellschaft Bochum zum ambulanten Angebot. "Es kommen viele ältere Menschen mit Demenz gemeinsam mit Angehörigen, um sich behandeln und beraten zu lassen. Aber es stellen sich auch Patientinnen und Patienten zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr und auch jüngere in unserer Sprechstunde vor. Hier ist es uns wichtig, heranwachsende Kinder schnell mit einem individuellen Angebot zu erreichen und sie gut aufzufangen."

Dazu zählt das Gruppenangebot "Dempower", das in den Räumlichkeiten der St. Vinzenz-Einrichtung unter fachlicher Anleitung stattfindet. "Im Alltag fehlt den Kindern und Jugendlichen ein Gegenüber, bei dem sie sich entlasten können, oder auch andere Betroffene gleichen Alters", erklärt Erziehungsleiter und Diplom-Heilpädagoge Jan Hildebrand vom St. Vinzenz e.V. "Hier in der Gruppe finden sie einen geschützten Rahmen mit anderen jungen Menschen in einer ähnlichen Situation vor, wo sie zudem von Therapeutinnen und Therapeuten begleitet werden." Denn zuhause erleben die jungen Angehörigen Vergesslichkeit, Aggressivität, Unruhe beim Vater oder bei der Mutter, oft für sie unvorhersehbar und unkalkulierbar. Sie müssen sich mit eigenen widersprüchlichen Gefühlen wie Wut, Angst, Trauer, Scham und Schuld auseinandersetzen, eigene Bedürfnisse zurückstellen, oft Verantwortung übernehmen. Ihre gesamte Lebensplanung ist in Frage gestellt. Jutta Meder, Geschäftsführerin der Alzheimer Gesellschaft Bochum, betont: "Die Einbeziehung aller am Krankheitsprozess beteiligten Angehörigen ist enorm wichtig. Besonders die Kinder sind Leidtragende. Für sie gab es bislang keine passenden Angebote. Als Kooperationspartner freuen wir uns, das 'Kidsdemâ¿¿-Projekt und das 'Dempowerâ¿¿-Angebot auf den Weg gebracht zu haben."

Die betroffenen Familien werden in der ambulanten Sprechstunde im LWL-Universitätsklinikum direkt auf das Angebot aufmerksam gemacht. Interessierte Angehörige können sich neben dem LWL-Universitätsklinikum Bochum aber auch im St. Vinzenz oder bei der Alzheimer Gesellschaft Bochum melden. Für die Jugendlichen besteht jederzeit die Möglichkeit, in das Gruppenangebot einzusteigen.

Info

Laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft sind in Deutschland etwa 1,6 Millionen Menschen (2020) dementiell erkrankt. Von einer Demenz im jüngeren Lebensalter sind schätzungsweise zwischen 30.000 und 40.000 Menschen betroffen. In etwa jeder dritten von einer frühen Demenzerkrankung betroffenen Familie leben Kinder unter 18.

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

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