Ein Karlsbogen wäre doch schön
Wie Saarn zu seinem Namen kam - Humorvolle Geschichte op Platt - mit Übersetzung

Foto: Franz B. Firla
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Heinrich Mühlsiepen (1836-1901)

Der Saarner Schreinermeister war ein echter Dorf-Poet. 1976 erschien bei Werry „As Saan noch lang nit Großstadt wor“. Der Band mit interessanten historischen Fotos aus Saarn enthält die Gedichte von Heinrich Mühlsiepen, viele in Hochdeutsch, wenige in Platt, eingeleitet durch ein Lebensbild von Dr. Heinrich Küpper. Er stellt ihn in eine Reihe mit Karl Broermann, Chird Hardering und Wilhelm Klewer. In der Tat stehen Mühlsiepens solide gedrechselte Verse mit ihrer Mischung aus überraschend modern wirkendem satirischem Humor, tiefer Menschenkenntnis und der Liebe zu seinem Dorf Saarn einzigartig da. Der bergische Einfluss in seinem Platt ist unüberhörbar, seine Lust, die Historie im Sinne Saarns neu zu schreiben oder zu deuten, lässt den Leser noch heute schmunzeln. Als Mitglied des Karnevalsvereins „ Kloumpe Klupp te Saan“ sowie eines Gesangvereins freute er sich, wenn seine Gedichte, die z.B. die Aufstellung der ersten Gaslaternen in Saarn spöttisch kommentierten, auch gesungen wurden.

Das ist der Link zu youtube für die gesungene Version von „Nou süh es’Saan“:
https://youtu.be/yzRTcXxUkXo
Der Text befindet sich mit Übersetzung auch auf der Homepage von „Aul Ssaan“ unter ‚Saarner Lieder‘: https://aulssaan.de

Nou süh e S'aan

As Kaiser Karl, so geiht die Miähr,
Genk, Wittekind te fangen,
Do koum he ouk van ungefiär
Wall hie des Wegs gegangen;
On öß he noch e Stöck van hie,
Do rekden öm bes an de Knie
De Dreck op glieker Strothen.

De Kaiser wor va sachtem Aht,
Man huod öm selte fluke;
Doch keuden he sech va Gef dä Bath
On fenk stark an te schmuken.
Herr Roland soug van ungefähr
De Kaiser e sie gruot Malör
On nuohm en Extra-Wagen.

Vier Schwatte wohde füorgespannt,
De Kaiser wies me'm Stocken,
On widder gengt op Sachseland
Held Roland fuhr vam Bocken.
Doch eß sei wor'n op der Chaussee,
hie grad, wo nou de Holsteinshöh,
Do wodde stell gehaulen.

Et luog för üöhr em Morgenstrahl
E Kluoster met der Kerken,
On roundheröm bes dech ant Dahl
Huoch Eiken, Büken, Berken.
De bountgefärwte grüne Eu
On mettendren en Silwerschleu
Bei us de Ruhr gehetten.

De Kaiser nuohm den Dreitimp af
On diät am Brell wat röcken,
He kik herop, he kik heraf
On riep dann met Entzöcken:
"Nou süh e S'aan, nou süh e S'aan!"
On beinoh wor et drop on dran
Dat hä de Piep liet fallen.

On widder gengt bes Peckes-Eck,
So ewes öm de Dreie;
Do genk em allerdiepsten Dreck
De gruote Hut öm weihe.
"Nou süh e S'aan, nou süh e S'aan!
Me wäd va Freud, va Gef hie wahn!
Dat ös en eige Gegend."

Et stongen ouk nie wiehd dervan
De Lüth hie ut dem Flecken,
die hurd'n et leßte Wood dervan
Wat Kaiser Karl diäth sekken.
On Saan hett doröm hie den Ort,
Ahl do, so nou on ömmerfort,
Bes dat de Welt geiht ouner.

Übertragung ins Hochdeutsche

Als Kaiser Karl. so geht die Sage.
ging, Wittekind zu fangen,
da kam er auch so ungefähr
wohl hier des Wegs gezogen;
und ein Stück weit von hier,
da reichte ihm bis zu den Knien
der Dreck auf der matschigen Straße.

Der Kaiser war von sanfter Art,
man hörte ihn selten fluchen;
doch zupfte er sich vor Wut am Bart
und fing stark an zu rauchen.
Herr Roland sah zufällig
des Kaisers großes Unglück
und nahm einen Extra-Wagen.

Vier Rappen wurden vorgespannt,
der Kaiser wies mit dem Stock,
und wieder gings nach Sachsenland,
Held Roland saß auf dem Bock.
Doch als sie auf der Chaussee waren,
gerade hier, wo nun die Holsteinshöhe ist,
da wurde angehalten.

Es lag vor ihnen im morgenstrahl
ein Kloster mit der Kirche,
und rundherum bis dichte ans Tal
hoch Eichen, Buchen, Birken.
Die buntgefärbte grüne Aue
und mittendrin eine Silberschlange
bei uns die Ruhr geheißen.

Der Kaiser nahm den Dreispitz ab
und rückte die Brille zurecht,
er sah herauf, er sah herab
und rief dann mit Entzücken:
„Nun sieh ’mal an’ (Saarn), nun sieh mal an!“
und beinahe wäre es passiert,
dass ihm die Pfeife hingefallen wär.

Und wieder gings bis Peckes-Eck,
mal eben um die Kurve;
da wehte ihm im allertiefsten Dreck
der große Hut vom Kopf.
„Nun sieh ’mal an’ ( Saarn), nun sieh mal an!
Man wird hier vor Freude und Wut noch wahnsinnig!
Das ist eine seltsame Gegend“

Es standen auch nicht weit davon
die Leute hier aus dem flecken,
die hörten das letzte Wort davon
was Kaiser Karl gesagt hatte.
Un Saarn heißt darum hier der Ort,
schon damals, wie heute und immerfort,
bis dass die Welt untergeht.

aus: „As Saan noch lang nit Großstadt wor“ Edition Werry

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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