Italienurlaub: Es war nicht die Mafia

In den siebziger Jahren fuhr alle Welt nach Italien, also auch wir: meine Frau Melitta und Tochter Gerlinde. Nach Rom - mit dem Caravan. Unser FORD widersetzte sich. Kurz vor dem Ziel meldete er durch ein immer lauter werdendes mahlendes Geräusch seinen Protest an. Wir rollten mit dem Gespann durch die Ewige Stadt, als ob sie es Schuld sei.
Ein Schlosspark vor Ostia, dem Badeort der Römer, war zu einem Campingplatz umgestaltet worden. Heilfroh, den ohne umständliches Suchen erreicht zu haben, stoppten wir an der Anmeldung. Ich fragte die noch sehr junge Frau, die sich als einziger Mensch im Büro aufhielt, ob hier in der Nähe eine Autowerkstatt sei? Mit der Überheblichkeit des Deutschen freute ich mich, dass die Frau deutsch sprach. Sie wies mich sogar auf eine kostengünstige Möglichkeit hin: Auf dem Campingplatz verdiente sich ein englischer Maschinenbaustudent seinen Italienaufenthalt mit Autoreparaturen. Nachdem wir unseren Caravan abgestellt hatten, suchte und fand ich ihn vor einem kleinen Hauszelt, wo er auf einer Matte lag, auf einem Grashalm kaute und mit der Überheblichkeit des Engländers voraussetzte, dass ich englisch spreche. Ich nahm ihn mit zu unserem Auto, in das er sich hineinsetzte und davon fuhr.
"Wo hat denn der seine Werkstatt?" in so einem Moment so eine naive Frage zu stellen, das kann nur eine Frau. Gereizt antwortete ich: "Woher soll ich das wissen?"
"Hoffentlich sehen wir den noch mal wieder?! Von Italien hört man doch die tollsten Dinge!"
Die Frau macht mich noch wahnsinnig. "Sieh nicht immer so schwarz!"
Zu allem Überfluss zog sich der Himmel zu. Der Regen begann auf unser Wohnwagendach zu trommeln. Er sollte mich an Maßnahmen nicht hindern. Melitta bereitete ein Schnellgericht vor: "Iss erst mal was!"
Mir war nicht nach essen, ich dachte über Alternativen nach: Wie kommen wir ohne Auto nach Hause? Mit der Bahn? Was wird aus dem Caravan? Lass ich ihn aus Italien holen, kostet das möglicherweise nicht weniger als ein neuer? Wie weit geht der Versicherungsschutz? Bekanntlich hört der da auf, wo das Risiko anfängt.
Mich hielt nichts mehr in der Kiste, ich ging hinaus - in den strömenden Regen. Einen Schirm hatten wir natürlich nicht mit, wir sind doch keine Pessimisten.
Das Zelt des Engländers war leer, von unserem Auto nichts zu sehen. Ist der Engländer überhaupt ein Engländer?
Ich wischte mir den Regen, der mir von der Stirn lief, mit dem durchnässten Hemdsärmel aus den Augen. Die in der Anmeldung hatte mir doch den Tipp gegeben. Besteht denn ganz Italien aus Mafia? Stecken die alle unter einer Decke?
die junge Frau saß nach immer in ihrem kleinen Büro - und lächelte mir doch tatsächlich zu, so als ob gar nichts gewesen sei! Barsch fragte ich sie, wo mein Auto sei? Verständnislosigkeit las ich aus ihrem Gesicht. Man kennt das ja: Immer wenn die nicht wollen, verstehen sie nichts. Das sind doch alles Schauspieler. "Wenn ich mein Auto nicht wieder bekomme, ist hier was los!" drohte ich, wusste freilich nicht, was dann los sein sollte.
"Reparatur", sagte sie - der hatte sie das gefragt? Ohne ein weiteres Wort zog ich ab. Allein gegen die Mafia, was sollte ich da schon ausrichten? Erwartungsvoll blickte mich Melitta an als ich mich wieder am Caravan einfand. "Wie sieht es aus? Mein Gott bist du nass! Zieh dich schnell um, sonst kriegst noch ne Lungenentzündung."
Die Familie musst sich zwischen Tisch und Sitzbank quetschen, damit ich Platz zum Umziehen hatte. Ich stand gerade im Hemd, als es an der Wohnwagentür klopfte. "Wer will denn jetzt was von uns?" Unwirsch öffnete ich die Tür - und blickte total überrascht in die graublauen Augen des Mafia-Engländers. In seinen ölverschmierten Händen hielt er das Stirnradgetriebe meines Autos und sagte: "Kaputt!"
Als Pädagoge wandte ich mich an meine dreizehnjährige Tochter und bat sie zu etwas, was sie freiwillig nie getan hätte: Gerlinde, jetzt hast du Gelegenheit dein gymnasiales Englisch an den Mann zu bringen." Sie bekam heraus, dass der junge Mann heute nicht mehr fertig werden würde, weil die Ersatzteilbeschaffung einen Tag in Anspruch nimmt.
"Na bitte, geht doch ganz gut. Frag ihn, wie teuer das wird!"
"Zweihundertfünfzig Mark."
"Okay, alles klar!" Ich strahlte diesen sympathischen Inselbewohner an bevor er sich von dannen trollte.
"Du und dein Scheiß-Misstrauen!" Ungerecht und befreit von den Launen des Schicksals lachte ich erleichtert. Frau und Tochter stimmten ein.

Autor:

Erich Strohschein aus Oberhausen

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